Standorttarifvertrag für das Aichtaler Unternehmen steht: Betriebsbedingte Kündigungen bis 2020 ausgeschlossen
Bei Putzmeister geht der Blick wieder nach vorn

Die Nachricht von einer Standortsicherung für das Aichtaler Unternehmen Putzmeister war bereits am Mittwoch durch eine Medien-Veröffentlichung durchgesickert. Gestern gaben nun Gewerkschaft und Betriebsrat Details zu der Vereinbarung bekannt.

Aichtal. Die überraschende Übernahme von Putzmeister durch den chinesischen Konzern Sany im vergangenen Februar habe bei der Belegschaft in Aichtal wie auch im Werk in Gründau große Ängste ausgelöst, berichtete Betriebsratsvorsitzender Gerhard Schamber. Mit dem nun vereinbarten Standorttarifvertrag könne man diese Ängste nehmen. „Wir brauchen eine positive Stimmung in der Belegschaft, denn auch von uns aus soll es ein Erfolgsmodell werden“, so Schamber.

Dass am Ende eine so weitgehende Regelung herauskomme, damit haben Betriebsrat und Gewerkschaft nach eigenem Bekunden nicht gerechnet. Die zwischen der IG Metall Esslingen und der Putzmeister-Geschäftsführung getroffene Vereinbarung sieht vor, dass bis Ende 2020 betriebsbedingte Kündigungen sowie Änderungskündigungen ausgeschlossen sind, die im Zusammenhang mit der Übernahme durch Sany stehen. Das mit den Änderungskündigungen sei wichtig im Bezug auf das Sany-Werk in Bedburg bei Köln, erläutert Sieghard Bender, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Esslingen: Der chinesische Konzern hatte dort vor, Betonpumpen zu bauen, und wohl auch bereits 18 Mitarbeiter von Putzmeister dorthin abgeworben. Dies sei aber mittlerweile vom Tisch, so Bender.

Produktverlagerungen in den Sany-Betrieb nach Bedburg seien in dem Standorttarifvertrag ausgeschlossen worden. Putzmeister bleibe eigenständiges Unternehmen und alle Funktionsbereiche wie Entwicklung, Vertrieb, Einkauf oder Logistik blieben erhalten.

Putzmeister sei für alle Märkte im Bereich Betonpumpen außerhalb von China zuständig. Sany werde also zum Beispiel in Indien nur Putzmeister-Pumpen und keine Sany-Pumpen anbieten. „Das ist auch ein Zeichen, dass wir in Aichtal eventuell noch wachsen können“, so Gerhard Schamber. Außerdem werden die 33 befristeten Arbeitsverhältnisse der Jungfacharbeiter sofort in unbefristete umgewandelt. Die Ausbildungsquote werde auf mindestens fünf Prozent festgeschrieben – derzeit liege sie bei 4,5 Prozent – und die Übernahme erfolge in der Regel unbefristet. Weiterhin werde dieses Jahr die Lehrwerkstatt modernisiert. „Wir konnten eine Strategie festlegen“, so Bender. Er sei zuversichtlich, dass der Tarifvertrag über die acht Jahre halte.

Dass Putzmeister-Geschäftsführer Norbert Scheuch, der künftig auch im Vorstand von Sany sitzen wird, der Forderung der Gewerkschaft nach einer so langen Laufzeit schließlich nachgegeben hat – er hatte sich mehrfach auch öffentlich dagege ausgesprochen –, hängt für Sieghard Bender vor allem damit zusammen, dass kommenden Dienstag der erste Besuch von Sany-Chef Liang Wengen

in Aichtal ansteht. „Sie wollten da Ruhe haben und keine protestierenden Putzmeister-Beschäftigten, das hat sich in den Verhandlungen gezeigt.“ Norbert Scheuch war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Zugleich zeige dies aber auch, dass Sany langfristige Pläne habe und nicht auf schnellen Profit aus sei: „Da steckt eine langfristige Strategie dahinter.“ Sie wollten damit auch ein Exempel statuieren und seien wohl auch deshalb nicht auf Konfrontation aus: „Für Sany ist das ein Prestige-Projekt.“ Mit dem Know-how von Putzmeister sowie dessen internationalen Vertriebs- und Servicestrukturen könne der chinesische Baumaschinen-Konzern mit seinen rund 70 000 Mitarbeitern mittelfristig mit seinen Produkten auch außerhalb Chinas landen.

Laut einem Bericht der Financial Times im Internet vom 9. April hat Sany offenbar große Pläne mit Putzmeister: Demnach will das Unternehmen von Gründer Liang Wengen in Putzmeister 300 Millionen Euro investieren. 3000 Arbeitsplätze sollen dadurch in Deutschland, Indien und Brasilien entstehen.

Auch wenn die Erfahrungen der Gewerkschaft mit Sany zunächst positiv sind – Zitat Sieghard Bender: „Das Gebaren manchen Finanzinvestors sieht anders aus“ –, sieht der Gewerkschafts-Chef in der chinesischen Vorgehensweise auch eine Gefahr für andere deutsche Betriebe, wie zum Beispiel Liebherr, die Putzmeister mit Betonmischern beliefern, oder andere globale Hersteller im Baumaschinen-Sektor: „Die Chinesen wollen dagegen antreten, da war Putzmeister ein wichtiger Baustein.“ In China werde Industriepolitik gemacht, so Bender. Den Verantwortlichen dort sei bewusst, dass sich mit der Herstellung von Produkten Wohlstand entwickle. Die Übernahme des konkurs gegangenen Putzmeister-Konkurrenten Cifa in Italien durch den chinesischen Baumaschinenhersteller Zoomlion vor wenigen Jahren oder die bevorstehende Übernahme des Betonpumpenherstellers Schwing aus Herne durch den staatlichen chinesischen Baumaschinenkonzern XCMG seien weitere Beispiele.

Eine solche Industriepolitik fehle in Deutschland. Bereits vor zwei Jahren in der Krise habe die IG Metall mit dem Betriebsrat versucht, eine eigene industriepolitische Lösung für Putzmeister zu gestalten.

Sieghard Bender: „Nach unseren Vorstellungen wäre mit einem Zusammengehen von Putzmeister mit Schwing oder eine Kooperation mit Liebherr eine Struktur für die globalisierte Welt entstanden und die Entscheidungen würden hier getroffen. Unser Ansatz interessierte aber weder das hiesige Wirtschaftsministerium noch sonstige Landes- und Bundespolitiker, die wir kontaktierten – egal welcher Partei.“ Das Putzmeister-Werk in China, in dem über 600 Mitarbeiter beschäftigt sind, soll nach Informationen von Betriebsratsvorsitzendem Schamber künftig für den Bereich Premium-Betonpumpen für den chinesischen Markt zuständig sein.

Nicht erfolgreich gewesen sei man mit der zweiten Forderung, mit der man in die Verhandlungen gegangen sei, nämlich einer Beteiligung der Putzmeister-Belegschaft am Verkaufserlös. Rund 360 Millionen Euro fließen in die beiden Stiftungen von Putzmeister-Gründer Karl Schlecht.

Die Gewerkschaft reklamierte davon 50 Millionen Euro für eine gemeinnützige Mitarbeiter-Stiftung. Doch habe Schlecht dies rigoros abgelehnt.