Nach drei Jahrzehnten verabschiedet sich Lenningens Alt-Bürgermeister Gerhard Schneider aus dem Kreistag
„Bevor sie mich raustragen. . .“

50 Jahre Kommunalpolitik hat Lenningens ehemaliger Bürgermeister Gerhard Schneider auf dem Buckel. 30 Jahre saß er im Esslinger Kreistag, davon 15 als Chef der CDU-Fraktion – in manchen Zeiten ein Fulltime-Job. Jetzt hat er sich aus dem Gremium verabschiedet.

Lenningen. „Mit 75 ist es Zeit zum Aufhören“, sagt Gerhard Schneider gewohnt nüchtern. „Ich habe gedacht, bevor sie mich raustragen. . .“. Den CDU-Fraktionsvorsitz hatte er bereits im September 2011 in jüngere Hände übergeben, um einen fließenden Übergang an der Spitze der Fraktion zu gewährleisten. Nicht mehr in der ersten Reihe zu stehen, bedeutete für Schneider auch, etwas mehr Freizeit zu haben.

Doch der Reihe nach: Wie so vieles in der Gemeinde Lenningen hatte auch Gerhard Schneiders kreispolitischer Werdegang mit dem Einfluss der Familie Scheufelen zu tun. Als sich der eingefleischte CDU-Mann Dr. Klaus-Heinrich Scheufelen 1984 dazu entschloss, nicht mehr für den Kreistag zu kandidieren, bat er den damaligen Lenninger Bürgermeister Gerhard Schneider darum, sich um ein Mandat zu bewerben – auf der CDU-Liste – versteht sich. „In die Partei eingetreten bin ich erst später. Aber das war auch nicht gegen meine Gesinnung“, sagt Schneider heute. Schon früher für den Kreistag zu kandidieren, wäre von Scheufelen indes als unfreundlicher Akt wahrgenommen worden, ist sich der Alt-Bürgermeister sicher.

Unglücklich war Schneider nicht darüber, erst Mitte der Achtzigerjahre ins Kreisparlament einzuziehen. 1966 hatte er auf dem Chefsessel im Oberlenninger Rathaus Platz genommen, neun Jahre später wurde er durch die Gemeindereform Bürgermeister der Kommune mit sieben Ortsteilen. „Die ersten Jahre musste man schon ran“, so lautet sein Rückblick trocken.

Ran musste Schneider auch als CDU-Fraktionsvorsitzender im Esslinger Kreistag. 1994 hatte er den Posten des Stellvertreters übernommen. Als der Fraktionschef Hermann Schmid 1996 starb, war es naheliegend, dass Schneider die Nachfolge antrat. „Zu bestimmten Zeiten war der Posten des Fraktionschefs ein Fulltime-Job“, sagt der CDU-Politiker. Besonders viel Arbeit bedeuteten die Haushaltsplanberatungen samt Klausursitzungen und Gesprächen mit den anderen Fraktionschefs jedes Jahr vor Weihnachten. Bis zum Antritt seines Ruhestands 1999 konnte Schneider noch auf die Infrastruktur im Rathaus zurückgreifen. „Später hat meine Frau die Sekretariatsarbeiten übernommen“, sagt er. „Nach dem Tod von Landrat Braun am 1. August 2000 wurde unser Wohnzimmer zur Schaltzentrale“, erinnert sich Schneiders Ehefrau Hannelore an die turbulenteste Zeit. Als Chef der damals größten Fraktion war Schneider erster stellvertretender Vorsitzender des Kreistags. Landrat Eininger war im Juli 2000 zwar schon gewählt worden, trat sein Amt jedoch erst nach der Sommerpause an. Zusammen mit dem damaligen ersten Landesbeamten Hanno Hurth hatte Schneider deshalb die Beerdigung des ehemaligen und den Amtsantritt des neuen Landrats zu organisieren.

Auch das Zusammenhalten der Fraktion gehörte zu den Aufgaben des Vorsitzenden. „Das hat schon manche Überzeugungsarbeit gekostet, man muss ja sehen, dass die Fraktion nach außen möglichst geschlossen auftritt“, so Schneider. „Bei aller kontroversen Diskussion hatten wir aber immer ein gutes Klima.“ Zu den jährlich wiederkehrenden Debatten zwischen den Fraktionen um die Höhe der Kreisumlage bezieht er klar Stellung: „Im Kreistag sitzen viele Bürgermeister und Gemeinderäte, die die Kreisumlage daheim spüren“, gibt Schneider zu bedenken. „Manchen ist deshalb das Hemd näher als der Rock. Ich habe immer gesagt, als Kreisräte sind wir hier für den Landkreis verantwortlich“, betont der 75-Jährige. Es müsse einen Solidarpakt zwischen Kommunen und Kreis geben, schließlich profitierten die Gemeinden auch davon, wenn der Kreis weniger Schulden habe.

In Finanzfragen mit allen Wassern gewaschen, war Schneider von 1989 bis zuletzt Sprecher seiner Fraktion im Verwaltungs- und Finanzausschuss. Dass er über die „Kernkompetenz jedes schwäbischen Schultes“ in besonderem Maß verfügt, bescheinigte Landrat Heinz Eininger Schneider auch bei dessen Verabschiedung aus dem Kreistag. „Ich habe den Hut vor Ihnen gezogen, wie präzise Sie uns das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen des ÖPNV nahegebracht haben. Das können so nur ganz wenige.“

Der Öffentliche Personennahverkehr gehört zu den Themen, die den Kreistag während Schneiders Mitgliedschaft immer wieder beschäftigten. „Die S-Bahn nach Kirchheim hätte man so schon 20 Jahre früher haben können“, lautet eine Einschätzung des scheidenden Kreisrats. „Die Region hatte immer gesagt, wir brauchen die große Wendlinger Kurve und zwei Gleise zwischen Kirchheim und Wendlingen. Das waren alles schöne Pläne, aus denen nix geworden ist“, meint der Alt-Bürgermeister. Längst vergangenen Tagen gehört das einstige Dauerthema Müll an. Schneider erinnert sich an „unschöne Szenen“ vor einer Sitzung in Aichwald: Damals hätten junge Mütter mit Särgen und Plakaten auf die Dioxingefahr durch die Müllverbrennung vor der eigenen Haustür aufmerksam gemacht. Auch in seiner Fraktion sprachen sich die Esslinger Kollegen gegen eine Müllverbrennung vor Ort aus. „In der Debatte steckte eine gewisse Unehrlichkeit“, so Schneider. Denn als klar gewesen sei, dass der Müll in Stuttgart-Münster verbrannt wird, habe der Beschluss eine große Mehrheit gefunden.

Das Thema Krankenhäuser dagegen wird Schneider zufolge wahrscheinlich nie abgeschlossen sein. „Was die Investitionen betrifft, bezahlt das Land viel zu wenig“, moniert er. Dadurch müsse der Kreis immer wieder Schulden der Kliniken übernehmen. Die Zentralisierung als Folge des von Berlin geforderten Bettenabbaus hat auch vor den Kreiskliniken nicht haltgemacht. Dabei ist Kirchheim laut Schneider nicht schlecht weggekommen mit Rheumatologie, Schlaganfallstation, Herzkathetermessplatz, dem Zentrum für ambulantes Operieren und der künftigen Psychiatrie.

„In der Ruhe liegt die Kraft.“ Mit diesem treffenden Bild hatte der Landrat Schneider bei dessen Verabschiedung beschrieben. Da der Alt-Schultes bereits mit allen Ehrungen bedacht ist, die der Kreis zu vergeben hat, überreichte Eininger dem Träger des Bundesverdienstkreuzes statt der großen goldenen Medaille des Landkreises als Dank für die langjährige Mitgliedschaft im Kreistag eine Skulptur von Herbert Volz.

Gerhard Schneider wird nun noch ein bisschen mehr Freizeit haben. Sie sinnvoll zu nutzen, wird dem Unruheständler allerdings nicht schwerfallen. Weiterhin ist er Vorsitzender des vor drei Jahren gegründeten Fördervereins Chronik Lenningen. Haus und Garten bringen Arbeit mit sich, sonntags schnürt er mit dem Sohn die Wanderstiefel, und im Sommer zieht er mit seiner Ehefrau täglich im Oberlenninger Freibad seine Bahnen.