Oberstufentheater des Schlossgymnasiums wagt sich an das Thema Cybermobbing
Das Internet auf der Theaterbühne

Kirchheim. „Wir alle haben Unrecht getan. Auch wenn wir nur zugeschaut haben und dadurch unseren Spaß hatten.“ Mit diesen Worten


hielt Roxy, im Theaterstück „Faceless“ Klassenkameradin des Mobbingopfers Charly, dem Publikum gegen Ende des Stücks einen Spiegel vor. So gern die Zuschauer angesichts der bedrückend real inszenierten Darstellung einer pöbelnden und hetzenden Klassengemeinschaft und deren völlig verzweifeltem Opfer auch eingegriffen hätten, sie waren in ihrer passiven Rolle als Beobachter des Geschehens gefangen.

Die Botschaft war dennoch unmissverständlich: Wenn sich die Dynamiken eines Mobbingfalls erst einmal zu entwickeln beginnen, werden Dritte meist zu sensationslüsternen Mitläufern und lassen das Opfer im Stich. Dies ist nur eines vieler zentraler Probleme, das die Oberstufen-Theater-AG des Schlossgymnasiums in ihrem selbst geschriebenen Stück „Faceless“ eindrücklich vermitteln konnte.

Die Ursache der Schikane war direkt aus der Lebenswelt Jugendlicher gegriffen: Klassenkameraden des Opfers entdecken auf dem Handy von Charlys Freund ein Nacktbild des Mädchens und verbreiten es in einer unüberlegten Aktion auf die Mobiltelefone ihrer Klassenkameraden. Auch der weitere Lauf der Dinge wurde erschreckend realitätsnah gestaltet: Das Foto gelangt ins Internet, und Charly wird zum Gespött der Schule. Nicht nur die erniedrigenden Situationen, denen Charly in der Klasse fortan ausgesetzt ist, wurden schauspielerisch prägnant dargeboten. Besonders beeindruckend wurde der virtuelle Raum des Internets auf der Bühne inszeniert. Weiße Masken machten deutlich, wie leicht es für Jugendliche ist, ein Mobbingopfer aus der Anonymität des Internets heraus anzugreifen. Die tätlichen Übergriffe der vermummten Gestalten auf Charly symbolisierten gekonnt, wie das Mädchen selbst im vermeintlich geschützten Raum ihres Zimmers durch diffamierende Chatnachrichten belästigt wird.

Neben der facettenreichen Darstellung der Perspektive des Opfers legten die Schüler in ihrem Stück einen Schwerpunkt auf den Charakter von Amy, der divenhaft-eingebildeten Tonangeberin der Klasse. Sie wurde dem Zuschauer exemplarisch als die Anführerin des Mobs präsentiert, die durch ihr herabwürdigendes Verhalten ihre eigenen Schwächen zu verbergen und ihre Stellung in der Klasse zu sichern versucht – eine Rolle, die dem Zuschauer im Zusammenhang mit Mobbing sofort plausibel erschien. Gerade die etwas überspitzte Darstellung mancher Schüler-Stereotypen sowie erfrischend witzige Dialoge, die mit den Problemen einer sehr heterogenen Klassengemeinschaft in einem schwierigen Alter kokettierten, heiterten das Theaterstück auf und ließen die Zuschauer schmunzeln.

Für die Courage, mit ihrem selbst geschriebenen Stück die Möglichkeiten ihrer eigenen Lebenswelt kritisch zu hinterfragen, sowie für ihre bemerkenswerte schauspielerische Leistung bekamen die Oberstufenschüler nach der zweiten Vorführung ihres Stücks großen Applaus. Unter der Leitung von Bernd Löffler, dem Leiter der Oberstufen-Theater-AG, haben die Jugendlichen monatelang auf ihre beiden Aufführungen in der gut gefüllten Aula des Schlossgymnasiums hingearbeitet. Das Gefühl, ihr Publikum zum Nachdenken gebracht zu haben, dürfte den Jungschauspielern ihre Mühe in jedem Fall wert gewesen sein.