Kirchheim. „Bleibe vor dem Schulhaus stehen, sage „Tschüss“ und lass mich gehen“. Diese Aufforderung eines Schulkindes „an alle Eltern, Omas, Tanten oder sonstigen Verwandten“ prangt in Gedichtform an der Eingangstür der Kirchheimer Alleenschule. Das Schild passt gut in die Debatte über Helikopter-Eltern, die mit dem Brandbrief des Rektors der Stuttgarter Schillerschule begonnen hat. Und auch wieder nicht. Denn Uwe Häfele, Leiter der Grund- und Werkrealschule, hat wenig Grund zur Klage. Sicher gebe es Helikopter-Eltern an seiner Schule, sagt er. Die habe es im Übrigen schon immer gegeben. „Aber sie sind die Ausnahme“.
Wo sie jedoch ihre Kreise ziehen, kosten sie Häfele und seine Mitarbeiter ganz schön viele Nerven. Sichtbar wird das nicht nur an dem Schild, das Eltern bittet, ihre Kinder die letzten Meter bis zur Schulbank allein gehen zu lassen. Auch an der Zufahrt zur Schule wird deutlich, dass viele Eltern beim Bringen und Holen ihrer Kleinen regelmäßig Grenzen überschreiten. „Liebe Eltern, das Befahren des Schulgeländes ist nicht erlaubt“, steht auf einem Männle, das der Hausmeister jeden Tag an der Zufahrt aufstellt. Bei diesem Thema kennt Uwe Häfele keinen Spaß: „Manche Eltern fahren sehr schnell, und die Zufahrt gehört zum Schulhof. Da laufen Kinder hin und her“, weiß er um die Gefahren. Sein Tipp: Den Kindern auf dem Schulweg nach und nach mehr Verantwortung übergeben. Überhaupt würden meist die Kinder bis vors Schultor gefahren, die den kürzesten Schulweg hätten.
Häfeles Ansicht nach zeigt das „Männle“ jedoch schon Wirkung. „Wenn man mit den Eltern spricht, sind sie meistens einsichtig“, sagt er. Brandbriefe zu schreiben, wie es der Leiter der Schillerschule getan hat, hält er für den falschen Weg.
Regina Schöllkopf, Leiterin der Ganztagspädagogik an der Alleenschule, will nicht allen Helikopter-Eltern Absicht unterstellen. „Viele handeln aus Gedankenlosigkeit. Wenn man ihnen sagt, dass das Kind seinen Schulranzen auch selbst tragen kann, hilft das oft schon“, weiß sie. Auch falle vielen Eltern der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule schwer. „Im Kindergarten ist man es gewohnt, die Kleinen bis in den Gruppenraum zu bringen. Viele Eltern machen in der Grundschule einfach so weiter“. Allerdings werden die Eltern bei der Einschulung darüber informiert, dass sie ihre Kinder bei der Schultür abgeben und das Haus nur bei Terminen betreten sollen. Laut Klassenlehrerin Angela Wankmüller hat das auch Sicherheitsgründe: „Man verliert sonst schnell den Überblick, ob Erwachsene, die sich im Haus aufhalten, Eltern sind oder nicht“.
Angela Wankmüller hat nur wenige Helikoptereltern in ihrer Klasse, „vielleicht zwei von 19“, schätzt sie. An ihrer Vorgängerschule im ländlichen Raum seien es deutlich mehr gewesen, „vielleicht, weil dort weniger Mütter berufstätig waren und mehr Zeit hatten“, so ihre Mutmaßung. Größere Sorgen als die Helikopter-Eltern bereiteten ihr allerdings die sogenannten U-Boot-Eltern, sagt die Klassenlehrerin, und erntet Kopfnicken bei ihren Kollegen. „U-Boot-Eltern sind Eltern, die zu wenig nach ihren Kindern schauen. Die kein Vesper mitgeben, nicht nach den Hausaufgaben schauen, nie bei Elternabenden oder zu Elterngesprächen erscheinen“, sagt die Klassenlehrerin. Regina Schöllkopf beschreibt einen Extremfall: „Ein Kind wird tagelang krank in die Schule geschickt. Wenn wir dann zu Hause anrufen, geht niemand ans Telefon“. Uwe Häfele weiß, dass viele U-Boot-Eltern aus Überforderung abtauchen. „Viele haben Probleme mit der Sprache oder sind alleinerziehend“, sagt er. Für solche Kinder sei die Ganztagsgrundschule ein Segen. Bei allem Ärger, den es mit überengagierten Eltern oder solchen, die sich wenig kümmern, gibt: „Der überwiegende Teil unserer Eltern ist verantwortungsvoll, engagiert, schätzt unsere Arbeit und weiß, dass die Kinder hier gut aufgehoben sind“.