An der Realschule Lenningen spricht die 5 b auch in Geschichte und Erdkunde Englisch
Bilingualer Zug als Markenzeichen

Die Globalisierung fordert die Schulen zu Antworten heraus. Vorreiterin im Schulamtsbezirk Nürtingen ist die Karl-Erhard-Scheufelen Realschule Lenningen. Sie bietet seit dem laufenden Schuljahr einen bilingualen Zug an.

Lenningen. „The capital of Bavaria is Munich.“ Der Satz kommt dem Fünftklässler mit einer kleinen Hilfestellung von Lehrerin Silke Philipp leicht über die Lippen. Alle 16 Bundesländer samt zugehöriger Landeshauptstädte tragen die 24 Schüler zusammen. „Habt ihr schon für die Arbeit am Freitag gelernt?“, zeigt sich die Lehrerin überrascht darüber, was vom Stoff, den die Klasse schon vor den Osterferien durchgenommen hatte, hängengeblieben ist

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Gestern machten sich Vertreter des Regierungspräsisdiums Stuttgart und des Staatlichen Schulamts Nürtingen ein Bild vom bilingualen Unterricht, wie er in der 5

 b an der Karl-Erhard-Scheufelen Realschule in Oberlenningen seit September praktiziert wird. Im Gegensatz zum traditionellen Fremdsprachenunterricht stehe beim bilingualen Lernen nicht die Grammatik im Vordergrund, sondern die Anwendung der jeweiligen Fremdsprache zur Vermittlung von Fachwissen, erläuterte Rektor Klaus Erlenmaier.

Neben dem normalen vierstündigen Englischunterricht „baden“ die Schüler der 5 b anders als die Schüler der beiden Parallelklassen auch im Fächerverbund Erdkunde, Wirtschaftskunde und Gemeinschaftskunde (EWG) sowie in Geschichte in der Fremdsprache. In beiden Fächern, die jeweils zwei Stunden pro Woche unterrichtet werden, geht rund die Hälfte auf Englisch über die Bühne. „Der Stoff muss sorgfältig ausgewählt werden“, sagte Klaus Erlenmaier. Emotionale Bereiche wie das Thema „Familie“ oder die Beschäftigung mit der örtlichen Gemeinde würden beispielsweise herausgelöst und auf Deutsch behandelt. Im Übrigen geht es nicht nur darum, den Kindern einen spezifischen Wortschatz zu vermitteln. Der zweisprachige Unterricht soll auch ihre Kommunikationsfähigkeit in Alltagssituationen fördern. Selbstverständlich steht das Datum auf Englisch an der Tafel und die Kinder werden in der Fremdsprache dazu aufgefordert, ihre Stifte aus dem Mäppchen herauszunehmen. Wo es Verständnisprob­leme geben könnte, streut Silke Philipp beiläufig die deutsche Übersetzung ein.

„Bilinguales Lernen ist handlungsorientiert, analyseorientiert und lebenspraktisch“, so fasste Dr. Günter Klein, Leiter des Staatlichen Schulamts in Nürtingen, die Vorzüge des zweisprachigen Unterrichts zusammen. Die Wirtschaft brauche Menschen, die Fremdsprachen, insbesondere Englisch, beherrschten.Das bestätigte Jörg Bader, Personalbetreuer im kaufmännischen und logistischen Bereich der Papierfabrik Scheufelen. Mit dem Unternehmen führt die Lenninger Realschule eine Bildungspartnerschaft. „Bei Kundenkontakten, im Vertrieb und im Marketing beispielsweise geht es bei uns nicht ohne Englisch“, betonte Bader.

Zweisprachiger Unterricht hat an der Lenninger Karl-Erhard-Scheufe­len Realschule Tradition. „Wir haben bereits Anfang der 90er-Jahre in einzelnen Fächern damit begonnen“, so Klaus Erlenmaier. Bislang gab es in den Klassen sieben bis zehn das Angebot, EWG als zweisprachiges Unterrichtsfach zu wählen. Silke Philipp, Lehrerin mit einer entsprechenden Qualifikation, wurde deshalb an die Schule geholt. Den ersten offiziellen bilingualen Zug vollzubekommen, der von der fünften bis zur zehnten Klasse durchläuft, war für Rektor Klaus Erlenmaier kein Problem. Im Gegenteil. „Wir hatten mehr Anmeldungen als Plätze.“ Auch im September kommen längst nicht alle Interessenten in der neuen 5 b unter. Entscheidend für die Aufnahme seien Englisch- und Deutschnoten, der Durchschnitt im Zeugnis sowie Persönlichkeitsmerkmale wie Durchhaltevermögen, sagte der Schulleiter.

Im bilingualen Zug drückten motivierte Kinder die Schulbank, bestätigte Ingrid Erlenmaier, die die 5 b in Geschichte unterrichtet. Dass es ihnen Spaß macht, ihren Wortschatz zu erweitern, wurde gestern deutlich, als sie sich den geografischen Besonderheiten Baden-Württembergs wie dem „Lake Constance“ und dem „Black Forest“ näherten.