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Zwei Kirchheimer Designerinnen vertreiben ihre selbst gemachten Produkte auf dem Online-Marktplatz „DaWanda“

Isabell Kiefhaber, Bulkesweg 89, in Kirchheim zum Peak "Selbermachen"
Isabell Kiefhaber, Bulkesweg 89, in Kirchheim zum Peak "Selbermachen"

Kirchheim. In einem unauffälligen Einfamilienhaus im Klosterviertel verbirgt sich unterm Dach ein stoffgewordener Mädchentraum. Durch große Dachfenster flutet Morgenlicht die beiden Atelierräume, die ganz in Weiß und Rosa gehalten sind.

Antje Dörr

An der Tür hängt auf einem Drahtbügel ein uraltes Spitzenkleid. Auf Regalen, Tischen und Holzbalken stehen unzählige Gläser und Flaschen gefüllt mit Knöpfen, Perlen und Broschen, daneben Spitzenborten, alte Leinenstücke und englische Blumenprints. In diesen Räumen entwirft Gaby Amsberg ihre Kreationen. Einen eigenen Laden hat die Kirchheimerin nicht. Sie vertreibt ihre selbst genähten Sachen über den Online-Marktplatz „DaWanda“.

Gaby Amsberg näht schon seit sie eine Nadel halten kann. Als Kind stattete sie ihre Puppen mit klitzekleinen Kleidern aus. Als Teenager nähte sie sich Klamotten und Taschen aus alten Vorhängen. „Andere Stoffe gab‘s nicht“, erinnert sie sich. Für die Kirchheimerin kein Problem: Um die alten Stoffe aufzuhübschen, nähte sie einfach ein paar Perlen darauf. „Ich finde es klasse, wenn ich Dinge, die andere wegschmeißen, wieder zum Leben erwecken kann“, sagt Gaby Amsberg.

An den Wochenenden klappert sie mit ihrem Mann Bernhard Flohmärkte ab und gräbt nach verborgenen Schätzen. „Die Knöpfe und Perlen, das alte Leinen, die Spitze – das ist alles von Flohmärkten“, sagt die Kirch­heimerin und zeigt auf ihre vielen Utensilien. „Ich mag dieses alte Zeug einfach.“ Über 30 Jahre hat sie gebraucht, um ihre Sammlung aufzubauen. Die meisten ihrer Kreationen atmen somit auch ein bisschen Geschichte.

Romantisch und verspielt sind die Produkte, die Gaby Amsberg in ihrem DaWanda-Shop anbietet. Da gibt es Brillen-Etuis aus Rosenstoffen, Stulpen aus zarter Spitze oder Wollwalk, bestickte Türschilder und – passend zur Saison – allerlei Österliches. Saisonware geht immer gut, besonders um Weihnachten herum boomt das Geschäft. Insgesamt 240 Produkte stellt die Designerin in ihrem virtuellen Schaufenster aus. „Zwei Drittel sind Gebrauchsprodukte, der Rest ist Dekoration“, sagt Gaby Amsberg. Ganz neu ist die „Mann-Schette“, ein Pulswärmer aus Wollwalk, verziert mit Leder und Metallknöpfen, für den modebewussten Mann.

Schlichtes sucht man in Gaby Amsbergs Shop, der den Namen „Rosenknopf“ trägt, vergeblich. „Ich mag es lieber opulent. Ich trage ja auch selbst viel Schmuck“, sagt sie und fügt lachend hinzu: „Ich glaube, ich war im letzten Leben ein Tannenbaum.“ Glitzer, Perlen und Spitze sind bei ihren Kreationen deshalb ein Muss. „Es muss aber immer stilvoll sein.“ Bunte, grelle Farben sind der Designerin ein Graus. Ihre Produkte sind fast ausschließlich in Weiß oder Pastelltönen gehalten. „Shabby-Chic“ könnte man ihren Stil nennen, einen Mix aus Alt und Neu, überwiegend in zarten Farben, der zurzeit sehr angesagt ist. „Shabby mache ich aber schon lange, nicht erst, seit es Trend ist“, sagt Gaby Amsberg.

Selbstständig war die Designerin, die Kunst studiert hat, schon immer. „Ich kann keinen Chef über mir haben“, sagt sie. Hauptberuflich ist Gaby Amsberg Gitarrenlehrerin, aber das Nähen ist seit jeher ihre Leidenschaft. Lange Zeit nähte sie nur für sich, aber irgendwann hatte sie mehr als genug Kleidung, Decken und Kissen beisammen. Einen eigenen Laden zu eröffnen, kam finanziell nicht infrage. Durch Zufall erfuhr sie von „DaWanda“ – und war sofort begeistert. Im Februar 2011 ging ihr Shop „Rosenknopf“ online.

An den ersten Verkauf erinnert sich Gaby Amsbergs Mann Bernhard, der ebenfalls als Musiklehrer arbeitet, noch ganz genau. „Sie kam ganz aufgeregt die Treppe heruntergerannt und hat gerufen: Ich hab‘ was verkauft! Was mach‘ ich denn jetzt?“ 260 Produkte hat Gaby Amsberg seitdem verschickt. Die Aufregung hat sich also mittlerweile ein wenig gelegt. Aber nur ein wenig. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich etwas nähe, und andere benutzen das und freuen sich daran, dann ist das richtig was fürs Herz“, sagt Gaby Amsberg. Viele positive Bewertungen auf der Homepage ihres Shops tun ihr Übriges. „Ich muss gar nicht berühmt sein, so etwas reicht mir völlig“, sagt die Kirchheimerin und lacht.

Allerdings hat das Verkaufen über DaWanda auch seine Schattenseiten. „Am Anfang dachte ich: Ich mache meinen Shop auf und lege los“, erinnert sich Gaby Amsberg. So einfach war es allerdings nicht. Die Designerin, die eigentlich nur ihre Kreativität ausleben wollte, befand sich plötzlich in einem Dickicht aus Vorschriften und Verordnungen, durch das sie sich hindurchkämpfen musste. „Es gibt zum Beispiel eine Verpackungslizenz“, nennt Gaby Amsberg ein Beispiel. Damit sollen die Verkäufer den Verpackungsmüll, den sie beim Versenden der Ware verursachen, bezahlen – auch wenn sie recycelten Müll, zum Beispiel Schuhkartons statt Päckchen verwenden. „DaWanda gibt es auf der ganzen Welt, und nirgendwo gibt es so viele Vorschriften wie bei uns in Deutschland“, sagt Gaby Amsberg kopfschüttelnd.

Außerdem laufen die Kreativen immer wieder Gefahr, wegen angeblicher Markenpiraterie von Herstellern abgemahnt zu werden. „Ikea-Stoffe dürfen zum Beispiel nicht vernäht werden“, sagt Gaby Amsberg. Berühmtestes Beispiel waren die Abmahnungen, die der Klamottenhersteller Jack Wolfskin gegen DaWanda-Hersteller versandte, weil diese Pfötchen – das Markenzeichen Jack Wolfskins – auf Babydecken, Strampler oder Kissen stickten. „Das ist immer ein Spiel mit dem Feuer“, sagt Gaby Amsberg. Sie könne verstehen, dass viele Betreiber ihre Shops schnell wieder zumachten. Die Kirchheimerin aber will dabeibleiben. „Nähen ist ein innerer Drang, der nach außen gehört“, sagt sie. „Und dank DaWanda verdiene ich auch noch ein bisschen was damit.“

Ortswechsel. In einem Garten unweit des Kirchheimer Hochhauses genießt Isabell Kiefhaber einen Kaffee in der Sonne. Auf dem Rasen blühen Krokusse, Schneeglöckchen und Scilla um die Wette. Auch Isabell Kiefhabers Hals schmückt eine Blüte: ein Gänseblümchen an einer Silberkette, verewigt in einer Form aus Kunstharz. Solche und andere Schmuckstücke stellt die DaWanda-Designerin, die in ihrem Hauptberuf als selbstständige Grafikdesignerin arbei­tet, in ihrer heimischen Werkstatt her. Das Gänseblümchen, das um ihren Hals hängt, sieht so frisch und natürlich aus, als wäre es eben erst aus dem Garten gepflückt worden. „Ich trockne die Blüten in einem Spezialsalz, damit sie Form und Farbe nicht verlieren“, verrät Isabell Kiefhaber. Nicht nur Gänseblümchen, sondern auch Herbstblätter, Schneeglöckchen, Primeln und Efeu hat die Kirchheimerin schon in Kunstharz gegossen – je nachdem, was gerade im Garten wächst und was die Kunden wünschen.

Zuweilen sind da schon skurrile Dinge dabei. „Das witzigste war einer, der sich seine Bauchnabelflusen hat eingießen lassen“, erzählt sie. „Den Ring hat er dann seiner Frau geschenkt.“ Ein anderer liebäugelt mit einer toten Wespe – „natürlich nur mit einer, die vorher schon tot war“. Solche Spezialanfertigungen findet man in Isabell Kiefhabers DaWanda-Shop, der den Namen „Geschmeide-unter-Teck“ trägt, nicht. Dafür tun sich dort bezaubernde Miniaturwelten auf. „Waldesruh“ heißt ein Ring, in den ein Miniaturhirsch eingegossen ist. Für Schneiderinnen hat Isabell Kiefhaber einen Ring designt, der mit einem Maßband und ein paar Stecknadeln gefüllt ist. Und für Liebende ist der Ring „Herzenswärme“ gemacht. Darin ist ein sich küssendes Liebespaar abgebildet, das von einer schwarzen Katze beobachtet wird.

Witzig sind auch die Beschreibungen, die Isabell Kiefhaber ihren Schmuckstücken hinzufügt. „Das Unikat wird von Hand gefertigt“, heißt es unter „Herstellungsart“, und weiter: „Dazu dem Liebespaar und der Katze auflauern, mit Harz übergießen, aushärten lassen und gespannt auf das Ergebnis warten, schleifen, nass schleifen und polieren.“ Ganz so grausam geht es in Isabell Kiefhabers Werkstatt selbstverständlich nicht zu. Die Miniaturfiguren sind aus dem Spielwarenbedarf. Der Gegenstand wird mithilfe einer selbst gebauten Form in Harz gegossen und muss anschließend circa eine Woche trocknen. Mit Schleifen, Nassschleifen und Plieren dauert die Herstellung eines Rings circa anderthalb Stunden. Dann muss das Schmuckstück fotografiert, mit Text und Namen versehen und bei DaWanda eingestellt werden. Die letzteren Dinge fallen Isabell Kiefhaber dank ihrer Ausbildung nicht besonders schwer.

Beim Schmuckherstellen folgt die Grafikdesignerin dem Prinzip „learning by doing“. „Es gibt schon Bücher, in denen der Umgang mit Kunstharz beschrieben ist, aber vieles steht dort nicht drin“, sagt sie. Dass beispielsweise Silber in Kunstharz oxidiert, hatte ihr vorher niemand gesagt. Glück­licherweise hat Isabell Kiefhaber Spaß daran, zu experimentieren. „Beispielsweise habe ich herausgefunden, dass man Kunstharz mit Sand einfärben kann“, sagt sie.

Wenn allerdings eine Bestellung eingeht, darf nichts mehr schiefgehen. Ende 2010 hat Isabell Kiefhaber ihren Shop eröffnet, seitdem hat sie über DaWanda 35 Ringe verkauft. Während es am Anfang etwas schleppend lief, gehen momentan circa drei Bestellungen pro Monat ein – die Verkäufe im Bekanntenkreis nicht mitgerechnet. „Es könnte schon noch ein bisschen mehr werden“, findet die Designerin. Ein Problem sieht sie darin, dass ihre Produkte so ungewöhnlich sind, dass kaum jemand auf die Idee kommt, gezielt nach ihnen zu suchen. Hinzu kommt die schiere Masse an Schmuck, die bei DaWanda angeboten wird. Gibt man „Ring“ in die Suchmaschine ein, erzielt man über 23 000 Treffer. „Da gefunden zu werden, ist nicht so einfach“, sagt Isabell Kiefhaber. Mittlerweile hat sie aber über 200 sogenannte Shop-Abonnenten, die Fans ihres Schmucks sind und regelmäßig per Newsletter über neue Produkte informiert werden.

Mit DaWanda ist Isabell Kiefhaber grundsätzlich zufrieden. Allerdings sei das Verkaufen auch nicht umsonst. „DaWanda berechnet pro eingestelltem Produkt einen bestimmten Preis und bekommt fünf Prozent des Umsatzes“, erklärt die Designerin. Deshalb sieht sie es auch nicht ein, ihren Schmuck zu Dumpingpreisen zu verhökern. „Wenn ich nichts damit verdiene, muss ich es auch nicht machen“, sagt sie. In den DaWanda-Foren gebe es immer wieder Streit zwischen den gewerblichen Verkäuferinnen und den Hobby-Verkäuferinnen, weil letztere ihre Produkte zum Teil zu absoluten Schleuderpreisen auf den Markt werfen. „Damit machen sie die Preise derer kaputt, die davon leben müssen“, kritisiert Isabell Kiefhaber.

Vom Schmuckdesignen leben kann Isabell Kiefhaber nicht. Die Produktion läuft neben ihrem Job. „Ideen habe ich schon viele, aber wegen meines Hauptberufs nicht so viel Zeit“, sagt sie. Dennoch will sie ihre Ringe noch bekannter machen. Ihr nächstes Ziel ist es, einen Shop bei etsy.com zu eröffnen, einem amerikanischen Online-Marktplatz, der deutlich größer ist als DaWanda. „Dann“, sagt Isabell Kiefhaber, „baue ich mein Imperium aus.“

Die DaWanda-Shops der beiden Kirchheimerinnen finden sich unter folgenden Internetadressen: http://de.dawanda.com/shop/rosenknopf und http://de.dawanda.com/shop/Geschmeide-unter-Teck. Ein weiterer Shop, der von einer Kirchheimerin betrieben wird, ist Lisa‘s Nähstüble. Er ist unter http://de.dawanda.com/shop/lisasnaehstueble erreichbar.

Gaby Amsberg, Silcherstra§e 11, in Kirchheim zum Thema "Selbermachen"
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