Landrats-Vize Matthias Berg kommentiert in London gemeinsam mit Stefan Bier die Paralympics
Berg kommentiert die Paralympics

Seit Montag ist Landrats-Vize Matthias Berg in London. Als Experte und Co-Moderator kommentiert der ehemalige Leistungssportler fürs ZDF die Olympischen Spiele für Athleten mit Handicap.

Esslingen. Sieben Mal ist der 50-Jährige selbst bei den Paralympics angetreten. 27 Medaillen hat er sich erkämpft: elf goldene, zehn silberne und sechs bronzene. „Die liegen in einer Holzkiste im Kleiderschrank“, sagt der Esslinger, der als Folge des Schlafmittels Contergan mit stark verkürzten Armen zur Welt gekommen ist. Politisch nicht korrekt ist inzwischen der Begriff „Behinderte“. Man spricht von behinderten Menschen oder von Menschen mit Behinderung. Berg sieht das jedoch locker: „Mir ist das schnuppe“. Er selbst ist bis heute dreifacher Weltrekord-Inhaber in seiner Starterklasse der Doppelarmbehinderten: im Weitsprung (6,20 Meter), im Hochsprung (1,68 Meter) und über die 100 Meter Sprint (11,63 Sekunden).

Auch im Wintersport war er bei Paralympischen Spielen in Form, eine Silbermedaille gewann er im Slalom. „Ich war immer ein Wettkampftyp, eine Rampensau“, sagt er. Gewundert hat ihn, dass er nie zum Dopingtest antreten musste. Er wertet das als Zeichen, dass man die Menschen mit Handicap damals noch nicht richtig ernst genommen hat. Als Ex-Athlet und Funktionär des Deutschen Behindertensportverbands engagiert ihn das ZDF seit zwölf Jahren zum Kommentieren aller 20 Sportarten. Zusammen mit dem Sportjournalisten Stefan Bier bildet Berg ein eingespieltes Duo, eine Art Delling-Netzer für den Behindertensport.

„Er ist sehr intelligent, exzellent vorbereitet und hat einen furztrockenen Humor“, freut sich Berg als hochklassiger Horn-Solist auf die Tage in London mit dem promovierten Musikwissenschaftler. Wobei sicher mehr über Sport geredet wird. Dass er 14 Tage Urlaub nehmen muss, um rund um die Uhr zu arbeiten, sei kein Opfer. „Das mach‘ ich gern“, sagt Berg. Er sei näher dran an den Athleten. Allein aus Baden-Württemberg stammen 150 Teilnehmer. Im Stadion, Studio und im Internet-Fernsehen erläutert der gebürtige Dortmunder bis 9. September, was sich im Regelwerk oder in der Prothesentechnik verändert hat, und warum beim Kugelstoßen keine Weite auf der Anzeigentafel steht, sondern Punkte. Denn um die Leistungen vergleichbar zu machen, werden die Athleten anhand eines komplizierten Berechnungsschlüssels eingeteilt. Schließlich macht es einen gravierenden Unterschied, ob ein Kugelstoßer ab dem vierten Brustwirbel abwärts gelähmt ist oder ob er noch Bauchmuskeln hat.

Manche versuchen, bei der Einteilung zu mogeln. Die Konkurrenz passe in der Olympia-Kantine genau auf, ob einer mit 0,5 Prozent Sehrest gezielt zu seinem Tisch läuft. „Es gab schon Umstufungen nach Protesten.“ Beim Thema Oscar Pistorius regt sich der Ex-Athlet richtig auf. Der südafrikanische Sprinter „ohne Beine“ hatte sich einen Start bei den Olympischen Spielen der Nicht-Behinderten erkämpft. Natürlich solle er dort starten dürfen, sagt Berg. „Man darf sich nur keine Vorteile durch Hilfsmittel verschaffen.“ Die habe Pistorius mit den Karbon-Prothesen nicht. Scharf kritisiert Berg ein Gutachten, das die Sporthochschule Köln im Auftrag des Internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF erstellt hatte. Es bilanziere nicht die Vor- und Nachteile, sondern liste nur die Vorteile auf. „Seine Oberschenkelmuskeln ermüden stärker und in der Kurve muss er auf der Kante der Prothese laufen“, nennt Berg die Nachteile. Der Internationale Sportgerichtshof hatte Pistorius Recht gegeben. Eine Untersuchung über Vor- und Nachteile gibt es immer noch nicht.