Kirchheim. Es war im Jahr 1989, als in Kirchheim die Stunde der Stadtführungen schlug: Auf Initiative von Helmut Billig wurden unter der Ägide des damaligen Verkehrsvereins „Persönlichkeiten“ gesucht, die anderen die Schönheiten der Stadt vermitteln konnten. Eine Handvoll Leute meldeten sich prompt.
Von diesem ersten Team sind 25 Jahre später noch zwei Persönlichkeiten in Amt und Würden: Ruth Mößner, vielen besser bekannt als Herzogin Henriette, und Bernd Budde. „Sie sind ein Teil des Gesichts der Stadt geworden“, bescheinigte ihnen Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker, als sie das engagierte Stadtführer-Duo für seine langjährige Arbeit ehrte. Spannend, inhaltsreich und mit großem Wissen präsentieren die beiden ihre Ortskenntnisse und vertreten die Stadt auch Jahr für Jahr bei der großen Tourismusmesse CMT in Stuttgart.
Auswendig gelerntes Wissen herunterzuleiern war noch nie Sache der beiden Kirchheim-Kenner, die mittlerweile Teil eines Teams sind, das auf gut 20 Köpfe angewachsen ist. „Wichtig ist nicht unbedingt, was man erzählt, sondern wie man es erzählt“, betont Budde, dass die Menschen natürlich Wissen vermittelt bekommen möchten. Dies aber stets in unterhaltsamer Form, gerne auch mit Anlass zum Lachen: „Man muss die Leute packen!“ bringt es der gebürtige Ostfriese auf den Punkt, der 1981 von Langeoog den Weg nach Kirchheim fand. Ruth Mößner wiederum lebt seit 1960 hier. Sie kam der Liebe wegen und stammt ursprünglich aus dem schlesischen Breslau. „Das ist längst meine Stadt“, bekennt sie sich voll Überzeugung zu der Fachwerkstadt am Fuße der Teck.
Heike Büttner, die die Kirchheim-Info und damit die Stadtführer-Crew unter ihren Fittichen hat, kann stolz sein auf ihr Team: „Unsere Stadtführer haben die Schulnote 1,3“, berichtet sie von der Auswertung der Feedback-Bögen, die Besucher stets erhalten.
„Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, auch für Städte mit einer Größenordnung wie Kirchheim“, ergänzt Angelika Matt-Heidecker. Auch Investitionen in die Sanierung alter Bausubstanz erhalten unter diesem Blickwinkel neue Bedeutung. Die Stadtchefin verweist auf eine Untersuchung, wonach jeder Tagestourist bei seinem Besuch durchschnittlich über 30 Euro liegen lässt. „Alle Gäste sind begeistert von unserer Fachwerkkulisse“, berichtet Ruth Mößner. Und wer noch ein wenig Zeit hat, bis die S-Bahn wieder fährt, der geht gern nach dem Kulturprogramm lecker essen und schön einkaufen.
50 Prozent der rund 400 Stadtführungen, die die Kirchheim Info im Jahr anbietet, entfallen laut Heike Büttner auf den klassischen historischen Stadtrundgang. Der Rest verteilt sich auf einen bunten Strauß an Führungen mit Spezialthemen und Eventcharakter. Ein Rundgang mit dem Nachtwächter ist ebenso dabei wie der Einblick in die Revolutionsjahre 1848/49 unter dem Titel „Wutbürger: Aufruhr in Kirchheim“. Literarische Stadtspaziergänge mit Weinprobe gibt es im Angebot, aber auch „Fachwerkkunst und Braugenuss“ und vieles mehr. „Das Angebot entwickelt sich mehr und mehr in Richtung Unterhaltung weiter“, beschreibt Heike Büttner den Trend in Sachen Stadtführungen.
Mößner und Budde ist das nicht neu. „Man muss auf dem Laufenden bleiben“, meint Bernd Budde, der über aktuelle Arbeitslosenzahlen genauso fachsimpeln kann wie über die Ursachen für den großen Stadtbrand von 1690. Auch für die Kirchheim-Kenner selbst bringt das ständig wachsende Fachwissen persönlichen Mehrwert. „Wir machen das, weil‘s uns Spaß macht“, betonen sie.
Klar ist, dass sich im Laufe eines Vierteljahrhunderts auch ein paar Anekdoten angesammelt haben, die für Lacher sorgten. So zum Beispiel das „Kunsthöfle“, das plötzlich zum „Kunsthösle“ wurde.