Kabarettreife Stadtführung mit Andreas Kenner durch Kirchheims Altstadtgassen
„Däääfala“, Wein und weiße Kerzen

Kirchheim. Am Eingang des Kirchheimer Weindorfs steht Andreas „Anne“ Kenner, umringt von über 70 Frauen und Männern. Sie alle erwarten eine Stadtführung durch die Straßen und Gassen der Teckstadt. Doch was der Stadtrat an diesem späten Nachmittag präsentiert, ist anders – anders als dröge Führungen mit aneinandergereihten historischen Fakten und monotonen Erzählungen.

Andreas Kenner ist Altenpfleger von Beruf. Aber eigentlich ist er doch vielmehr Kabarettist, Schauspieler, Künstler. Er ist ein Genie im Geschichtenerzählen, im Gestikulieren, im Ohne-Punkt-und-Komma-Reden und im Menschen-zum-Lachen-Bringen.

So geschehen auch an diesem Dienstag, an dem „Anne“ Kenner zu seiner kostenlosen Stadtführung im Rahmen des Weindorfs einlädt. Sie beginnt an den Toren des gemütlichen Dorfes und endet unter den Lauben – beim einen oder anderen Viertele versteht sich.

Doch zuvor gibt es bei dem Streifzug durch die Altstadtgassen einiges zu erfahren. Ein Raunen geht dabei immer wieder durch die Reihen der Teilnehmer: „Der ist ja Wahnsinn“ oder „Einfach gnadenlos“, ist zu hören. Und oft wird herzhaft gelacht und geschmunzelt über die Anekdoten, die der „Kirchheim-Kenner“ mit vollem Körpereinsatz zu erzählen weiß.

Da ist zum Beispiel der Kirchheimer Wein, den die Menschen im Mittelalter tranken wie Wasser, sagt der Stadtführer. „Die Leute waren damals nicht so verwöhnt“, fügt er hinzu und verrät: „Der Kirchheimer Wein soll mäßig gewesen sein.“ Da ist aber auch das Symbol für das frühere Kirchheimer Stadttor in der Nähe vom „Weissen Ochsen“, das einer Bushaltestelle ziemlich ähnlich sieht. „Ich habe da schon Leute sitzen sehen, die auf den Bus gewartet haben“, sagt Andreas Kenner grinsend.

Überhaupt gibt es immer wieder kleine Seitenhiebe auf die Stadt und so manche Mandatsträger, die Andreas Kenner wohldosiert, aber mit Schmackes in seine Erzählungen einbindet. Neben den „schönsten Rollläden von ganz Baden-Württemberg“ am Rathausanbau haben es dem SPD-Stadtrat dabei vor allem die fehlenden Info-Tafeln – von Kenner liebevoll als „Däääfala“ bezeichnet – über berühmte Persönlichkeiten angetan, die bereits in der Teckstadt weilten oder dort geboren wurden. Ob Hermann Hesse, der Prinz von Wales – Albert Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha – oder auch Anwalt und RAF-Sympathisant Klaus Croissant: Über sie alle sei nichts in der Teckstadt zu finden. Hemingway allerdings sei schlauer gewesen, fügt Kenner knitz hinzu. Der Schriftsteller war zwar nie in der Teckstadt, „aber heute ist sogar eine Bar nach ihm benannt“. Kirchheim jedenfalls „braucht koine Däääfala“, winkt Kenner ab. „Denn ‘s kommat ja eh scho gnuag Leit.“

Ein weiteres Kuriosum sind für Kenner die Ruhebänke bei der Stadtbücherei. Hermann Hesse habe wundervolle Zeilen über die herrliche Kastanienblüte am Alleenring verfasst. Doch setzt man sich auf die Bänke, blicke man keineswegs auf die hübschen „weißen Kerzen“, sondern vielmehr auf die Häuserwände von Stadtbücherei und Co. „Es haben mich schon Leute gefragt, ob sich die Bänke automatisch drehen“, verrät Kenner – und hat die Lacher auf seiner Seite.

Doch freilich geht es zwischendurch auch mal ernst zu. Der Stadtführer berichtet von vielen historischen Fakten, Daten und Zahlen, erzählt vom großen Stadtbrand anno 1690, von den Fachwerkhäusern, den Herzögen von Teck und Württemberg und, und, und. Er geht auf herausragende Gebäude wie Schloss, Rathaus, Martinskirche, Kornhaus und viele mehr ein und stattet mit den Teilnehmern auch der Bastion einen Besuch ab. Am Ende hält Kenner noch ein Plädoyer für die schöne Teckstadt: „Kirchheim ist eine steuerschwache Stadt“, sagt er. „Jeder Euro, den Sie hier lassen, ist ein guter Euro.“ Denn so könne Kirchheim das alte Hallenbad abreißen, um ein neues zu bauen, und auch ein Erlebniszentrum auf dem Ficker-Areal einrichten. Von einem Einkauf in den Nachbarstädten wie Nürtingen jedenfalls sei dringend abzusehen.

Info und Bildergalerie:

Eine weitere kostenlose Stadtführung mit Andreas Kenner findet am Dienstag, 14. August, statt. Die Teilnehmer treffen sich um 16.30 Uhr am Eingang des Weindorfs. Zahlreiche Schnappschüsse von der Stadtführung und vom Weindorf, eingefangen von den Fotografen Deniz Calagan und Kurt Nuber, entdeckt man in einer Bildergalerie auf www.teckbote.de im Internet.