Wie war das noch in den 70er- und 80er-Jahren beim Besuch fremder Städte in dieser Republik? Wer – vielleicht im Schlepptau bildungshungriger Eltern – nach Köln, München oder Hamburg kam, dem war eines gewiss: eine Stadtführung als Pflichtprogramm. Die stand nämlich ganz gewiss auf der Tagesordnung. Das Problem: Stadtführungen gab‘s damals so gut wie nur in großen Städten beziehungsweise bei bedeutsamen Sehenswürdigkeiten, und sie liefen fast alle gleich ab. Egal ob am Jungfernstieg oder auf dem Marienplatz: Daten, Fakten, Hintergründe. Oft heruntergeleiert von einer akademisch gebildeten Pensionärin mit Dutt, kenntnisreich, aber einfach nicht wirklich mitreißend – eben eine Stunde Pflichtprogramm.
Heute haben Stadtführungen ein neues Image. Aus grau ist bunt geworden, aus Pflicht Event. Man mag vielleicht bedauern, dass in der erlebnisgierigen Gesellschaft so manches Wissenswerte auf der Strecke bleibt. Doch nur wenn Historie ansprechend verpackt wird, bleibt etwas davon hängen, wird Geschichte zum Thema am Stammtisch und beim Kaffeeklatsch. Und nur wer Spaß bietet, ist auch „in“.
Kirchheim mischt in Sachen Stadtführungen in der Riege von Städten vergleichbarer Größe ganz vorne mit. Als Kostümführungen noch längst nicht gang und gäbe waren, gewährte hier schon „Herzogin Henriette“ Einblicke in ihr Leben. Heute kann man sich dem Braugenuss hingeben, dem Nachtwächter folgen, Henriettes Lieblingstorte schlemmen, Täleswein verkosten, Revolutionären nacheifern und vieles mehr. Das macht Spaß, da will man dabei sein. Solch ein Konzept verspricht Erfolg, garantiert Anmeldungen und bringt somit Gewinn für ganz Kirchheim.
Nicht umsonst steht auch der Tag des offenen Denkmals am 14. September unter dem Motto „Farbe“: Kirchheim ist bunt, und auch die Stadtführungen sind alles andere als grau und langweilig.IRENE STRIFLER