Richterin hält Darstellung des Angeklagten nicht für glaubwürdig
Bewährungsstrafe für DRK-Mitglied

Eine Bewährungsstrafe von drei Monaten sprach Richterin Franziska Hermle-Buchele gegen den ehemaligen stellvertretenden Staffelleiter der Rettungshundestaffel des DRK Kirchheim-Nürtingen aus. Außerdem muss er 1 000 Euro an die Organisation „Jugendhilfe im Vollzug“ bezahlen und den Schaden, der der Rettungshundestaffel zugefügt wurde, begleichen.

Kirchheim. Dem Mann wurde vorgeworfen, im Herbst 2011 Spendengelder unterschlagen und zur Vertuschung der Unterschlagung einen Überfall auf sich vorgetäuscht zu haben (wir berichteten).

Der Angeklagte, so dessen Darstellung, sei nach einem spätabendlichen Einkauf in seiner Garage überfallen worden. Ein ihm unbekannter Mann habe zunächst die Herausgabe des Fahrzeugs verlangt. Davon habe der Angeklagte den Mann abhalten können, indem er ihm Geld angeboten habe – auch die sich im Fahrzeug befindlichen Spendengelder. Der Unbekannte habe ihn in den Bauch geschlagen und getreten. Nach einem Tritt gegen den Kopf habe er das Bewusstsein verloren.

Aufgefunden worden war der Angeklagte bei laufendem Motor in seiner verschlossenen Garage. Er sei mit Kabelbindern gefesselt gewesen, um den Kopf sei Klebeband gewickelt gewesen. Schon früh machten die Polizeibeamten Ungereimtheiten in der Darstellung des Tathergangs aus und richteten ihre Ermittlungen gegen den Angeklagten selbst. Zwei Gutachter, die am zweiten Prozesstag aussagten, konnten die Angaben des Angeklagten nicht mit ihren Untersuchungen in Einklang bringen.

Nach der Anhörung von drei weiteren Zeugen und den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger sprach Richterin Hermle-Buchele schließlich ihr Urteil. „Ich habe keine Zweifel mehr daran, dass Ihre Version nicht korrekt ist“, sagte sie, an den Angeklagten gewandt. Nachdem man ihn aufgefunden habe, sei er so bewusstseinsklar gewesen, dass er auf Fragen habe antworten können.

Die Polizei habe ihn zunächst als Geschädigten befragt. Er selbst habe bei der Befragung erstmals verschwundene Spendengelder ins Spiel gebracht. Dies habe das Misstrauen der Beamten geweckt.

Als man den Angeklagten mit dem Verdacht konfrontiert habe, habe dieser heftig reagiert. Ab diesem Zeitpunkt habe er nichts mehr gesagt. „Haben Sie versucht, Ihre Schilderungen glaubhaft zu machen, die Anschuldigungen zu entkräften? Nein. Deckt sich die Schilderung mit der objektiven Beweislage am Tatort? Nein“, sagte Hermle-Buchele.

Für sie stellten sich weitere Fragen: Wie hat der Täter die Garage verlassen, wenn das Garagentor verschlossen war? Wusste er, wie das Schloss, das einen speziellen Schließmechanismus hat, funktioniert? Oder fand die Bedrohung bei geöffnetem Garagentor statt? Hermle-Buchele hält es durchaus für technisch möglich, dass sich der Angeklagte selbst fesselte und sich auch selbst das Klebeband um den Kopf wickelte.

War dieses Klebeband nur zufällig identisch mit dem, das die Rettungshundestaffel verwendete? Identisch mit dem, das man in der Garage fand und auf dem ein Handabdruck des Angeklagten gefunden wurde? Das findet Richterin Hermle-Buchele nicht plausibel.

Sie wunderte sich auch darüber, dass der Angeklagte, dessen Hände vor dem Körper gefesselt waren, nicht versuchte, sich in den sechs Stunden, die er in der Garage lag, vom Bauch auf den Rücken zu drehen, nicht versuchte, sich dann das Klebeband zu entfernen, nicht versuchte, auf sich aufmerksam zu machen. „Es gab keinen unbekannten Dritten. Ich gehe davon aus, dass Sie sich selbst in diese Situation gebracht haben. Und ich gehe davon aus, dass Sie gedacht haben, sie würden eher gefunden“, hielt die Richterin dem Angeklagten vor.

Aber auch dem DRK las Richterin Hermle-Buchele die Leviten. Die bis dahin gültige Praxis, die eingenommenen Spenden nicht unter Zeugen nachzuzählen und das Ergebnis schriftlich festzuhalten, bevor es zur Bank gebracht wurde, hält sie für einen fahrlässigen Umgang mit Spendengeldern.

Die Tat des Angeklagten hält sie für eine Spontan-Tat, ausgelöst durch einen Anruf des damaligen Leiters der Rettungshundestaffel, der angekündigt habe, die Spendengeldsituation überprüfen zu wollen.

Der ehemalige Leiter der Staffel hatte zur damaligen Praxis der Spendengeldeinzahlungen ausgesagt. Die Einnahmen, die bei Vorführungen der Staffel aus mehreren Sammelbüchsen zusammenkamen, seien im Hauptquartier der Staffel auf dem Hohenreisach in Kirchheim in Plastikbeutel umgefüllt worden, wie sie für Geldtransporte üblich seien. Dann seien diese zu den Schalterzeiten des Kreditinstituts eingezahlt worden.

Habe einer der drei Bevollmächtigten keine Zeit gehabt, die Einzahlung schnellstmöglich vorzunehmen, sei das Geld in einem Schrank eingeschlossen worden, dessen Schlüssel nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich gewesen sei. Gezählt worden sei das Geld nicht, erst mit der Quittung des Kreditinstituts habe man einen Überblick über die Höhe der Spendengeldeinnahmen gehabt.

Eine ehemalige Lebensgefährtin war ebenfalls als Zeugin geladen. Über finanzielle Verhältnisse sei nie gesprochen worden. Richterin Hermle-Buchele hielt ihr daraufhin ihre Aussage bei der Polizei vor. Dort hatte sie gesagt, der Angeklagte habe ihr gegenüber erwähnt, er sei unter Druck, weil er die Kredite seiner Eltern zurückbezahlen müsse. Doch die Zeugin konnte sich an Einzelheiten ihrer polizeilichen Vernehmung aus dem Jahr 2011 nicht erinnern.

Staatsanwalt Apostolos Milionis hatte eine Bewährungsstrafe von fünf Monaten gefordert. Verteidiger Dirk Häuser vermisste bis zum Ende des Verfahrens Objektivität und Sorgfalt. So habe man nie Fingerabdrücke am Fahrzeug oder an der Garage genommen, um eine dritte Person in der Garage zu ermitteln. Häuser hat nun eine Woche Zeit, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Tut er das nicht, ist das Urteil rechtskräftig.