Vortrag der Autorin und Lernexpertin Ruth Meinhart über Denktypen und ihre Lernarten
Bewegungskünstler und Wortakrobaten

Das Radio plärrt und das Kind sitzt über den Hausaufgaben? „Da kann ja nichts bei rauskommen“, sagen sich viele Eltern. „Doch“, widerspricht die Lernexpertin Ruth Meinhart. Während die einen Ruhe brauchen, um sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, braucht der andere Bewegung oder Hintergrundgeräusche.

Weilheim. Es war eine gelungene Premiere: Zum ersten Mal bot der Elternbeirat der Weilheimer Limburgschule mit dem Schulsozialverein einen Vortrag für Eltern, Pädagogen und Lehrer – und gleich durften sich Elternbeiratsvorsitzende Daniela Wahl und Schulleiterin Ulrike Haist über ein volles Haus zum Vortrag mit der Autorin und Lernexpertin Ruth Meinhart in der Limburgschule freuen. Rund 90 Mütter – und auch ein paar wenige Väter – waren gekommen, um zu erfahren, welche Tipps die Autorin, Referentin und Lehrerin für einen erfolgreichen Weg durch die Schulzeit hat.

Ruth Meinhart ist ein stark auditiv geprägter Mensch und ständig in Bewegung. In der Schulzeit hat ihr das große Probleme bereitet; denn zum Lernstoff konnte sie sich jahrelang keine Bilder machen. Rechtschreibschwäche und schlechte Noten in Mathe waren die Konsequenz. Erst später hat die Expertin, die heute Fortbildungen für Deutsch- und Mathematiklehrer gibt, ihren eigenen Zugang dazu gefunden. Und es hat sie dazu gebracht, sich mit den unterschiedlichen Lernmustern und -typen der Menschen intensiver zu befassen.

„Wie denken Sie?“, will sie von ihrem Publikum wissen. Merkt man sich beim Eingeben der Geheimzahl das Tippmuster, baut man sich Eselsbrücken, hat man vielleicht zu den Zahlen einen bestimmten Klang im Ohr oder sieht sie als Farben? Schon der erste Blick in die Runde zeigt, dass es ganz viele unterschiedliche Herangehensweisen gibt, um sich beispielsweise eine Telefonnummer oder einen Namen zu merken.

Insgesamt drei Kanäle gibt es, die Informationen aufzunehmen: auditiv, visuell oder kinästhetisch, also über die Bewegung. Auditives speichert man als innere Stimme, Kinästhetisches als Emotion oder Bewegung. Ist der auditive Kanal stark ausgeprägt, wird die gesprochene Information besser verarbeitet als eine, die über Bewegung oder Berührung läuft.

In der Schule haben es Kinder schwer, die auf einem Kanal besonders schwach sind. Das hat Ruth Meinhart am eigenen Leib erfahren. Denn sich Bilder im Kopf machen zu können, ist sowohl für die Rechtschreibung als auch höhere Mathematik von großer Bedeutung. „Schwach visuelle Kinder haben Probleme, sich mit den Sachen auf Papier auseinanderzusetzen“, erklärt die Lernexpertin. Sie haben keine passenden Bilder im Kopf, die sie beispielsweise im Diktat wieder abrufen können, sondern orientieren sich am Klang der Wörter. Dann wird aus dem Fuchs auf dem Papier plötzlich ein Fux oder Vuks.

„Lesen, lesen, lesen“, empfiehlt sie allen Eltern als Mittel. Am besten Texte abwechselnd mit dem Kind lesen, so die Fachfrau, die ihre Erkenntnisse auch schon in zahlreichen Büchern und Publikationen herausgegeben hat. Nur wer viel liest, automatisiert die Worterkennung und hat die richtigen „Vorlagen“ im Kopf. Auch in der Mathematik sind es Bilder, die weiterhelfen können. Für die Arbeit mit Schülern, die mit Zahlen und Formeln Schwierigkeiten haben, hat Ruth Meinhart Rechenstäbchen für ihre Arbeit wiederentdeckt. Mit ihnen lassen sich nicht nur einfache Rechenarten visuell nachvollziehen, sondern auch Formeln wie der Satz des Pythagoras.

Sie rät, die Kinder genau zu beobachten, um die richtigen Hilfen geben zu können. Insgesamt in sechs Denktypen unterteilt sie die Menschen: Vom bewegungssuchenden Wortakrobaten über den Bewegungskünstler mit Durchblick und den wortgewandten Bewegungskünstler reicht die Palette bis zum weitsichtigen Wortakrobaten und den zwei visuellen Gestalter-Typen. In welche Richtung das Kind – oder auch man selbst – geht, lässt sich über einen einfachen Online-Test schnell herausfiltern.

Denn wer seine Defizite kennt, kann reagieren. Kinder mit schwach ausgeprägtem visuellem Kanal können diesen Bereich mit Spielen wie Memory stärken und trainieren. „Klein anfangen“, rät sie den Eltern dabei aber. Denn auch Reizüberflutung kann für Kinder ein Problem sein. Da hilft manchmal ein einfacher Briefumschlag, der den restlichen Text abdeckt. Den Konzentrationsphasen sollten ausreichend lange Tagtraumphasen zum Entspannen gegenüberstehen. Nur so hat das Kind genügend Zeit, das Gelernte auch dauerhaft abzuspeichern.

Egal ob Wortakrobat oder Bewegungskünstler: „Einen falschen Lerntyp gibt es nicht“, betont Ruth Weinhart. „Jeder wird seinen Weg finden und seine Nische.“ Ihr dringender Rat an die Eltern: „Bewahren Sie Ruhe.“ Denn Geduld und Vertrauen sind immer noch die größte Hilfe.