In Linsenhofen wurde ein Modellprojekt zur Bewirtschaftung von Streuobstwiesen vorgestellt
Das Paradies soll strahlen

Die Alten sollen sich noch von wunderbaren Abenden mit süffigem Most aus der Schwarzen Birne erzählen. Nun erlebt die fast ausgestorbene Sorte eine Wiederauferstehung im Rahmen eines Streuobst-Modellprojekts des Landkreises. Ziel ist, die Bewirtschaftung der Wiesen mit Maschinen zu erleichtern.

Frickenhausen. Viele Streuobstwiesen wurden angelegt, als es noch üblich war, mit der Sense zu mähen. Und natürlich sollten auf dem Grundstück möglichst viele Bäume stehen, man wollte ja viel ernten. Heutzutage ist das ein Problem: Die kleinen Stückle eignen sich nur schlecht für eine landwirtschaftliche Grünlandnutzung mit Maschinen. Wenn die Besitzer nicht mehr mähen können, machen sich oft Brombeeren breit und die Wiese verbuscht.

Darum wurde im Esslinger Landratsamt, namentlich von Corina Schweikardt, nun ein Modellprojekt mit dem Titel „Umgestaltung bestehender vernachlässigter Obstwiesen für eine extensive, ökologisch hochwertige Pflege mit landwirtschaftlichen Maschinen“ entwickelt. Bei der Gemeinschaftsschuppen-Anlage zwischen Frickenhausen und Linsenhofen, im Gewann Eichenfirst, wurde ein geeignetes Gelände gefunden. Auf sechs Hektar Fläche entsteht die Streuobstwiese für das 21. Jahrhundert.

Mit dem Projekt soll gezeigt werden, wie die für die Wiesen und ihren Artenreichtum so wichtige extensive Grünlandnutzung gewährleistet werden kann. Die Bewirtschaftung der Flächen geschieht eigentumsübergreifend. Bezahlen müssen die Grundstücksbesitzer nichts, weder für das Mähen noch für den Grundschnitt an den alten Bäumen. Nur für neue Bäume wird ein Eigenanteil von zehn Euro verlangt. Die Ernte gehört natürlich weiterhin ihnen. Trotzdem sind noch nicht alle Stücklesbesitzer dabei, obwohl Corina Schweikardt viel Überzeugungsarbeit leistete.

Um besser mähen zu können, werden auf der Modell-Wiese die Bäume in einem Abstand von zwölf Metern gepflanzt. Einige alte Bäume werden herausgenommen, um die Schneisen für den Mäher zu schaffen. Den ersten von 31 neuen Bäumen setzte der stellvertretende Landrat Matthias Berg zusammen mit dem Frickenhäuser Bürgermeister Simon Blessing und dem Linsenhöfer Ortsvorsteher Helmut Weiß. Es handelte sich dabei um eine Schwarze Birne, eine alte Sorte aus dem Täle.

Nur noch acht Bäume gab es, die meisten zwischen 80 und 100 Jahre alt und damit über ihrem Zenit. Aus einem dieser Bäume wurden Edelreiser gezogen und in einer Weilheimer Baumschule vermehrt. Nun gibt es wieder junge Bäume. Die Schwarze Birne wurde erst in diesem Jahr von Slow Food in die „Arche des guten Geschmacks“ aufgenommen. Die Linsenhöfer Lokalsorte eignet sich durch ihre Süße nicht nur für süffige Möste, auch edle Destillate und feine Seccos lassen sich daraus herstellen.

Von Letztgenanntem konnten sich die Besucher gleich überzeugen. Winzer Helmut Dolde aus Linsenhofen hatte eine Kostprobe seines Seccos aus Schwarzer Birne mitgebracht. Dieser Secco ist international begehrt: Erst kürzlich, berichtete Dolde, habe er eine ganze Palette nach San Francisco geliefert. Käufer war ein Importeur, der sonst Poiré, einen französischen Birnenwein, der dem Cidre aus Äpfeln entspricht, in großen Mengen aus der Normandie importiert.

Bis es so große Mengen Schwarzer Birne gibt, um die Nachfrage aus Übersee zu stillen, werden noch viele Jahre ins Land ziehen. „Ein Baum ist eine Generationensache. Erst in 15 bis 20 Jahren wird der Baum richtig tragen“, sagte Dolde. Mit dem Secco konnten sich die Besucher stärken, bevor sie selbst Hand anlegten und 30 weitere Bäume pflanzten. Mit im Boot sind die Obst- und Gartenbauvereine. Die Fachwarte des Vereins für Obstbau, Garten und Landschaft Linsenhofen (VOGL) übernehmen die Pflege der Bäume. Die drei Landwirte Erhard Gneiting, Martin Schnerring und Jörg Krohmer teilen sich die Mäharbeit. Dort, wo es zu steil zum Mähen ist, werden die Schafe von Peter Dutt die Wiesen frei halten. Extra für sie wurde auf dem Gelände der Kläranlage ein Unterstand gebaut.

„Alle reden vom Streuobstparadies, aber nichts hat sich verändert“, sagte Bürgermeister Simon Blessing. Deshalb sei er sehr angetan gewesen, als Matthias Berg ihm vor zweieinhalb Jahren von dem Modellprojekt berichtet hatte. „Jetzt wollen wir hinbekommen, dass das Paradies strahlt.“

„Wenn es läuft, macht die Arbeit wieder Spaß“, betonte Matthias Berg, bevor er zum Spaten griff, um unter Anleitung von Erhard Gneiting den ersten Baum zu setzen. Noch sind nicht alle Stücklesbesitzer mit im Boot: „Wenn sie sehen, was hier Tolles entsteht, werden sie auch kommen“, ist sich Matthias Berg sicher.