Lenningen will die Breitbandversorgung selbst in die Hand nehmen
Datenautobahn in der Fallleitung

Die Gemeinden im ländlichen Raum dürfen die bundespolitischen Fehler der Vergangenheit ausbaden. Lenningen will deshalb die Breitbandversorgung selbst in die Hand nehmen. Als erste Hausnummer wird ein Betrag von knapp 1,3 Millionen Euro genannt.

Lenningen. „Breitband ist digitaler Sauerstoff.“ Mit diesem Zitat von Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, eröffnete Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht die Diskussion um die kommunale Glasfasererschließung zur Verbesserung der Breitbandversorgung. „Die Netze hätten nie privatisiert werden dürfen – aber hinterher ist man immer schlauer“, so der Schultes. Da für die Unternehmen unterm Strich immer nur der Gewinn zählt, ist der ländliche Raum ödes „Digiland“, denn die Datenautobahnen enden jäh an der Gewinnzone.

Nach unzähligen Vertröstungen seitens der Kommunikationskonzerne will Lenningen nun selbst aktiv werden. Aus diesem Grund stellte Kai Seim vom Büro Seim & Partner während der jüngsten Sitzung des Gemeinderats seine Planung für eine KVZ (Kabelverzweiger)-Erschließung vor. Dabei handelt es sich um die grauen Schränke, die in vielen Straßen zu sehen und vollgestopft mit Kabeln sind. 41 dieser Kabelverteiler konnte das Büro im gesamten Gemeindegebiet ausfindig machen.

„Lenningen ist eingemauert von Naturschutzgebieten, das macht eine Trassenführung nicht so einfach“, sagte der Planer gleich zu Beginn seiner Präsentation. En Detail müsse da viel mit den Naturschutzbehörden geklärt werden. „Mit dem ganzen Strauß der zur Verfügung stehenden Schutzgebiete ist Lenningen dabei. Das Fallrohr könnte eine Chance sein“, so Kai Seim. Vor allem vier Teilorte gilt es, an die moderne Kommunikation anzuschließen: Schopfloch, Krebsstein, Gutenberg und Schlattstall. Somit muss auch ein Weg vom Tal auf die Alb gefunden werden.

Brucken, Unter- und Oberlenningen sind von der Trassenführung relativ unproblematisch. Ab Ortsausgang Oberlenningen orientiert sich der Planer am Radweg in Richtung Gutenberg. Der erste Abzweig führt auf Feldwegen nach Schlattstall. Nach dem Ortsende von Gutenberg soll es dann über die Fallleitung auf die Alb nach Schopfloch gehen und von dort weiter nach Krebsstein. Endet das Projekt in Schopfloch, entstehen der Gemeinde nach ersten Schätzungen etwa 1,12 Millionen Euro Kosten. Variante zwei schließt Krebsstein mit ein, was dann Gesamtkosten von knapp 1,3 Millionen Euro verursachen würde. Durch Fördermöglichkeiten und Pachteinnahmen könnte es nach vorsichtigen Schätzungen eine Entlastung von etwa 220 000 bis 240 000 geben.

Michael Schlecht war bewusst, dass diese Summen den Gemeinderat nicht zu Freudentaumeln hinreißen würde. Die Zahlen gefallen ihm auch nicht. „Bauplatzinteressenten haben zwei Fragen: Gibt es noch Schule und Kindergarten im Ort? Gibt es Breitband? Das Desinteresse an den Bauplätzen in Schopfloch hat schon seine Gründe“, so Michael Schlecht. Bei der Breitbandversorgung handl

e es sich nicht um ein Luxusgut, sondern um Infrastruktur und Lebensqualität. „Die Gemeinde hat das Geld nicht dafür, deshalb müssen andere Dinge warten“, zeigte er die Konsequenzen auf. Um mit den Städten mithalten zu können, müsse Lenningen die Sache selbst in die Hand nehmen. „Viel zu lange haben wir den Beteuerungen geglaubt, dass der ländliche Raum versorgt wird“, so der Schultes.

Für Armin Diez ist das Stichwort Infrastruktur entscheidend. „Das ist mindestens so wichtig wie Schule und Kindergarten. Für Glasfaser gibt es keine Alternative, Funk kann für mich nur eine Zwischenlösung sein – aber dann diskutieren wir in vier oder fünf Jahren wieder über Glasfaser“, sagte er. Weiter zu warten bringe nichts, Lenningen müsse das Problem jetzt anpacken. „Das ist das Zukunftsthema der ganzen Gemeinde“, sprach er sich für die stattliche Investition aus.

„Wir stehen vor dem Scherbenhaufen der Privatisierungspolitik. Der Bund hat die Gewinne eingeschoben und wir dürfen die Zeche nun bezahlen“, ärgerte sich Kurt Hiller. Karl Sigel interessierte, wo genau die von den privaten Anbietern gelegten Glasfaserkabel liegen. „Das ist Geheimniskrämerei. Bis der Breitbandatlas vorliegt

, wissen wir nichts“, erklärte Michael Schlecht.

Zuerst sollen die unterversorgten Gebiete von der Investition profitieren. „Unterm Strich sollen aber alle den gleichen Standard haben, denn alles andere macht keinen Sinn“, so der Schultes weiter. Schritt für Schritt werde das Ganze umgesetzt.

Der Gemeinderat war einhellig der Meinung, dass die Breitbandversorgung in Lenningen verbessert werden muss. Erste Schritte beschlossen sie einstimmig. Zunächst soll eine Bedarfsanalyse klären, wie groß das Interesse sowohl bei Privatpersonen als auch bei den Gewerbebetrieben an dieser Technik ist. Außerdem wird sich das Büro Seim & Partner nach Fördermöglichkeiten umsehen und dann entsprechende Anträge stellen. Wenn die konkreten Zahlen schließlich auf dem Tisch liegen, wird der Gemeinderat nochmals über die Thematik beraten. Grundsätzlich schlossen sich die Gemeinderäte bezüglich der Breitbandversorgung der Meinung von Michael Schlecht an: „Es mag sich zwar nicht rechnen, aber lohnen tut sich‘s allemal.“