Lenningen wird Modellgemeinde – Schnelles Internet und die Schwierigkeiten in Schutzgebieten
Datenautobahn nimmt Fahrt auf

Lenningen wird Modellgemeinde und bekommt dafür die Hälfte der stattlichen Investition von rund 1,48 Millionen Euro vom Land Baden-Württemberg überwiesen. Damit ist der Weg frei für das schnelle Internet.

Lenningen. „Wir sind froh, dass die Gemeinde Lenningen Modellprojekt geworden ist für den Aufbau einer kommunalen Glasfaserinfrastruktur und dafür rund 740 000 Euro vom Land erhalten wird“, freute sich Bürgermeister Michael Schlecht in der Sitzung des Gemeinderats. Ausschlaggebend dafür war seiner Ansicht nach vor allem die durchdachte Konzeption und Planung des Projekts. „Wir hinken trotzdem fünf Jahre dem Breitbandhochgeschwindigkeitsnetz hinterher. Der ländliche Raum ist abgehängt und die digitale Spaltung besteht noch“, so Michael Schlecht.

Um den Standort Lenningen für Gewerbe und vor allem junge Familien attraktiv zu machen, ist für Michael Schlecht die Investition in die Datenautobahn unumgänglich. „Für jeden Schüler ist ein Netzanschluss Voraussetzung“, verdeutlichte er. Die Wirtschaftlichkeit sei zwar nicht kurzfristig gegeben, langfristig betrachtet hofft er jedoch, dass sich das Projekt durch Bauplatzverkäufe refinanziert.

Strom- und Glasfasernetz sind für ihn die Themen der Zukunft. Hier hätte die Gemeinde neben dem Sektor Wasser und Abwasser noch die Möglichkeit der kommunalen Selbstverwaltung. Im Interesse der Gemeinde und der Bürgerschaft werde deshalb in Lenningen bei den wichtigen Infrastruktureinrichtungen vor Ort und vor allem in eigener Zuständigkeit und Verantwortung über deren Entwicklung entschieden. Dem Schultes ist jedoch auch bewusst: „Glasfaser ist schön, Kunden sind besser.“ Denn das beste Netz nutzt nichts, wenn keiner Interesse daran hat – weder Anbieter noch Nutzer.

Kai Seim von der Seim & Partner Beratungsgesellschaft in Taunusstein stellte das von ihm ausgearbeitete Konzept „Breitbanderschließung einer Kommune unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen von Natur-, Wasser-, Vogel- und Landschaftsschutz“ dem Gemeinderat vor und entschuldigte sich im gleichen Atemzug für diesen mehr als sperrigen Begriff. Da sich das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) Baden-Württemberg aber einen Leitfaden wünschte, habe das Projekt eben einen exakten Namen bekommen.

„Lenningen ist der Prototyp dafür, wie Kommunen in naturschutzrechtlichen Grenzen gefangen sind – dafür haben Sie im Gegensatz zu mir, viele seltene Vögel vor der Haustüre“, sagte Kai Seim. Für den erfahrenen Planer war es eine Herausforderung, die Planung so zu gestalten, dass die Belange der fünf verschiedenen Schutzgebiete berücksichtigt sind und den Kriterien verschiedener Behörden, einschließlich MLR, standhalten. „Das ist einer der best dokumentierten Vorgänge, die ich je ausgearbeitet habe“, erklärte er. Doch das Regierungspräsidium Stuttgart habe großen Wert darauf gelegt, dass die Dokumentation jeder Prüfung standhält – egal ob bei der EU oder dem Rechnungshof. „Das MLR will mit diesem Projekt lernen, wie mit der Problematik Glasfaserverlegung in Zukunft umgegangen werden kann, damit in Schutzgebieten die Eingriffe in die Natur so minimal als möglich gehalten werden können“, erklärte Kai Seim, weshalb Lenningen zur Modellgemeinde wurde.

Nicht nur beim Stromnetz geht Lenningen neue Wege, sondern auch bei der Verlegung des Hightech-Kabels. Dafür nutzt die Gemeinde sämtliche Leerrohre und Kanäle. Die große Herausforderung bestand darin, die Datenautobahn auf die Alb nach Schopfloch und Hochwang zu bringen. Auch hier fanden die Planer eine unkonventionelle Lösung: Sie nutzen die beiden Fallrohre, in denen das Abwasser von Hochwang und Schopfloch ins Tal schießt. Somit entfallen teure Bauarbeiten durch das Kalkgestein und aufwendige Genehmigungsverfahren durch sämtliche Instanzen.

Trotzdem liegen die Kosten laut Kalkulation brutto bei rund 1,77 Millionen Euro. Da Lenningen das Leitungsnetz als einen eigenständigen Betrieb führen wird, sprich das Netz an einen Betreiber vermieten will, ist die Gemeinde vorsteuerabzugsberechtigt. So bleibt aber immerhin noch ein haushaltsrelevanter Nettobetrag von rund 1,48 Millionen Euro. Dank des Zuschusses muss Lenningen rund 740 000 Euro aus eigener Tasche bezahlen.

Diese Investition scheuten bislang sämtliche Betreiber. Sie ignorieren beharrlich die Forderungen der Politik, die ländlichen Gebiete nicht von der neuen Technik abzuschneiden. Trotz seiner großen Fläche von 4 200 Hektar hat Lenningen mit seinen sieben Ortsteilen „nur“ rund 3 500 Haushalte und etwa 640 Gewerbebetriebe zu bieten und ist damit völlig unattraktiv für die an Gewinn orientierten Unternehmen. Der schnelle Euro ist auf dem flachen oder hügeligen Land nicht zu machen – im Gegensatz zu Großstädten, wo teilweise Werbeschlachten in einzelnen Straßenzügen toben.

Deshalb geisterte ein Horrorszenario durch das Ratsrund: Das Glasfasernetz ist fertig und kein Betreiber findet sich weit und breit – auch deshalb, weil seitens der Bevölkerung zu wenig Interesse besteht. „Dieses Risiko steht ganz hinten“, sagte Michael Schlecht. Davor gibt es aber noch Plan B. Findet sich tatsächlich kein Betreiber, geht das Ganze in die zweite Runde. Dabei heißt das Zauberwort „Wirtschaftlichkeitslücke“. Ist die vorhanden, kann Lenningen einen zweiten Antrag auf Fördergelder stellen.

Der Gemeinderat ist jedoch optimistisch, bei derart guter Vorarbeit nicht auf der Datenautobahn sitzen bleiben zu müssen und stimmte einhellig dem Aufbau der kommunalen Glasfaserinfrastruktur zur Verbesserung der Breitbandversorgung zu.