25 öffentliche Telefone gibt es noch in Kirchheim – Viele nehmen die „Stationen“ gar nicht mehr wahr
Das Schattendasein der Telefonzelle

Kirchheim. Telefonzellen können einem eigentlich leid tun. Denn sie stehen einfach da, fristen ein erbärmliches Schattendasein. Zahlreiche Passanten gehen tagtäglich an 


ihnen vorbei, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Warum auch? Schließlich hat heutzutage fast jeder ein Handy oder Smartphone in der Tasche.

Auch in Kirchheim hat an diesem Freitagmorgen scheinbar keine Menschenseele Interesse an der öffentlichen Telefonsäule am Schweinemarkt. Ringsum ist einiges los: Ladenbesitzer öffnen ihre Geschäfte, Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche laufen in alle möglichen Richtungen – nur nicht zu dem öffentlichen Telefon. Dabei befindet sich dieses nicht einmal in einer altbacken anmutenden gelben und muffigen Zelle, wie man sie von früher her kennt. Vielmehr handelt es sich um eine schlichte Säule in den modernen Telekom-Farben Silber und Magenta.

Doch all das nutzt nichts. Denn keiner greift an diesem Morgen zum Hörer und wirft eine Münze ein. „Gestern hat eine Frau das Telefon benutzt. Aber ich glaube, das war die Einzige, die ich in den vergangenen zwei Wochen gesehen habe“, sagt eine Mitarbeiterin der Bäckerei, die sich gegenüber der Telefonsäule befindet. Auch Anja Braun aus Kirchheim, die gerade Brötchen kauft, winkt ab: „Wer braucht schon noch Telefonzellen? Telefonkarten hat doch auch keiner mehr.“ Die 38-Jährige hat sich noch nie zu einem öffentlichen Telefon verirrt, erzählt sie. Sie hält die Zellen und Säulen, die ihr im Übrigen auch rein optisch nicht gefallen, für überflüssig. „In London sehen die Telefonzellen wenigstens gut aus.“

Hans Kauderer-Schäfer aus Notzingen, der ebenfalls an der Telefonsäule vorbeigeht, ohne ihr Aufmerksamkeit zu schenken, hält hingegen nichts davon, alle öffentlichen Telefone abzuschaffen. „Viele ältere Leute haben kein Handy. Sie können vielleicht mal in eine Situation kommen, in der sie ein solches Telefon benötigen“, sagt der 55-jährige Notzinger. Er selbst kann sich nicht mehr daran erinnern, wann er zuletzt in einer Telefonzelle stand. „Da war ich auf jeden Fall noch jung“, sagt er schmunzelnd, und blickt die Teckboten-Redakteurin, die ihn befragt, etwas mitleidig an. Ein Artikel zum Thema Telefonzellen? „Na dann, viel Spaß noch“, sagt er und verschwindet.

25 öffentliche Telefone gibt es laut Udo Harbers von der Telekom noch in ganz Kirchheim mit seinen vier Ortsteilen. Zwölf davon sind Telefonhäuschen mit Münzfernsprechern, sieben sind Telefonsäulen mit kombinierten Münz- und Kartentelefonen, und sechs sind sogenannte Basistelefone, mit denen man per Telefonkarte telefonieren und kostenlose Notrufe absetzen kann. Bundesweit betreibt die Telekom noch knapp 60 000 öffentliche Telefonstellen, informiert Udo Harbers weiter. Grundsätzlich werde die Zahl der Telefonzellen an den Bedarf angepasst. Schließlich müssten die Einnahmen die Ausgaben decken. Durch Reinigung, Instandhaltung, technische Wartung und Strom würden Kosten anfallen, die durch die Nutzung refinanziert werden müssten. „Je nach Nutzung werden in Absprache mit dem zuständigen Rathaus Standorte modernisiert oder geschlossen“, sagt der Telekomsprecher.

Ginge es nach Sandra Autenrieth aus Weilheim und Tobias Knapp aus Kirchheim, dann könnten auch die verbliebenen 25 Telefone in der Teckstadt der Vergangenheit angehören. Denn der 19-Jährige hat noch nie eine Telefonzelle benutzt und die 21-Jährige „nur im Ausland vor ein paar Jahren“. Wirklich Gedanken haben sich die beiden jungen Leute bislang noch nicht über das Thema Telefonzellen gemacht. „Ich beachte die gar nicht“, gibt Tobias Knapp zu. Das bestätigen zwei junge Mütter, die mit ihren Kindern an der Telefonsäule am Schweinemarkt vorbeischlendern. „Es hat doch jeder ein Handy“, sagen sie und kehren der Säule den Rücken.

Ein ähnliches Schicksal wurde dem öffentlichen Telefon zuteil, das sich am Alleenring in der Nähe der Stadtbücherei befindet. Die Menschen eilen täglich an der Säule vorbei – ohne zu wissen, dass es sie überhaupt gibt. Doch ergeht es tatsächlich allen so? Nein! An diesem Freitagmorgen schreitet eine Dame mittleren Alters mit rötlich gefärbtem Haar und schwarz-weiß gestreiftem Shirt zielstrebig auf die Telefonsäule zu. Sie wirft eine Münze ein und wählt eine Nummer. Doch schon wenige Sekunden später legt sie auf. Das Gespräch ist beendet.

„Ich habe bei der Auskunft angerufen“, erzählt die Dame. Ihr Handy trägt sie in der Handtasche mit sich. Auch mit diesem hätte sie die Auskunft erreichen können, „aber das wäre teurer gewesen“, sagt sie. Ein oder zwei Mal im Monat greift sie zum Hörer einer öffentlichen Telefonzelle – „zum Beispiel, wenn ich mein Handy vergessen habe oder wenn ich ins Ausland telefonieren will.“ Denn bei einem öffentlichen Telefon habe sie die Kontrolle darüber, wie viel Geld sie verbraucht. Quasselt sie hingegen zu Hause am Festnetz, dann „sind schnell 20 oder 30 Euro weg“.

Die Frau würde sich nie als „Telefonzellen-Fan“ bezeichnen, und ihren Namen will sie schon gar nicht im Teckboten lesen, sagt sie. Aber praktisch findet sie die öffentlichen Telefone schon. Sie abzuschaffen, wäre irgendwie schade.