Kirchheim. Wann immer man den Fernseher einschaltet, ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass gerade gekocht oder aber zu einem Promi-Dinner geladen wird, bei dem die Gerichte noch unbekannter sind als die Prominenten. Philipp Weber
ist nicht nur staatsexaminierter und damit ernsthafter Biologe und Chemiker, sondern auch Komiker und küchenorientierter Kabarettist, dem schon häufig – völlig zurecht – bestätigt wurde „Du bist zwar nicht Bocuse, aber Du bist ja witzig, Mann“.
Wer sein Programm „Futter – Streng verdaulich“ in der Naberner Zehntscheuer verpasst hat, sollte heute vielleicht noch schnell nach München fahren, denn da ist der in Nabern überschwänglich gefeierte Experte für Lebensmittelskandale und andere Unappetitlichkeiten heute bei der Lach- und Schießgesellschaft zu Gast.
Sorgen wegen der fragwürdigen Öko-Bilanz eines solch kilometerfressenden Kabarettbesuchs braucht sich niemand zu machen. Schließlich werden Bio-Gurken inzwischen ja schon vom fernen China angekarrt, was Philipp Weber vor allem im Blick auf das Herkunftsland mit größter Skepsis erfüllt. Sein „Vertrauen“ in die geprüfte Qualität chinesischer Bio-Produkte sei geringer als in Sexspielzeug aus dem Vatikan.
Auch der Ökobilanz wegen meldet Philipp Weber berechtigte klimatechnische Bedenken an, denn bis das kerngesunde Produkt hierzulande in den Supermarktregalen landet, habe es oft schon Tausende von Flugkilometern auf dem Buckel. Wer also umweltbewusst mit seinem Hollandrad zum Gemüsekauf strampelt, könne daher ruhig die letzten Meter auch mit dem Hubschrauber zurücklegen, stellt der unterhaltsame Lebensmittelkomiker desillusioniert fest.
Was sich in der Auflistung der Ingredienzien dann anhört wie ein Feldversuch mit chemischen Kampfstoffen, erweist sich als die Rezeptur eines schon fertig angemischten „Ratsherrentopfs“ im Päckchen. Auch die „Flädlessuppe Hausfrauenart“ hat es mit „Monosodiumglutamat, reaktionsaromatisiertem Rindfleisch und explosionsgetrocknetem Sellerie“ durchaus in sich. Dass bei Fertig-Lasagne das aktuell stark in die Kritik geratene Pferdefleisch mit Abstand der beste und gesündeste Inhaltsstoff sei, ist Philipp Weber ebenfalls klar.
Dass „Bio“ so populär ist, dass die Ware inzwischen auch bei Billig-Discountern intensiv nachgefragt wird, sorge tatsächlich für glückliche Hühner. Die lägen zwar tot im Regal, mussten aber nicht als armes Schwein an der Kasse sitzen . . .
In seiner „politischen Magenspiegelung der Gesellschaft“ kommen natürlich auch führende Politiker vor. Angela Merkel kocht Kohl, Seehofer brilliert mit Lammkeule an Zwetschge und entwirft „mit einem Schaf und einer Handvoll Pflaumen“ zugleich ein kulinarisches Spiegelbild der bayerischen Landesregierung.
Von Helmut Kohls Rezepten wird grundsätzlich abgeraten, weil er sich an die verwendete Menge von Eiern angeblich nicht mehr erinnern kann und den Hühnern ohnehin versprochen habe, keine konkreten Zahlen zu nennen. Im Parlamentarier-Kochbuch nicht vertreten ist „der gerade zahnende Philipp Rösler“ und „Dr.“ Annette Schavan, die wegen falscher Firmierung entfernt wurde, während aktuell an der Uni Bielefeld mit wissenschaftlicher Akkuratesse geklärt wird, ob Dr. Oetker eventuell bei Knorr abgeschrieben habe.
Aus welch abenteuerlichen 20 chemischen Bestandteilen sich ein harmloses Brötchen zusammensetzt, listet Philipp Weber ebenfalls gewissenhaft auf, ekelt sich dann aber nur davor, dass neben den vielen gesunden aber unaussprechlichen Chemikalien noch Wasser, Hefe und Mehl dazugehören.
Enttäuscht von den Gefahren des einseitigen „Fast Food“ und verwirrt durch telegen aufgeheizte kulinarische Artistik wie „im Handstand gekochte Erbsen auf schwarzen Tellern“ setzt Hobbykoch Weber lieber auf „Slow Food“ mit langsamen Tieren wie Schildkröte oder auch Schnecke und orientiert sich an der Maxime: der deutsche Mann kocht nicht oft, aber wenn, dann muss es die ganze Familie mitbekommen und die Küche anschließend auch davon Zeugnis ablegen . . .
Seine Kochrunde mit Freunden steht allerdings unter einem schlechten Stern, denn er kocht an gegen überzeugte Vegetarier und Frutarier, Laktose-Intolerante mit Gluten-Unverträglichkeit und Nachtschattengewächs-Allergiker. Das einzige was ihm jetzt noch fehlt ist eine Gurkenpsychose oder ein Therapeut, der den Genuss länglicher Gemüsesorten kategorisch verbietet.
Wie seine Mutter auf so erschwerende Bedingungen reagiert hätte, lässt Philipp Weber das begeisterte Publikum ebenfalls wissen. Sie hätte einfach gebrüllt „Es wird gegessen was auf den Tisch kommt“ und mit einem Schlag auf die Backe und einem Schlag Wirsing in den Teller ihrer „Nahrungsmittelunverträglichkeits-Intoleranz“ freien Lauf gelassen.
Im Blick auf die Sitten und Gebräuche anderer Länder ist Philipp Weber äußerst tolerant und stört sich nicht daran, dass in Mexiko Meerschweinchen gegessen und andernorts der Begriff „Tafelspitz“ eine ganz andere Bedeutung bekommt, wenn man weiß, dass dort auch gerne Hunde verkostet werden. Was ihn stört ist die durch die inflationären Küchenshows so ungemein künstlich aufgeblähte Begrifflichkeit.
Für ihn ist „Steckrüben-Carpaccio“ von Carpaccio so weit entfernt wie Italien von einem ausgeglichenen Haushalt. Er plädiert an dieser Stelle für den deutlich bescheideneren Begriff „Uffschnitt“, weiß aber genau, dass man dafür natürlich keine 29,80 Euro verlangen kann.
Dass heutzutage jeder Koch-Novize so lange Ingwer und Zitronengras in die Suppe schmeißt, bis sie nur noch nach Spüli schmeckt, geht ihm ebenfalls auf den Keks. Er warnt vor Gefahren für untergewichtige Models, die beim Fönen leicht weggeblasen werden können und nur Psychiater und Therapeuten etwas verdienen lassen und weist darauf hin, dass mit Übergewicht Millionengeschäfte gemacht würden.
Klare Gewinner bei Lebensmittelskandalen sind für ihn aber Politiker, die hier endlich Gelegenheit haben, ihre Handlungsfähigkeit überzeugend unter Beweis zu stellen. Bei einer Finanzkrise kann man schließlich nicht einfach mal 10 000 Manager keulen . . .