Lokales

Das Geld des Nachbarn veruntreut

43-Jährige erhält zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung

Wegen Untreue in 34 Fällen ist eine 43-Jährige gestern im Kirchheimer Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Sie hatte die Generalvollmacht ausgenutzt, die ihr ein alter Mann erteilt hatte, um von dessen Sparbüchern mehr als 75 000 Euro abzuheben. Das Geld verwendete sie für den eigenen Lebensunterhalt.

Kirchheim. Die Verhandlung vor dem Schöffengericht begann damit, dass die Angeklagte nach Verlesung der Anklageschrift bekannte, wie ihr „alles wahnsinnig leid“ tue, dass sie nicht wisse, was in sie gefahren sei und dass sie die Taten am liebsten rückgängig und ungeschehen machen würde: „Ich setze alles daran, dass es wiedergutgemacht wird.“

Angesichts der hohen Schadenssumme dürfte die Wiedergutmachung allerdings kein ganz so leichtes Unterfangen sein: Sollte es der Angeklagten tatsächlich gelingen, die Mindestsumme von 200 Euro pro Monat zurückzuzahlen, dann ist sie trotzdem mehr als 30 Jahre lang damit beschäftigt, das Geld abzustottern, das sie in nur zwei Jahren verbraucht hat.

Im Mai 2010 hatte sie von einem ehemaligen Nachbarn, der damals schon 90 Jahre alt war, eine General- und Vorsorgevollmacht erhalten. Wie die Angeklagte ausführte, habe sie sich eigentlich eher dagegen gewehrt, diese Vollmacht zu übernehmen. Sie war dann damit beauftragt, das Haus des Mannes zu verkaufen und entrümpeln zu lassen, nachdem dieser in ein Pflegeheim gezogen war. Das Geld für den Hausverkauf wurde auf verschiedenen Sparbüchern angelegt. Bereits im Juli 2010 erfolgte die erste von insgesamt 34 Abhebungen.

Die Angeklagte hat das Geld größtenteils für ihren Lebensunterhalt verwendet. Sie sei durch ihre Trennung mit nachfolgender Scheidung in einer finanziell schwierigen Situation gewesen und habe ihren Kindern wohl trotz allem finanziell etwas bieten wollen. Das war die Erklärung, die sie gestern im Gerichtssaal dafür fand, dass sie bis Juli 2012 eine Gesamtsumme von etwas mehr als 75 000 Euro veruntreut hatte.

Eine Entschuldigung sei das allerdings nicht, räumte sie selbst ein. „Ich bin nicht so ein Mensch, bestimmt nicht“, sagte sie und fügte noch einmal hinzu, was in abgewandelter Form bereits gesagt war: „Ich weiß nicht, was mich da geritten hat. Vielleicht war es die Angst, vor den Kindern zu versagen. Vielleicht sollte es eine Art Entschädigung der Kinder dafür sein, dass die Familie zerbrochen ist.“

Amtsrichterin Franziska Hermle ging ebenfalls davon aus, dass weder eine schwierige finanzielle Lage noch der Wunsch nach Kompensation für die Kinder diese Taten entschuldigen können. Außerdem seien die hohen Beträge auffällig – im Schnitt immerhin 3 000 Euro pro Monat. Wenn diese Summe zur Lebensführung verbraucht wurde, ist das wahrscheinlich mehr, als vor der Scheidung zur Verfügung stand. „75 000 Euro in zwei Jahren, das ist gewaltig“, stellte Richterin Hermle fest.

Das war der Angeklagten gestern wohl auch bewusst. „Ich habe immer gedacht, ich finde eine Lösung und kann es geradebiegen“, meinte sie gestern. Aber diese Lösung ist bis heute nicht in Sicht. Was das Zurückzahlen betrifft, sprach sie von einem Lebensversicherungsanteil, der ihr in ein paar Jahren zustehe, oder auch vom Verkauf eines Hauses. Allerdings hat sie selbst keinerlei Eigentumsanteil an dem Haus, das da möglicherweise verkauft werden soll. So bleibt zum Zurückzahlen einzig die Möglichkeit, die sie selbst angeboten hat: 200 Euro pro Monat.

Die Verpflichtung zur monatlichen Zahlung dieser 200 Euro ist Bestandteil des Urteils. Ob die 43-Jährige dieses Geld allerdings wirklich jeden Monat aufbringen kann, das lässt sich auf Jahre hinaus nicht voraussagen. Immerhin sprach die Richterin von einer „günstigen Sozialprognose“. Es sei nicht damit zu rechnen, dass sich die Angeklagte wieder etwas Ähnliches zuschulden kommen lasse. Auch die gestrige Verurteilung müsse ihr dabei eine Warnung sein.

Mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen gewerbsmäßiger Untreue entsprach das Schöffengericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger hatte lediglich eine Strafe gefordert, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ohne eine genaue Angabe über die Höhe der Strafe zu machen. Zugunsten der Angeklagten wurde gewertet, dass sie geständig war, sodass keine Zeugen vernommen werden mussten, dass sie die Taten bereute und dass sie bislang keine Vorstrafen aufzuweisen hatte.

Das Gefängnis bleibt ihr durch die Bewährung erspart. Von einer zusätzlichen Geldstrafe oder von Arbeitsauflagen sah das Gericht ab, weil die finanzielle Situation der 43-Jährigen schwierig genug sei und weil die Schadenswiedergutmachung im Vordergrund stehe.