Lokales

„Dampfplauderei“ im Wortsinn

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich entspannt sich gern im Thermalbad

Kirchheim. Die Sommersonne lacht, und entsprechend gut gelaunt ist Michael Hennrich. Kein Wunder, schließlich geht’s gleich zu seinem Lieblingsort im Wahlkreis. Wo das ist, darüber musste der CDU-Bundestagsabgeordnete nicht lange

nachdenken: im Thermalbad in Beuren. Und wie geht’s hin? Natürlich per Rad. Entspannt tritt der Politiker in die Pedale, und los geht’s über die Hahnweide durch Dettingen, immer die Teck im Blick, nach Owen. Hennrich kennt die schweißtreibende Runde, deren Sahnehäubchen die neun Kilometer lange Abfahrt durchs Tiefenbachtal ist, aus dem Effeff. Die Tour gehört zu seinen Standardrouten, seit der Läufer auch das Radfahren für sich entdeckt hat.

„Ich möchte mich fit halten“, meint er und deutet auf den nicht vorhandenen Bauch: „Übergewicht ist das ewige Politikerproblem.“ Als alter Hase in Berlin weiß er: Speziell in den Sitzungswochen in der Bundeshauptstadt ist ein gesundes Leben schwer möglich. Aber auch sonst ist das Politikerleben von geselligen Buffets zu später Stunde nach Vorträgen und Sitzungen gesäumt. Smalltalk an der Häppchenplatte nach harter Arbeit gehört einfach dazu.

Daheim im Wahlkreis ist es Michael Hennrich vor allem wichtig, auch mal Zeit für die Familie zu haben und natürlich für ein wenig Sport und Entspannung. „Drei Stunden Thermalbad, das wirkt bei mir wie fünf Tage Urlaub“, meint er, während er sich genießerisch von den Massagedüsen im 30 Grad warmen Strömungsbecken umspülen lässt. Thermalbad heißt automatisch abtauchen: Zwischen Dampf und Geblubber bleibt der Bundestagsabgeordnete, der den Wahlkreis mittlerweile seit elf Jahren in Berlin repräsentiert, meist unbeachtet und unerkannt. Der trutzige Hohenneuffen zieht weit mehr Blicke auf sich als der Politikerkopf. – Das ist Letzterem durchaus recht, denn er weiß sein weitgehend normales Familienleben in Kirchheim zu schätzen.

Hennrichs politische Themen sind nicht gerade gängige Sujets. Doch hat er sich in zäher Arbeit längst einen Namen gemacht. Das gilt speziell in der Gesundheitspolitik, einem ­extrem schwierigen, weil stark lobby-belasteten Feld. Unermüdlich und unerbittlich hat sich der Jurist tief eingearbeitet. Im Gesundheitsausschuss des Bundestags, dem er mit einer kurzen Unterbrechung seit vielen Jahren angehört, konnte er daher entscheidende Weichenstellungen mit auf den Weg bringen. Nicht zuletzt als Hennrichs „Kind“ gilt das AMNOG.

Hinter der Abkürzung verbirgt sich das „Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz“. Tatsache ist, dass das AMNOG zu gravierenden Einsparungen speziell im Arzneimittelsektor geführt hat. „Aber es geht nicht nur um Einsparungen, sondern vor allem auch um Verbesserungen für die Patienten“, ergänzt sein Mit-Urheber voller Überzeugung und mit unüberhörbarem Stolz. Denn das AMNOG legt nicht nur Wert auf Bezahlbarkeit von Arzneimitteln, es will auch echte Innovationen fördern. Hennrichs Name ist seither in der Pharma-Szene bekannt (und teilweise gefürchtet). Er weiß das und wundert sich nicht: „Ich kann was“, kommentiert er seinen Ruf als Gesundheitspolitiker mit einem gelassenen Achselzucken.

Die Antwort auf die Frage, wohin die Karriereleiter für den 48-Jährigen in Berlin eventuell noch führen könnte, wird übertönt von der nächsten Aufforderung zum Weiterrücken an den Massagedüsen. Berechtigt ist die Frage allemal. Schließlich ist hinlänglich bekannt, dass Hennrich effektiv und gut mit dem gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, zusammenarbeitet. Der ambitionierte Jungpolitiker aus Ahaus wiederum ist derzeit ziemlich oft im Fernsehen zu entdecken und wurde nicht nur von der Süddeutschen Zeitung als möglicher neuer Gesundheitsminister genannt.

Denkbare Konstellationen für die Zeit nach der Bundestagswahl existieren für Michael Hennrich mehrere. Von der Fortführung der jetzigen Koalition über eine neue große Koalition, die er bereits politisch erlebt hat, und über schwarz-grün bis hin zur Ampel kann er für jedes Modell gewisse Argumente nennen. Natürlich bleibt dies theoretische Rechnerei, denn der Christdemokrat lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass letztlich die Kanzlerin die gleiche bleiben wird: „Frau Merkel macht ihren Job sehr gut“, zollt er der Regierungschefin großen Respekt, lobt deren Kompetenz und Pragmatismus. In manchen Punkten gibt es zweifellos gewisse Ähnlichkeiten: „Ich kann hart arbeiten“, sagt Hennrich über sich selbst. Sicher ist: Luftblasen und leere Versprechungen sind seine Sache nicht, und zum „Dampfplauderer“ wird er allenfalls im wörtlichen Sinne – nämlich in der Dampfgrotte der Panorama Therme. Drei Saunagänge sind schon mal drin, wenn der Politiker „Kurzurlaub“ in Beuren macht. Dann ist meist später Abend und noch Zeit für ein Gläschen Rotwein mit Ehefrau Anja.

Gewisse Traditionen pflegt Hennrich eben gern. So liegt ihm auch sein Engagement bei Haus und Grund Württemberg am Herzen, dessen Landesvorsitzender er seit 2008 ist. „Dort sind Menschen Mitglied, deren Werte und Ziele ich teile“, sagt Hennrich. In privatem Eigentum sieht er einen wesentlichen Baustein der Gesellschaftsordnung und auch die Grundlage zur Verwirklichung von Freiheit. Was ihm besonders gefällt, ist die Art und Weise, wie sich Haus und Grund präsentiert, nämlich irgendwie typisch „schwäbisch“, also im Auftreten gelassen und bescheiden, aber trotzdem leistungswillig und clever.

Eng verbunden ist der Bundespolitiker auch mit dem CDU-Stadtverband Kirchheim-Dettingen. Im politischen Freundeskreis schließt sich gewissermaßen der Kreis zu den Panorama Thermen. Mit politischen Vertrauten begeht er nämlich in Beuren auch alljährlich den legendären „Pfeffertag“. Dahinter verbirgt sich eine langjährige Tradition im Neuffener Tal zur Feier der ausklingenden Weihnachtstage.

Kein Wunder also, dass der Bademeister Michael Hennrich durch die Nebelschwaden hindurch als Stammkunden erkennt. Umgehend nennt er ihm den einen oder anderen Missstand auf dieser Welt. – Politiker sind eben immer im Dienst. „Heut‘ ist Pressetag“, signalisiert Hennrich freundlich. Der Bademeister und er haben jetzt dasselbe Grundproblem: Etwas, das wie Freizeit aussieht, kann in Wahrheit harte Arbeit sein. Am Vormittag war schon der Kollege der Stuttgarter Zeitung zum Interview vor Ort, in der Ärzte-Zeitung ist Hennrich ohnehin rund ums Jahr ein viel gefragter Mann, auch außerhalb des Wahlkampfes.

Die Heimfahrt auf dem Fahrrad erfolgt dann wieder inkognito und weitgehend wortlos. In Montur und Helm sind alle Pedaleure ziemlich gleich, und das Tempo erfordert alle Aufmerksamkeit. Die Fahrt geht auf der Genießerstrecke durchs Tiefenbachtal und schließlich über Wendlingen zurück nach Kirchheim.