Neidlingen. Von einem „Freudentag“ sprach Dekanin Renate Kath bei der Investiturfeier für Pfarrerin Ute Stolz in Neidlingen. Vor einiger Zeit schon habe sie nämlich aus Neidlingen die schriftliche Klage bekommen: „Wir sind unglücklich, dass Frau Stolz noch nicht rechtmäßig, mit Brief und Siegel unsere Pfarrerin ist.“ Nach nahezu zwei Jahren sei dies nun erreicht. Bereits seit Mai sei Ute Stolz „beauftragte Pfarrerin für Neidlingen und Hepsisau“. Und seit dem Festgottesdienst am Sonntag ist das nun eben auch feierlich und für alle sichtbar bekräftigt. Trotzdem aber sei Ute Stolz „nur eine einzige Person“, auch wenn sie jetzt mit je einer halben Stelle für zwei Gemeinden zuständig ist. Im Herbst soll sie dabei allerdings Unterstützung durch eine Vikarin bekommen.
Obwohl sie bereits allen bestens bekannt war, stellte sich Ute Stolz in Neidlingen noch einmal vor – wie es sich für eine Investitur gehört. Seit 22 Jahren sei sie in kirchlichem Dienst, und seit
Kurzem sei sie 50 Jahre alt. Prägend sei für sie während der Ausbildung die Zeit am Sprachenkolleg in Stuttgart gewesen, wo sie ihre Liebe zu den alten Sprachen Griechisch und Hebräisch entdeckt habe. Latein dagegen sei immer noch nicht ganz ihr Fall. Im Studium habe sie sich intensiv mit der Bibelauslegung befasst – „und die Liebe zur Exegese und damit auch zur Predigt ist bis heute geblieben“. Weitere Leidenschaften seien die Musik – „eine meiner Kraftquellen“ – und das Lesen. Als wichtigen Autor nannte sie den nicaraguanischen Schriftsteller, Theologen und Politiker Ernesto Cardenal.
„Ich arbeite hier sehr gerne“, bestätigte Ute Stolz, bevor sie auf ihre beiden Gemeinden zu sprechen kam. Sehr diplomatisch benutzte sie dabei ein sprachliches Bild, um hervorzuheben, dass es keine Lieblinge gibt: „Mit Neidlingen und Hepsisau geht es mir wie mit meinen Kindern und mit allen Menschen, die mir am Herzen liegen – nie und nimmer könnte ich sagen, wer mir lieber ist.“ Auf jeden Fall dankte sie aber den Hepsisauern für die Bereitschaft zum Teilen und den Neidlingern für die gute Aufnahme bisher.
In ihrer Predigt über die ersten Jünger, von denen das Johannes-Evangelium berichtet, stellte Ute Stolz das Kommen, das Sehen und das Finden in den Mittelpunkt. Dabei könne dem Finden durchaus auch ein berechtigter Zweifel vorausgehen, wie eben bei Nathanaël: „Er ist aus guten Gründen vorsichtig.“ Zurecht frage er aus der Sicht des Schriftgelehrten, was aus Nazareth Gutes kommen könne, wo doch der verheißene Messias zwingend aus Bethlehem stammen müsse.
Gezweifelt hat laut eigener Aussage auch Rolf Kammerlander, der Neidlinger Bürgermeister. Weil es sich seit dem Weggang des Pfarrerehepaars Löffler beziehungsweise Löffler-Adam im Jahr 2009 um eine „lange Phase der Ungewissheit, des Wartens und Bangens“ gehandelt habe, hatte der Bürgermeister zwischendurch gefürchtet, dass die Hepsisauer Pfarrerin es sich vielleicht noch einmal ganz anders überlegen könnte. Keinen Zweifel hatte er in seinem Grußwort nach dem Gottesdienst dagegen daran, dass Ute Stolz mit der erstmaligen Übernahme der beiden Kirchengemeinden Neidlingen und Hepsisau „ein Stück Kirchengeschichte“ schreiben werde.
In launigen Dichterworten freute sich Dietmar Brendel – als ein Neidlinger Multifunktionär dieses Mal in der Rolle eines Sprechers der Vereine – darüber, dass die pfarrerlose Zeit nun endlich „hinter uns leit“. Ein wesentlicher Vorteil sei es aber für die Neidlinger und für die Pfarrerin, dass sie sich bereits seit zwei Jahren kennen.
Für den Kirchengemeinderat aus Hepsisau sprach dessen Vorsitzende Erika Schultheiss. Sie erinnerte daran, dass die Kirchengemeinde Hepsisau gerade erst von Ochsenwang getrennt worden war, als Ute Stolz im September 2002 ihren Dienst am Zipfelbach angetreten hatte. Dass sie neun Jahre später neben Hepsisau auch Neidlingen übernehmen würde, hätte damals keiner geahnt. „Doch Teilen kann auch Segen sein“, fügte Erika Schultheiss hinzu.
Für Wolfgang Kuch, den Vorsitzenden des Neidlinger Kirchengemeinderats, kann es keine bessere Baumeisterin für das „gemeinsame Gemeindeschiff“ geben als Ute Stolz. Dass die Pfarrerin als längerfristige „Leihgabe“ nun dauerhaft in Neidlingen eingesetzt werden könne, sei auch den Hepsisauern und deren Bereitschaft zum Teilen zu verdanken.