Kirchheim. Der Fall, den die Fünfte Große Strafkammer seit dem gestrigen Montag am Landgericht Stuttgart verhandelt, ist ungewöhnlich. Ungewöhnlich schon deshalb, weil der auf der Anklagebank sitzende 35-jährige gebürtige Iraner nicht nur mit einer angeblichen Bombe gedroht haben soll, sondern weil er auch einen Amoklauf angekündigt hatte. Seit dem Winnender/Wendlinger Amoklauf eines 17-Jährigen mit 16 Toten sind die Behörden hellwach geworden, wenn ein Mensch in Drohungen den Begriff „Amok“ benutzt.
Der 35-Jährige ist mit einer acht Jahre älteren deutschen Frau verheiratet und das Paar hat einen gemeinsamen Sohn. Allerdings soll der Beschuldigte die Frau und das Kind misshandelt haben, weshalb der Soziale Dienst der Stadt Kirchheim ihm ein Annäherungsverbot und vor allem ein Umgangsverbot mit dem Kind auferlegte. Am 10. Oktober letzten Jahres hatte der Soziale Dienst Kirchheim ein Gespräch mit dem 35-Jährigen und der Frau angesetzt, in dessen Verlauf der Mann ausgerastet sein soll.
Unter anderem habe er gegenüber den Gesprächspartnern, darunter auch einer Mitarbeiterin des Kinderschutzbundes, mitgeteilt, dass er Elektroniker ist und in der Lage sei, eine Bombe zu bauen. Er werde, falls er sein Kind nicht zu sehen bekomme, ein Waffe besorgen und die ganze Familie erschießen. Zudem werde er das Kind vergiften. Noch im Dienstzimmer des Sozialen Dienstes habe er plötzlich einen Pflanzenkübel genommen und diesen auf den Kopf seiner Ehefrau geschlagen. Danach, so die Anklage gegen ihn, soll er den Raum verwüstet und erneut mit dem Erschießen aller Anwesenden gedroht haben, ehe ihn die Polizei in Gewahrsam nahm. In der anschließenden polizeilichen Vernehmung habe der Mann seine Drohungen gegenüber den Beamten wiederholt.
Die Behörden, die Kirchheimer Polizei und die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nahmen die Äußerungen des bereits einschlägig vorbestraften Mannes ernst. Der jedoch soll schon seit Jahren an einer Art krankhaftem Wahn leiden und möglicherweise seine Drohungen im Zustand einer Schuldunfähigkeit begangen haben. Die Staatsanwältin selbst schließt eine „paranoide Schizophrenie“ bei dem 35-Jährigen nicht aus und schließt sich damit auch den Feststellungen eines psychiatrischen Gutachters an. Allerdings soll künftig die Allgemeinheit vor ihm geschützt werden, indem man den Mann wegen dessen krankhafter Gefährlichkeit in einer geschlossene Anstalt unterbringt. Das „besondere öffentliche Interesse“ dieser Maßnahme ist in der Anklage deutlich bejaht worden.
Der 35-Jährige selbst leugnet vor der Fünften Stuttgarter Strafkammer die Vorwürfe. Die Worte Amok und Bombe habe er nicht erwähnt und mit Erschießen niemals gedroht. Man müsse ihn falsch verstanden haben, lässt er über seinen Dolmetscher ausrichten. Zudem wisse er genaue Einzelheiten gar nicht mehr. Die Vorsitzende Richterin wies den Mann deutlich darauf hin, dass bei seinem Verhalten ein Wiedersehen mit seinem Kind unmöglich werde.
Die Kammer hat zur Aufklärung der Hintergründe und auch zur Klärung seiner Krankheitsgeschichte mehrere Zeugen geladen und wird am 2. April möglicherweise ein Urteil verkünden.