Lokales

Bier „exen“ vor der Kamera

Neuer Facebook-Trend ist auch in der Teckregion angekommen – Vor allem junge Leute finden Spaß daran

Auf Facebook wurde eigens die Seite „Die besten Nominierungen“ eingerichtet.Foto: Jean-Luc Jacques
Auf Facebook wurde eigens die Seite „Die besten Nominierungen“ eingerichtet.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Ein junger Mann sitzt gemütlich in einer Badewanne, führt ein Bierglas zum Mund, setzt an und trinkt es auf Ex aus. Anschließend bedankt er sich für die „Nominierung“ und schlägt weitere drei Kandidaten vor, die sich innerhalb der nächsten 24  Stunden – egal, an welchem Ort und ob sitzend oder im Kopfstand – ebenfalls dem Bier-„Exen“ widmen sollen. Vor der Kamera, versteht sich! Weigern sich diese, schulden sie dem Herrn in der Wanne je einen Kasten Bier.

Solche und ähnliche Videos finden sich dieser Tage zu Tausenden auf der Internetplattform Facebook. Es scheint ein neuer Volkssport zu sein, einen halben Liter Bier zu „exen“, sich dabei filmen zu lassen und das Ganze auf Facebook der Öffentlichkeit zu präsentieren. Vor allem junge Leute finden Spaß an dem skurrilen Internet-Trend mit Schneeballsystem, der Anfang des Jahres in Australien entstanden sein soll und nun weltweit für Furore sorgt.

Auch Lena K.* aus Kirchheim hat sich an dem neuen Facebook-Phänomen beteiligt. „Es macht jeder, und es ist witzig“, sagt die 19-Jährige. Sie sei schon zwei Mal nominiert worden – einmal habe sie sich alleine, das andere Mal zusammen mit ihrer Schwester filmen lassen. Einen halben Liter Bier in einem Zug zu trinken, sei gar nicht so einfach. „Ich musste mich zwingen“, räumt die junge Frau schmunzelnd ein. Bedenklich findet sie das Ganze dennoch nicht, jedenfalls solange es beim Bier bleibt. Manche würden nach dem halben Liter Gerstensaft noch das eine oder andere Glas Wodka hinunterkippen, das sei dann schon grenzwertig, findet die 19-Jährige.

Vanessa S.* aus Kirchheim hat ebenfalls schon vor der Kamera „geext“. „Das Ganze hat sich wahnsinnig schnell auf Facebook ausgebreitet“, erzählt sie. Die junge Frau hegte allerdings auch etwas Zweifel und dachte darüber nach, was ein künftiger Arbeitgeber wohl zu diesem Video sagen würde. Deshalb hat sie sich im Halbdunkeln filmen lassen, sodass sie kaum zu erkennen ist. „Es ist schon verrückt“, sagt die Kirchheimerin. „Aber solange es nur Bier ist, finde ich es in Ordnung.“ Doch auch für sie war es nicht die einfachste Übung, den halben Liter zu trinken. „Es sieht einfacher aus, als es tatsächlich ist.“

Was passiert, wenn man sich weigert, die Bedingungen des Spiels zu erfüllen, kann Vanessa S. nicht genau sagen. Sie glaubt aber nicht, dass man dann Mobbing zu befürchten hätte. „Das vergisst man wahrscheinlich schnell“, sagt sie.

Der Gruppenzwang spiele bei dem Internet-Trink-Spielchen aber schon eine gewisse Rolle, räumt die 20-Jährige ein. „Man will halt kein Spielverderber sein.“ Theoretisch könne man aber auch Wasser in die Bierflasche füllen, „das würde keiner merken“.

So ähnlich hat sich Tim U.* aus der Affäre gezogen: Der Kirchheimer schenkte einfach Apfelsaft in einen Bierkrug. „Das sah aus wie Bier“, sagt er lachend und erklärt: „Ich musste noch fahren an dem Tag, außerdem bin ich zurzeit auf dem Fitnesstrip.“ So richtig begeistert ist er von der Bier-Aktion aber generell nicht. „Eigentlich ist sie lächerlich, aber das ist halt Social Media“, sagt der 21-jährige Student.

Ganz anders sieht das Florian A.* aus Kirchheim: „Ich finde es witzig, dass ein Trend daraus geworden ist. Es geht dabei auch um das Gemeinschaftsgefühl.“ Wer Wodka oder andere harte Alkoholika zusätzlich zum Bier trinke und sich dabei filmen lasse, habe das Prinzip des Spiels nicht verstanden. „Solche Leute wollen stark und cool rüberkommen, dabei geht es einfach nur um den Spaß“, sagt der 22-Jährige.

Außerdem werde keiner dazu gezwungen, sich an der Aktion zu beteiligen. Der Student kennt viele – vor allem Frauen –, die sich weigern, wenn sie nominiert werden. „Dann müssen sie halt einen Kasten Bier ausgeben“, ausgeschlossen oder gemobbt würden sie deshalb nicht.

„Sehr merkwürdig“ findet hingegen Andreas Forro vom Evangelischen Jugendwerk den neuen Internet-Trend. Ihn erstaunt, dass auch sehr viele Videos von trinkenden Mädchen auf Facebook zu sehen sind. Andererseits bringt Andreas Forro, der an der Teck-Realschule in Kirchheim und an der Weilheimer Realschule in der Wühle „Schulkontaktarbeit“ anbietet und dadurch stets im Gespräch mit den Schülern ist, auch Verständnis für die Jugendlichen auf. „Schon vor 20, 30 Jahren hat es Wett-Trinken gegeben.“ Es sei völlig normal, dass sich Jugendliche in einem gewissen Alter ausprobieren und beweisen wollen. „Sie denken nicht so sehr darüber nach, es ist ein Spaß für sie.“ Ungewöhnlich sei eben – vor allem für die Erwachsenen, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind –, dass das Ganze heutzutage durch Facebook und Co. mehr in die Öffentlichkeit rückt. „Dadurch bekommt es eine andere Dimension. Die Jugendlichen stehen dann auch mehr unter Druck“, sagt Forro. Bei vielen gehe es schlichtweg um die Ehre und darum, dass sie bei den anderen angesehen sind.

Generell findet es Andreas Forro nicht allzu schlimm, einen halben Liter Bier zu trinken. Das sei harmlos im Vergleich zu den Mengen, die manche Jugendliche beim „Party-Machen“ an den Wochenenden konsumieren. Dennoch achtet Forro darauf, die Jugendlichen auf die Konsequenzen ihrer Posts auf Facebook aufmerksam zu machen – egal, ob es sich um ein Party-Foto oder um ein „Exen“-Video handelt.

Erfreulich sei, dass sich mittlerweile auf Facebook ein Gegentrend entwickle: Einige Nutzer des sozialen Netzwerks würden kein Bier trinken, sondern stattdessen zum Beispiel eine Packung Kekse vertilgen. Und manche würden die Gelegenheit nutzen, um für eine gute Tat zu werben: „Sie spenden den Wert eines Kastens Bier an eine soziale Einrichtung.“

* Namen von der Redaktion geändert