Kirchheim. Auch nach den Kriegswirren blieb die Walze im Großraum Kirchheim und kam am 1. Januar 1949 in den Besitz der Straßenbaufirma Hermann Kübel. Im Jahr 1950, so die Überlieferung, kam sie nach Bitz im Landkreis Balingen.
An einem Freitagabend nach Feierabend wurde der Walzenzug samt Wohnwagen, Wasserwagen und Aufreißer zusammengestellt, und auf eigener Achse ging es im Schritttempo Richtung Bitz, wo der Walzenzug nach rund 80 Kilometern Fahrstrecke an einem Sonntagmorgen bei aufgehender Sonne eintraf. Dort war ein sechs Wochen dauernder Auftrag im Straßenbau zu erledigen.
Im Jahr 1952 erhielt der Dampfkessel eine Runderneuerung durch die Maschinenfabrik Heilbronn, wobei die verbrauchte stählerne Feuerbuchse entfernt und eine Konstruktion aus geschweißten Kupferplatten samt neuen Rauchrohren eingebaut wurde. Die Dampfwalze war der ganze Stolz der Firma Kübel. Bis 1961 war sie in Betrieb und wurde 1963 stillgelegt. Die Zeit des Wirtschaftswunders überstand sie unbeschadet und entging dem Schneidbrenner und somit der Verschrottung. Auf dem Werksgelände der Firma Kübel, im sogenannten Dreieck an der Schlierbacher Straße, blieb sie vorerst stehen. Jedoch war ein gewisser Zerfall nicht aufzuhalten.
Um 1972 kam sie in den Besitz der Stadt Kirchheim und sollte zuerst auf einem Kinderspielplatz aufgestellt werden. Aus Sicherheitsgründen wurde aber davon abgesehen, und so gelangte sie als technisches Denkmal auf den städtischen Bauhof, wo sie bis 1987 ein ruhiges Dasein fristete. Der damals amtierende Sachverständige für Dampfkesselanlagen, Rupert Neukirch vom TÜV Südwest, entdeckte den Schatz und trug mit persönlichem Engagement dazu bei, die Dampfwalze zu neuem Leben zu erwecken: Er veranlasste den Abbau von verbrauchten und verschlissenen Teilen. Ein Artikel im Teckboten rief nun auch noch einen ehemaligen Maschinisten der Walze aus Schlierbach auf den Plan, der jede Schraube auswendig kannte. Es handelte sich um Kurt Attinger. Dank seinem Einsatz und dem Engagement von Richard Planitz vom Verein für historische Dampftechnik konnte die Dampfwalze innerhalb von vier Monaten zu neuem Leben erweckt werden.
Im Juli 1987 war es dann so weit, dass der mit neuen Rauchrohren versehene Kessel zuerst einer Wasserdruckprobe unterzogen werden konnte, und unter der strengen Aufsicht des Ingenieurs wurde der Kessel angeheizt, abgenommen und neu zugelassen.
Der erste Auftrag ließ nicht lange auf sich warten: Zum 50-jährigen Jubiläum der Autobahnmeisterei Kirchheim wurde die Walze eingeladen und kam auf eigener Achse in den Betriebshof dieser seit 1937 bestehenden Einrichtung. Parallel dazu fand auf der Hahnweide das internationale Oldtimer-Flugzeugtreffen statt. So konnte man eine am Himmel kreisende Ju 52 beobachten und auf festem Boden die soeben restaurierte Dampfwalze.
Seither ist die Dampfwalze in ganz Baden-Württemberg herumgekommen und konnte dabei unzähligen Menschen Freude bereiten. Selbst im Fernsehen war sie immer wieder zu sehen, und ihre wohlklingende Dampfpfeife lässt bis heute viele Oldtimerfreunde aufhorchen. Ganz besondere Aufmerksamkeit erhielt ihr Auftritt zum 150-jährigen Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Kirchheim im Jahr 1999, wo sie zum Festumzug eingeladen wurde und diesen samt einem angehängten Bauwagen bereicherte. Dies war ein Triumphzug der Sonderklasse. Tosender Applaus war der Lohn.
Weiter ging es ins oberschwäbische Kreisfreilichtmuseum Kürnbach, wo alljährlich Mitte Juni ein Dampfmaschinentreffen stattfindet, zu dem sämtliche betriebsfähige Lokomobilen und selbstfahrende Dampfmaschinen aus dem süddeutschen Raum zusammenkommen und einem hochinteressierten, internationalen Publikum präsentiert werden. Doch damit vorerst nicht genug: Auch in den Sinsheimer Messehallen wurde die Walze ausgestellt und unter Dampf gesetzt. Nicht zuletzt sei erwähnt, dass sie seit 1987 sämtliche Kirchheimer Stadtfeste bereichert und somit zu einer nicht mehr wegzudenkenden Institution geworden ist. Selbst nach Notzingen-Wellingen kam sie auf eigener Achse zum dortigen Festzug des Musikvereins. Aber auch im Kreis Göppingen, und zwar bei den Schwungradfreunden Bad Boll, war sie schon mehrmals zu bewundern, und bei den Eisenbahnfreunden Zollernalb in Rottweil erfreute sie auch schon zum zweiten Mal viele Besucher.
Mit ihrer gut erhaltenen Substanz wird die Dampfstraßenwalze auch die kommenden 25 Jahre überstehen und somit noch vielen Menschen Freude bereiten können. Unterschlupf gefunden hat das Ungetüm in einem Schuppen im städtischen Bauhof. Liebevoll betreut wird es von den Mitgliedern des Vereins für historische Dampftechnik.rp