Dettingen. Von Gioachino Rossini bis Samuel Barber fanden die Besucher der „Klassischen Nacht“ auf dem Rathausplatz in Dettingen den musikalischen Bogen gespannt,
Heinz Böhler
unter dem die Mezzosopranistin Gundula Schneider und Markus Hadulla am Flügel einen lauen Sommerabend zu einem künstlerischen Ereignis geraten ließen. Gewitterwolken hatten sich einen anderen Weg gesucht, hatten nach zwei Jahren witterungsbedingter Klassik-Pause ein Einsehen gehabt, sodass der Dettinger Verein „kultur-ecce“ sein Sommerprogramm der Klassik-Nacht im Freien endlich wieder einmal durchziehen konnte – ein besonders schöner Einstand für die neue Vereinsvorsitzende Angela Eder, die am Freitagabend die Moderation des eineinhalbstündigen Programms übernahm.
„Brahms muss das ungarische Temperament geliebt haben“, versuchte Pianist Markus Hadulla das Ansinnen des 1897 verstorbenen, sonst als eher drögen Gemüts bekannten Hanseaten Johannes Brahms zu erklären, mit seinen „Zigeunerliedern“ die Gefühle eines „braunen Burschen“ einzufangen, der „küsst und herzt sein süßes Täubchen“ – natürlich zum feurigen Csardas in Kecskemet.
Die letzten Sonnenstrahlen beschienen den Dettinger Rathausplatz, als sich mit Manuel de Fallas Zyklus spanischer Volkslieder ein Hauch andalusischen Temperamentes und Weltschmerzes über das schwäbische Hügelland zu senken begann, bevor ein flötender Faun nach der Regie des französischen Impressionisten Claude Debussy ein unschuldiges Mädchen zu verführen begann. Ganz an die Mythen der alten Griechen angelehnt, hatte Debussy noch zwei weitere „Chansons de Bilitis“ seines Freundes Pierre Louys vertont, deren Vortrag am Freitagabend ebenfalls anerkennenden Beifall fand.
Waren die bisherigen „Klassischen Nächte“ in Dettingen doch eher am Mainstream zwischen Mozart und Fledermaus orientiert gewesen, so sah sich in diesem Jahr das etwa 250 Besucher umfassende Publikum mit eher modernerer Vokalliteratur konfrontiert. Dass dies wohl nicht jedermanns Geschmack getroffen hatte, wurde am zum Schluss recht karg artikulierten Wunsch nach einer Zugabe deutlich.
Dabei hatte das Duo auf der Dettinger Bühne zuletzt Gioachino Rossini gehuldigt und dessen Liedzyklus „la regata veneziana“ auf treffliche Weise zu Gehör gebracht, nachdem Gundula Schneider und Markus Hadulla zuvor mit Sam Barber einen amerikanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts ins gemeinsame Spiel gebracht hatten. Dessen Lied-Trilogie „Three Songs“ gehörte zum Schönsten, was an diesem Abend in Dettingen zu hören war.
„Now have I fed and eaten up the roses“, hatte James Joyce einst über einen lebendig Begrabenen gesungen, der in seiner Not die Blumen aß, die man ihm in den Sarg gelegt hatte. Herrlich auch das Bild der auf der Wiese weidenden Konzertflügel, bevor sie von den Pianisten gemolken werden.
„Oh Boundless, Boundless Evening“ ist die Barber‘sche Vertonung eines Gedichts des fast völlig in Vergessenheit geratenen deutschen Expressionisten Georg Heym. Dankenswerterweise nahmen sich Gundula Schneider und Markus Hadulla für die, wie gesagt nicht eben euphorisch geforderte Zugabe, ein weiteres Kleinod aus dem Oeuvre des 1981 verstorbenen Barber vor – eines Tonsetzers, mit dem man sich näher zu beschäftigen vornimmt.