Dettingen. Sie trugen Mützen mit der Aufschrift „Streuselkuchen-Klub“ und wanderten immer sonntags von Kirchheim über die Hahnweide nach Dettingen. Zum Kaffeetrinken und Streuselkuchenessen kehrte die Gruppe in den Gasthof Adler ein, den der Vater der heute 97 Jahre alten Maria Döbler aus Dettingen ab 1914 führte.
Maria Döbler kann sich noch genau an diese Zeit erinnern. Auch mit Rudi Dölfel, dem Vorsitzenden des Vereins „Forum Altern“, unterhielt sie sich über die Geschichten von damals. „Ich fahre die Senioren aus Dettingen zum Beispiel oft zum Arzt, und im Auto oder während der Wartezeit reden wir über früher“, erzählt der Dettinger. „Und da kam mir die Idee, ein Buch über die Dettinger Gasthausgeschichte herauszubringen.“
Für sein Vorhaben erhielt Rudi Dölfel Unterstützung von Karl Oesterle – einem Dettinger Bürger „mit profunden Ortskenntnissen“, betont Rudi Dölfel. „Ohne seine Hilfe und ohne die vielen Zeitzeugen, die Gemeindeverwaltung und die evangelische Kirchengemeinde wäre das Buch nicht zustande gekommen.“
Vorgestellt wurde das reichhaltig bebilderte Buch, das bei der GO Druck Media GmbH in Kirchheim gedruckt wurde und das zahlreiche Anekdoten über die Dettinger Gasthausgeschichte von anno dazumal bis heute enthält, am Dienstagabend im Dettinger Rathaus. „Das Buch hat die Qualität, ein Band unserer Ortschronik zu sein“, unterstrich Bürgermeister Rainer Haußmann. „Es ist besonders wichtig, die Erinnerungen der Zeitzeugen aufzuschreiben, zu sichern und zu bewahren. Sonst gehen sie verloren.“
So finden sich in dem Büchlein Informationen über die „Nussbaumschenke“, den „Bierkeller“, die „Alte Molke“, das „Siedlerstüble“ und viele weitere Gaststätten sowie über ihre Betreiber und die Gasthausbesucher. Sogar ein ehemaliger Dettinger aus der Provence – Eberhard Haug – stellte Bilder zur Verfügung und berichtete von der Zeit, als sein Vater in den 30er-Jahren Gastwirt der „Bahnhof-Restauration“ war. Außerdem entdeckt der Leser in dem liebevoll gestalteten Buch Details wie ein Rezept für Leberknödel mit Sauerkraut und Kartoffelbrei. Oder aber er stößt auf eine Einladung des „Löwen“ vom 14. Oktober 1977 für die Jubiläumstage zum 175-jährigen Bestehen, an denen man sich Schlachtplatte mit einem Glas Bier für fünf Deutsche Mark schmecken lassen konnte.
Aus den Erzählungen geht aber auch hervor, dass so mancher „Schultheiß“ früher im Nebenerwerb als Gastwirt tätig war. „Heute ist man halt Verwaltungswirt“, sagte Bürgermeister Haußmann schmunzelnd. Das Freizeitverhalten der Menschen habe sich im Lauf der Jahre enorm gewandelt. Zu früheren Zeiten habe sich das soziale Miteinander am Stammtisch abgespielt. „Fernsehen und Computer lagen in weiter Ferne“, fügte Rudi Dölfel hinzu.
Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts gab es in Dettingen 17 Gasthäuser, ab 1932 existierten davon noch zwölf. Heute bereichern sieben Wirtschaften und vier Vereinsheime das Leben in der Gemeinde.
Rudi Dölfel und Karl Oesterle mussten bei ihren Recherchen feststellen, dass zahlreiche Fotos und Aufzeichnungen durch den verheerenden Bombenangriff am 20. April 1945 zerstört wurden. „Es ist vieles verloren gegangen“, bedauert Rudi Dölfel. Der Vereinsvorsitzende verspricht dennoch: „Wenn Sie das Buch gelesen haben, werden Sie mit anderen Augen durch Dettingen gehen. Das Erzählte und Erlebte unserer älteren Mitbürger gehört zur Erinnerungspflege in einer Zeit, in der sich so vieles schnell verflüchtigt.“