Jahrzehntelang haben sie sich gegenseitig Punkte abgeluchst, erbittert bekämpft und hinterher beim Bier das Kriegsbeil wieder begraben. Wer im nachbarschaftlichen Gerangel gerade oben oder unten war, bestimmte der Moment. Von langer Dauer waren Hierarchien selten. Heute Abend in der Teckhalle werden sich Handballmannschaften des TSV Owen und der SG Lenningen zum letzten Mal vor einem Spiel als Gegner die Hand reichen. Ab Sommer heißt es: aus zwei mach eins. Die HSG OLE ist beschlossene Sache. Die Zukunft kennt nur noch ein Tälesteam. Einige werden schon den heutigen Abend nutzen, um sich für einen künftigen Stammplatz zu empfehlen. Andere werden sich neue Vereine suchen oder haben das längst getan.
Zu denen, die von Bord gehen, gehören beide Trainer. Owens Marius Dotschkal wechselt zur TG Nürtingen in die Bezirksklasse, SG-Coach Peter Schmauk prüft derzeit mehrere Angebote und will sich in den kommenden Wochen entscheiden. Was beide Kollegen trennt: Anders als für Dotschkal, der aus einer zum Absteiger gestempelten Mannschaft ein Mittelfeld-Team formte, endet für Schmauk die Saison mit einer Enttäuschung. Der Aufstieg, den er sich nach dem knappen Scheitern im vergangenen Jahr zum Ziel gesetzt hat, ist nur noch graue Theorie. Spitzenreiter Denkendorf müsste in den verbleibenden drei Spielen fünf Punkte liegen lassen, um noch vom Sockel zu fallen. Das Team von Ralf Wagner erweckte bisher allerdings nicht den Eindruck, als sei dies eine Möglichkeit, auf die sich bauen ließe. Selbst wenn: Die Gewissheit, den Rest der Mitbewerber in diesem Fall hinter sich zu lassen, hätten die Lenninger damit noch immer nicht. Der zweitplatzierte TuS Stuttgart, der heute Abend die Denkendorfer zum vorentscheidenden Top-Duell empfängt, hat noch ein Spiel mehr auszutragen als die punktgleichen Verfolger, muss aber immerhin am letzten Spieltag in den Lenninger Hexenkessel steigen.
Ärger über vergebene Chancen
Schmauk weiß: Es sind Spiele wie die zu Hause gegen Denkendorf, als eine Fünf-Tore-Führung in den letzten zehn Minuten nicht zum Sieg reichte, oder die knappe Niederlage in Neckartenzlingen, wo sich seine Mannschaft allein in der ersten Hälfte mehr als ein Dutzend Fahrkarten leistete. Die Entscheidung des Verbands, die Aufstiegsrelegation der Bezirksliga-Zweiten schon in diesem Jahr zu streichen, ist für Schmauk und die SG ein zusätzliches Ärgernis. „Die Ligareform kommt erst in zwei Jahren“, sagt Lenningens Trainer. „Was das zum jetzigen Zeitpunkt schon soll, das weiß ich nicht.“
Was ihm am meisten nachhängt: Er hätte gerne weitergemacht. Seine Mission vollendet, so wie es vereinbart war, noch ehe die Fusionspläne ruchbar wurden. Dass ihm dies nun verwehrt bleibt, dass seine Pläne erst gar nicht mehr gehört wurden, hat ihn getroffen. Für beide Vereine ist es der saubere Schnitt, der das Neue beflügeln soll. Für Schmauk ist es die Demontage dessen, was gut funktionierte. Der Mann, der der HSG zum Erfolg verhelfen soll, heißt nun Matthias Briem. Ein begnadeter Handballer - jung, unverbraucht, aber ohne Erfahrung im Traineramt.
Heute Abend ist das für 60 Minuten alles vergessen. Es wird sein, wie immer. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Teckhalle wohl mehr noch als sonst ihren gravierendsten Nachteil offenbaren wird: den Platzmangel auf den Rängen. Fürs Owener Publikum ist es gleichzeitig das vorletzte Spiel für längere Zeit im angestammten Domizil: Die Teckhalle schließt wegen Erweiterungs- und Sanierungsarbeiten für ein ganzes Jahr ihre Pforten.
Owener versprechen „150 Prozent“
Die Frage nach dem Platzhirsch im Revier beantwortet derweil allein die Tabelle. Lenningen als Dritter, die Owener auf Platz sieben. Im Hinspiel war der Graben noch tiefer, und es wurde noch deutlicher, warum ein Derby eben ein Derby ist: Mit 29:28 entschied die SG ein wie immer hart umkämpftes Spiel hauchdünn für sich. Dass es heute Abend sehr viel anders kommen könnte, glauben die wenigsten. TSV-Trainer Marius Dotschkal jedenfalls tritt jedem Verdacht entgegen, der künftige Partner könnte sich angesichts der noch immer rechnerischen Aufstiegschance dem Gegner den Steigbügel halten. „Wir haben in dieser Saison nicht mit so vielen Problemen gekämpft und so viel investiert, um dieses Spiel einfach aus der Hand zu geben“, sagt Dotschkal und verspricht: „Wir werden heute Abend 150 Prozent geben.“ Der 27-Jährige hat sich in seiner Premierensaison auf der Bank als beharrlicher Arbeiter profiliert. Nach dem Verlust der wichtigsten Führungsspieler übernahm er eine verunsicherte Mannschaft, die nach einer Reihe knapper Niederlagen erst im Dezember das nötige Selbstvertrauen fand. Dotschkal spricht von einem „enormen Lernprozess“ und sagt: „Ich bin stolz auf diese Mannschaft.“ Was jetzt noch fehlt, ist ein Sieg im historischen Derby.
So wollen sie spielen
TSV Owen: M.Carrle, U.Raichle - Kerner, Bäuchle, M.Raichle, Renner-Slis, Einselen, Thum, H.Raichle, L.Carle, Köbel, Häußler, Bauer, Ruß, Bem
SG Lenningen: Lamparter, Reichle - Rieke, Schopp, M. Trenkle, T. Trenkle, M. Bächle, Baumann, Pisch, Haid, Nebenführ, L. Bächle, Gökeler, Renz