Kirchheimer Alleenschule feierte 125-jähriges Bestehen – Multikulti-Schule mit Kindern aus zahlreichen Herkunftsländern
„Bis heute am Puls der Zeit“

Fast 10 000 Schüler haben seit 1889 an der Alleenschule die Schulbank gedrückt. Am Samstag feierten aktuelle und ehemalige Schüler, das Kollegium, Eltern, Freunde und Förderer 125 Jahre Schulgeschichte. Rektor Uwe Häfele sprach von einer „multikulturellen, ja internationalen Schule auf deutschem Boden“.

Thilo Adam

Kirchheim. Die 29 unterschiedlichen Nationalflaggen, die am Samstag über dem Schulhof am neuen Bürgerpark wehten, haben nichts mit der Fußball-WM zu tun. Sie stehen für die Herkunftsländer aller derzeitigen Alleenschüler, selbst gebastelt im Rahmen einer Projektwoche. „Wir haben hier Schüler aus allen Kulturkreisen. Das ist in erster Linie Bereicherung und Chance“, betonte Schulleiter Uwe Häfele in seiner Festrede.

Am Klima der Toleranz, des Respekts, des Mit- und Füreinanders, das die Vorsitzende des Fördervereins Ulrike Lüssem in ihrer Grußrede lobte, arbeiten derzeit 46 Lehrkräfte und 36 Mitarbeiter – von Schulsozialarbeitern und Ganztagspädagogen bis hin zu Hausaufgabenhelfern und pädagogischen Assistenten –, genauso wie Kooperationspartner und engagierte Eltern. Mit messbarem Erfolg: Überdurchschnittliche 30 bis 40 Prozent der Werkrealschulabsolventen fänden sofort eine Ausbildungsstelle, ohne von Förder- und Übergangsangeboten Gebrauch machen zu müssen, so Häfele. Das Gros der übrigen wechsele auf weiterführende Schulen.

Drei Wegmarken in der Entwicklung hin zum positiven aktuellen Zwischenstand feiern nun ebenfalls runde Geburtstage. 1994 wurde die Alleenschule erste Ganztagshauptschule im Landkreis, vor zehn Jahren folgte der Ganztagesausbau der Grundschule und bereits vor 35 Jahren zog sie an ihren heutigen Standort. Mit dem damaligen Schulleiter Horst Müller begannen die Reformen, die die individuellen Bedürfnisse der Schüler und ihrer Familien in den Mittelpunkt rückten. Und dank derer Kai Katuric vom Nürtinger Schulamt, die Alleenschule „bis heute am Puls der Zeit“ sieht.

Auch Gemeinderat Andreas Kenner, der stellvertretend für die ehemalige Elternbeiratsvorsitzende der Alleenschule Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker Grüße überbrachte, unterstrich den Eifer, mit dem das Alleenschulumfeld steten Herausforderungen begegnet: „Hier ist der Wandel das Beständige. Deswegen war die Alleenschule schon so oft weiter als andere.“

Dabei war bereits der Beginn ihrer Geschichte von hitzigen Diskussionen begleitet. Dass die Raumnot – an manchen Kirchheimer Schulen saßen im Schnitt über 80 Kinder in einem Klassenzimmer – bekämpft werden müsse, stand im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht infrage. Der Standort für ein neues Schulgebäude war aber jahrelang umstritten. Während der Pfarrer den neuen dreistöckigen Bau am Krautmarkt begrüßte, weil Erziehung und Kirche damit wieder näher zueinander fänden, meldeten Teckboten-Leser Bedenken wegen der Abgase der nahen Seifenfabrik an.

Nach den Kriegs- und Krisenjahrzehnten zu Beginn des 20. Jahrhunderts, stellte der Zustrom südeuropäischer Arbeiter in den 60er und 70er Jahren neue, bis heute prägende Anforderungen an die Alleenschule. Andreas Kenner lobte die „riesige Integrationsleistung“ jener Zeit: „Das gegenseitige Kennen- und Schätzenlernen fand an unseren Hauptschulen statt.“ Nicht zuletzt dank der Alleenschule habe man in Kirchheim, trotz zuwanderungsgeprägter Bevölkerungsstruktur, heute im Großen und Ganzen überall das Gefühl: „Wir sind eine Stadt.“

Nachdem die Alleenschule einst als erster Kirchheimer Lernstandort eine Stelle für Schulsozialarbeit ausgeschrieben hatte und mit der internationalen Vorbereitungs- und Förderklasse gute Erfahrungen sammelt, hätte man zuletzt mit dem Ausbau zur Gemeinschaftsschule gerne erneut einen pädagogischen Akzent gesetzt. Vom optimistischen Pragmatismus, mit dem die Schule in der Stadtmitte, auch nach der Absage durch den Gemeinderat letzten Herbst, weiter versucht, der Erkenntnis „Schule ist mehr als Unterricht“ gerecht zu werden, davon kündete am Samstag auch das Unterhaltungsangebot der Jubiläumsfeier.

Im Schulhaus waren Arbeiten der Projektwoche und aus dem Kunstunterricht ausgestellt. Den ganzen Tag lang konnten sich kleine und große Gäste an Handwerks- und Basteltischen, auf der Spielstraße am Tartanplatz oder bei einer sportlichen „Kellertour“ ausprobieren. Der Förderverein hatte dank des Einsatzes von knapp 200 Eltern ein reichhaltiges, internationales Buffet bereitgestellt und auf der Aulabühne wechselten sich zahlreiche AGs, und Projekte der Kooperationspartner, wie die Liz Mohn-Stiftung, der Fachdienst „Jugend, Bildung, Migration“ oder die Musikschule, mit Beiträgen ab.

Dazu gab’s einen ersten Einblick in das Musical „Lampenfieber“, das Achtklässler der Werkrealschule gemeinsam mit Schulband, Sporttheatergruppe und dem Grundschulchor ein Jahre lang erarbeitet haben und diese Woche in drei bereits restlos ausverkauften Vorstellungen auf die Bühne bringen. Wer am Samstag beim Jubiläumsfest war, würde wohl unterschreiben, was Hauptdarstellerin Laura Ciminelli über ihre Schule sagt: „Bei so viel Freizeitangeboten und unterschiedlichen, netten Menschen ist Schule eigentlich ganz lustig.“