Kirchheim. Viele kamen aus Stuttgart, andere aus Lauffen am Neckar oder Allmersbach im Tal. Alle kamen mit der S-Bahn und wurden von Quarthal am Bahnhof begrüßt. Er erklärte, wie der Eisenbahnbau einst die Begeisterung für das „vaterländische Gebirge“ Schwäbische Alb förderte. Nicht zu jedermanns Freude: Die Pfarrer klagten über die Sucht, sonntags auf die Alb zu fahren, um den Abend dann singend und zechend in Wirtschaften zu verbringen.
Das „Alte Haus“ vor dem Oberen Tor war ebenfalls eine Wirtschaft und für manchen die Rettung: Bot sie doch Herberge, wenn die Stadttore bereits geschlossen waren. Einst vom Abriss bedroht, ist das Haus nun mustergültig saniert. Die Urkunde aus dem Jahr 960, in der Kirchheim das erste Mal erwähnt ist, wurde laut Quarthal im 20. Jahrhundert nochmals gerichtsrelevant. Gab sie doch Auskunft darüber, ob der Vorplatz des Churer Doms dem dortigen Bischof gehört.
Die Schwäbische Alb war lange Grenzmarkierung. Südlich davon herrschten die Habsburger, nördlich die Württemberger. „Die Mittelalterlichen Fürsten kauften wie Großkonzerne eine Herrschaft nach der anderen, die Württemberger haben gegengekauft.“ Die Tecker verpfändeten ihr Herzogtum und liehen sich Geld bei den Habsburgern und Württembergern. Doch die versprochenen 20 000 Gulden der Habsburger flossen in Wirklichkeit nie.
1381 ging das ganze Herzogtum an Württemberg. „Im Vergleich sind heutige Geldgeschäfte noch nobel.“
Unter Herzog Ulrich von Württemberg wurde Kirchheim zu einer der sieben württembergischen Landesfestungen ausgebaut. 55 Jahre wurde am Schloss gebaut, erfuhr die Gruppe bei dessen Besuch. Geplant war, 1 500 Soldaten in Kirchheim zu stationieren. Wie größenwahnsinnig das war, rechnete Quarthal vor: Im 16. Jahrhundert habe ein Soldat pro Jahr vier Gulden Sold bekommen, das macht bei 1 500 Soldaten 6 000 Gulden – bei einem Gesamthaushalt des Herzogtums Württemberg von 60 000 Gulden. Und das, ohne dass auch nur ein Pferd gefüttert oder ein Schuss gefallen war. „Militär und Krieg sind viel teurer als der höfische Luxus.“ Der war im Kirchheimer Schloss, das 1628 zum Witwensitz des württembergischen Herrscherhauses wurde, laut Quarthal „nicht besonders luxuriös“. Üppig war allenfalls der Parfümverbrauch der feinen Leute, er konnte pro Tag einen halben Liter betragen. Waschen galt als ungesund. Bis heute blieb der Begriff „stinkreich“ erhalten.
Angesichts der Kirchheimer Fachwerkromantik warnte Quarthal davor, sich die Stadt als mittelalterliches Disneyland vorzustellen – die Straßen waren nicht gepflastert, und es wurde über den Gestank der Schweine geklagt. Der Historiker lobte die Behutsamkeit, mit der in Kirchheim Neubauten angepasst wurden. Den Marktbrunnen stellte er als die „Zeitung von Kirchheim“ vor, kam doch einst jeder hierher und tauschte beim Wasserholen Neuigkeiten aus.
Vor der Martinskirche richtete sich der Blick auf Konrad Widerholt. Er ergab sich als einziger nicht, seine Festung Hohentwiel war im 17. Jahrhundert uneinnehmbar. Die große Aktion gegen ihn im Jahr 1640, die total misslang, verglich Quarthal mit einer UN-Mission. Von der früheren Innenausstattung der Martinskirche ist wenig geblieben, im Gegensatz zur Weilheimer Peterskirche, deren Besichtigung nachmittags folgte. Davor standen ein Mittagessen im Alten Forsthaus sowie Besuche im Stadtmuseum und im Max-Eyth-Haus auf dem Programm.
„Sie sind sicher mit mir einer Meinung, dass Kirchheim ein kleines Juwel ist“, meinte Quarthal zu seiner Gruppe. Die Reaktionen waren allseitiges Raunen und Nicken.