Gesundheitsamt moniert Impfmüdigkeit bei Jugendlichen – Kampagne an beruflichen Schulen
„Brutpflegetrieb lässt nach“

Meist genügt ein kleiner Piks, um gegen Krankheiten wie Tetanus, Diphterie oder Masern geschützt zu sein. Doch die Auffrischimpfungen werden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht selten versäumt. Das hat eine Impfaufklärungskampagne an den beruflichen Schulen des Landkreises Esslingen gezeigt.

Kreis Esslingen. Je älter Kinder werden, desto weniger häufig sind sie durch Impfungen vor gefährlichen Krankheiten gewappnet. Der Chef des Esslinger Gesundheitsamts, Dr. Walter Kontner, zieht Parallelen zur Wahrnehmung von Reihenuntersuchungen. Im Säuglingsalter nähmen daran noch 90 Prozent der Kinder teil, bei den 13- bis 15-Jährigen seien es nur noch 30 Prozent. „Mit der Zeit lässt der Brutpflegetrieb der Eltern nach“, so erklärte der Amtsarzt das Phänomen im Kultur- und Schulausschuss des Esslinger Kreistags salopp.

Hat das Gesundheitsamt bei Kindern im Alter von ungefähr fünf Jahren bei den vorgezogenen Einschulungsuntersuchungen noch einen ganz guten Überblick über die Impfquote, so fehlt das Korrektiv bei den jungen Erwachsenen seit dem Wegfall der Wehrpflicht. 2011 startete das Esslinger Gesundheitsamt deshalb eine Impfkampagne an den Berufsschulen. „Wir haben die Schüler über Merkblätter informiert und sie darum gebeten, ihre Impfpässe mitzubringen“, so Kontner. Wer sich an der Aktion beteiligte, bekam ein Schreiben mit einer individuellen Impfempfehlung.

In den Bericht des Gesundheitsamtes flossen nun die Daten bis 2013 ein. Während 2011 noch alle neun beruflichen Schulen im Landkreis an der Aktion teilnahmen, waren es zwei Jahre später nur noch vier. Begründet wurde dies von den Schulen mit dem hohen Aufwand und sonstigen Pflichten. Entsprechend sank die Zahl der erreichten Schüler von 3 800 auf 1 380. Der Anteil der vorgelegten Impfbücher schwankte zwischen 21 und 28 Prozent. Das Durchschnittsalter der Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen lag bei 17,6 Jahren.

Wie Kontner erklärte, krankt es insbesondere an Auffrischimpfungen. „Bei Tetanus, Diphterie und Keuchhusten lässt es nach“, so der Amtsarzt. Eine vollständige Impfung gegen Tetanus und Diphterie hatten zwischen 84,6 und 89,8 Prozent der Jugendlichen. Bei den Fünfjährigen lag die Quote im Schnitt bei 95 Prozent.

Ein besonderes Augenmerk legt das Gesundheitsamt auf die Masernimpfung. Ziel des Regionalkomitees der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa ist, die Krankheit ebenso wie Röteln in den 53 europäischen Mitgliedsstaaten zu eliminieren. Dazu wird angestrebt, die Zahl der Neuerkrankungen von Masern auf einen Fall pro 1 000 000 Einwohner im Jahr zu senken sowie eine Quote von mindestens 95 Prozent mit zwei Masernimpfungen zu erreichen. Das schafft der Kreis Esslingen allerdings weder bei den Kindergartenkindern noch bei den Berufsschülern. Bei den Fünfjährigen waren 2011 nur 91 Prozent ausreichend gegen Masern geschützt, 2012 waren es 92,4. Die älteren Schüler kamen auf eine Impfquote zwischen 89 und 92 Prozent. Fünf Prozent haben nie eine Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln erhalten.

„Wir hatten immer wieder Masernausbrüche in Schulen“, gab Kontner zu bedenken. Im Jahr 2006 wurden im Landkreis 47 Fälle gemeldet, in der Region einschließlich Stuttgart und Tübingen erkrankten insgesamt 71 Menschen. Betroffen waren damals in erster Linie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ohne beziehungsweise ohne zweite Masernimpfung. „Wenn es wieder einen Ausbruch gibt, haben wir ein Problem“, betonte der Leiter des Esslinger Gesundheitsamts. „Hier kann man etwas bewirken, wenn man die jungen Leute informiert.“

Im April wurde bei der Präsentation der Ergebnisse in der Schulleiterkonferenz der beruflichen Schulen um Unterstützung für die Impfkampagne gebeten. „Wir werben dafür, dass es ein bisschen mehr Akzeptanz gibt“, sagte Kontner. Für Herbst ist eine neue Runde geplant. Die Altersgruppe sei richtig gewählt. In der Phase der Selbstorientierung und Loslösung vom Elternhaus sollten die Schüler lernen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.