Weinbergbegehung: Winzer haben mit dem Wetter und mit der Kirschessigfliege zu kämpfen
Camouflage gegen die Eindringlinge

Der Rundgang durch die Weinberge, zu dem Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle für Montagabend eingeladen hatte, ist traditionell eine fröhliche Angelegenheit. Feuchtigkeit in Form eines guten Tropfens gehört selbstverständlich dazu. Dieses Mal aber kam die Feuchtigkeit hauptsächlich in Form eines heftigen Gewitterregens. Und von Fröhlichkeit sind die wettergeplagten Hobby-Wengerter derzeit weit entfernt.

Andreas Volz

Weilheim. Auf das Wetter des Jahres 2014 sind die Weilheimer Winzer nicht gut zu sprechen: Erst war es zu trocken – was man sich gar nicht mehr richtig vorstellen kann – und dann bei weitem zu nass. Hinzu kam ein zerstörerischer Hagelschauer am 2. August. Der Hagel blieb örtlich zwar sehr beschränkt. Aber den Weilheimer Verein der Weinbergbesitzer hat er dennoch heftig getroffen: Rund zwei Hektar Weinberge gibt es in Weilheim an der Limburg und einen weiteren Hektar am Egelsberg. Der Egelsberg, und damit ein Drittel der Weilheimer Weinanbaufläche, lag voll im Hagelgebiet.

Werner Kauderer, Vorsitzender des Weinbergbesitzer-Vereins, ist ein genauer Klimabeobachter. Den Gästen des Weinbergrundgangs schilderte er deshalb in kurzen Zügen die Niederschlagsverteilung des gesamten Jahres: „Bis Juni war alles zu trocken.“ Von Januar bis März habe es so gut wie überhaupt keinen Niederschlag gegeben. Und auch das Ende des ersten Halbjahrs brachte keine Veränderung: „Mit 26 Litern pro Quadratmeter war auch der Juni viel zu trocken. Da haben noch alle gesagt: ,Wenn‘s nur mal richtig regnen würde‘.“ Als es dann im Juli „endlich“ Regen gab, wurde es den Winzern schnell zu viel. „Am Ende waren es allein im Juli 232 Liter“, sagt Werner Kauderer. „Das gab‘s in den letzten 15 Jahren nicht.“

Insgesamt seien von Juli bis September 2014 bereits 500 Liter pro Quadratmeter zu verzeichnen. Werner Kauderer zufolge ist das die normale Durchschnittsmenge für ein halbes Jahr – von Anfang Mai bis Ende Oktober. Was 500 Liter Niederschlagswasser pro Quadratmeter bedeuten, verdeutlicht er anhand einer Umrechnung: Pro Ar seien das in weniger als drei Monaten 50 000 Liter Wasser gewesen. Pro Hektar ergebe das fünf Millionen Liter Wasser.

Zum Glück hat vor einigen Jahren ein Umdenken in der Weinbergbewirtschaftung stattgefunden. Rainer Bauer, Weilheimer Stadtrat und gleichfalls Hobby-Winzer, erzählt: „Früher hat man die Weinberge grasfrei gehalten. Wo Gras gewachsen ist, hieß es, da sei ein fauler Wengerter.“ Inzwischen habe sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass Gras gegen die Erosion im Weinberg helfen kann. 2014 hat sich das in Weilheim als Glücksfall erwiesen. Ohne Gras hätte der regenreiche Sommer wohl den Boden des halben Weinbergs nach unten geschwemmt.

Der viele Regen wirkt sich in mehrfacher Hinsicht schlecht auf die Traubenernte aus. Zum einen fehlen mit dem Sonnenschein auch die ganz hohen Öchslegrade. Zum anderen aber setzt das Wasser – was eigentlich erfreulich wäre – ein enormes Wachstum in Gang. Dadurch wiederum hängen die einzelnen Beeren in der Traube viel zu nah beieinander. Es fehlt am luftigen Zwischenraum, und alles beginnt in der Nässe zu faulen.

Das Wetter und das Wasser sind aber nicht das einzige Problem, mit dem die Wengerter zu kämpfen haben. Ein weiteres Problem heißt „Drosophila suzukii“. Die Kirsch­essigfliege scheint inzwischen ihre eigene Globalisierung erfolgreich abgeschlossen zu haben: Zumindest die nördliche Hemisphäre hat sie von ihrer südostasiatischen Heimat aus mittlerweile komplett erobert.

Angekommen ist sie damit eben auch in Weilheim. Während einheimische Fruchtfliegen ihre Eier nur in überreifen Früchten ablegen, nutze die Kirschessigfliege ihren „Sägestachel“, um auch die härtere Haut von gesunden Früchten zu durchstoßen, wusste Werner Kauderer bei der Weinbergbegehung zu berichten. Ein Weibchen lege bis zu 400 Eier. Innerhalb von 14 Tagen sei eine neue Generation herangereift, die dann ihrerseits mit der Eiablage beginnt.

Zwei Spritzmittel gegen den Eindringling seien auch beim biologischen Anbau zugelassen. Allerdings wirken sie nicht lange: das eine bis zu fünf Tage, das andere nur einen Tag. Rainer Bauers Nachbar setzt deshalb auf Camouflage, also auf das Prinzip „Tarnen und Täuschen“. Weil die Kirschessigfliege nur dunkle Früchte angreift, hat er seine dunklen Trauben mit einem eigens zu diesem Zweck entwickelten Kalk überzogen – in der Hoffnung, die Fliege lässt die weiß erscheinenden Beeren unbeachtet. Rainer Bauer sagt dazu: „Wir haben den direkten Vergleich. Meine Spätburgunder sind nicht gekalkt. Jetzt sind wir gespannt, wer am Ende mehr Arbeit oder mehr Ertrag hat.“

Wie lautet nun das Fazit der Wengerter, die während des Gewitters am Montagabend ihre Gäste zur Weinprobe in eine ihrer Hütten bitten mussten? Sie hoffen auf geeigneteres Wetter im kommenden Jahr, und dazu würde auch einmal ein richtig kalter Winter gehören. Ansonsten erinnern sie sich an bessere Jahre, mit besseren Ernten und höheren Öchslegraden. 2014 seien bei den meisten Sorten 70 bis 75 Öchsle zu erwarten – so die Trauben von der Fäulnis verschont bleiben. Zehn Jahre lang habe es im Durchschnitt 80 Öchsle gegeben, schwärmt Werner Kauderer von besseren Zeiten. So hilft der Wein früherer Jahrgänge den Winzern über die aktuellen Sorgen hinweg.