Beim Tanznachmittag in der Stadthalle legen zahlreiche Senioren eine kesse Sohle aufs Parkett
„Das Tanzen ist mein Leben“

Kirchheim. „Grüß Gott und Helau!“, tönt es an diesem Nachmittag mehrfach durch die Kirchheimer Stadthalle. Draußen ist es trist, grau und 


verschneit – doch in der mit bunten Luftschlangen dekorierten Stadthalle ist ausgelassene Faschingsstimmung angesagt. Schwofen, hier und da ein Schwätzchen halten, lachen und das Leben genießen – das wollen alle 85 Besucher, die größtenteils verkleidet und geschminkt zur närrischen Ausgabe des einmal monatlich stattfindenden Seniorentanznachmittags gekommen sind.

Seit 33 Jahren gibt es die Veranstaltung in der Stadthalle. Ins Leben gerufen hatte sie die frühere CDU-Stadträtin Hannelore Bodamer. Seit fünf Jahren kümmert sich Stadthallen-Hausmeister Hans Hubert um die Fortführung. „Hannelore Bodamer musste altersbedingt aufhören. Die Stadt wollte aber, dass es weitergeht mit den Tanznachmittagen“, erinnert sich der Ötlinger. Für ihn war sofort klar, dass er die Organisation übernimmt.

Ein Nachfolger für die ebenfalls ins Alter gekommenen früheren Musiker war schnell gefunden: Alleinunterhalter Rudi Hellner aus Metzingen, ein guter Bekannter von Hans Hubert, sorgt mit Keybord, Gitarre und Akkordeon sowie alten und neuen Schlagern für die passende Tanzmusik. Um die Bewirtung kümmern sich Hans Huberts Frau Monika, seine Tochter Kerstin, sein Sohn Benjamin und seine Bekannte Marija Horvat. Eingespannt wird auch seine Schwiegermutter Anna Stöckl, die an der Garderobe die Gäste empfängt. Außerdem backt sie zusammen mit Hans Huberts Mutter Theresia leckeres Salzgebäck, mit dem sich die Besucher zwischen den Tanzeinlagen unter anderem stärken können.

Und das ist auch bitter nötig – denn die Besucher zwischen 60 und 85 Jahren, die nicht nur aus dem Kreis Esslingen, sondern zum Beispiel auch aus Deggingen, Birenbach und Hattenhofen anreisen, legen eine ganz schön kesse Sohle aufs Parkett. Sobald Rudi um Punkt 15 Uhr die ersten Töne erklingen lässt, zieht es die Senioren auf die Tanzfläche.

Einer von ihnen ist Otmar Schwarz aus Kirchheim. Er ist Stammgast des Tanznachmittags und „leidenschaftlicher Tänzer“, wie er sagt. „Wir sind eine große Familie. Man kennt sich und hat hier seinen Freundeskreis“, betont der Lederhose und Karohemd tragende 75-Jährige. „Ich bin in Böhmen geboren. Musik und das Tanzen liegen mir einfach im Blut. Das Tanzen ist mein Leben.“

In der Regel genießt Otmar Schwarz mit seiner Ehefrau den langsamen Walzer, Cha-Cha-Cha oder Foxtrott. Doch sie fällt an diesem Nachmittag krankheitsbedingt aus. Der Kirchheimer macht sich deshalb aber überhaupt keine Sorgen und verrät augenzwinkernd: „Ich bin begehrt und habe hier meine Tanzmäuse.“

Für Männer ist es außerdem einfacher, eine Tanzpartnerin zu finden – denn Frauen sind in der Überzahl. Deshalb sieht man auf der Tanzfläche auch das eine oder andere „Frauen-Paar“.

Begeisterte Tänzer sind auch Lore und Heinz Fundke aus Ötlingen. Das Ehepaar kennt den Kirchheimer Tanznachmittag noch aus der Anfangszeit. „Früher gab es sogar noch eine Modenschau. Auch ich habe damals Mode präsentiert“, erzählt die 77-Jährige stolz. „Bestimmt schon seit 20, 25 Jahren“ besuchen die Eheleute regelmäßig den Tanznachmittag. „Die Stimmung, die Musik und die Unterhaltung gefallen uns einfach,“ fügt Lore Fundke hinzu. „Man kann doch nicht nur daheim rumsitzen. Da rostet man ja ein.“ Der 83-jährige Heinz Fundke gehört zu den ältesten Besuchern – das Tanzen hält ihn fit, betont er, nippt von seinem Weinschorle und beginnt vom Besuch eines „Besens“ bei Heilbronn am Abend zuvor zu erzählen. Dort habe er mit einer Frau getanzt, die er gar nicht kannte. „So a Tänzle isch doch scheee!“, sagt der als Kapitän verkleidete Senior und lacht verschmitzt.

Derweil spielt Rudi Lieder wie „Jetzt kommen die lustigen Tage“, „Hello, Mary Lou“ oder „Oh, wie ist das schön“ – und die Stimmung wird immer ausgelassener. Eine Polonaise schiebt sich durch den Saal, überall sieht man fröhliche Gesichter.

Mittendrin sind auch Ursula und Thomas Sauer aus Esslingen, die sich ebenfalls faschingsgemäß „herausgeputzt“ haben. Über Bekannte wurden die Esslinger vor drei Monaten auf den Kirchheimer Tanznachmittag aufmerksam. Seither kommen sie regelmäßig. „Esslingen hat keine so schöne Stadthalle. Außerdem bin ich eine alte Kirchheimerin“, sagt die 73-Jährige. Sie tanzt sehr gerne – im Gegensatz zu ihrem Mann. „Ich bin kein Startänzer“, winkt er ab. Die Atmosphäre in Kirchheim gefällt ihm trotzdem. Und seiner Frau zuliebe wagt er sich auch aufs Parkett.

„Es ist schön, dass es eine solche Veranstaltung für ältere Leute gibt und dass diese nicht einfach abgeschoben werden“, betont Ursula Sauer. „Denn alte Leute sind auch noch luschdig. Und man kann ja au net immer bloß vorm Fernseher sitza.“