Lokales

Das Vermögen der Frau General

Am Tag der Archive lässt sich morgen ab 11 Uhr das Stadtarchiv im Kirchheimer Freihof besichtigen

Am morgigen Samstag ist der Tag der Archive. Das Kirchheimer Stadtarchiv lädt die Öffentlichkeit aus diesem Anlass in den Freihof ein. Zu sehen gibt es ab 11 Uhr unter anderem eine bedeutende ­Neuerwerbung.

Kirchheims Stadtarchivar Dr. Roland Deigendesch präsentiert eine Neuerwerbung ¿ ein Dokument aus dem frühen 18. Jahrhundert. Das
Kirchheims Stadtarchivar Dr. Roland Deigendesch präsentiert eine Neuerwerbung ¿ ein Dokument aus dem frühen 18. Jahrhundert. Das Inventar gibt wertvolle Aufschlüsse über die Kirchheimer Stadtgeschichte. Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Der Wiederverheiratung des kaiserlichen Generals Christoph Ferdinand von Degenfeld (1677 bis 1733) im Jahr 1716 verdankt sich die Entstehung des bemerkenswerten Dokuments zur Kirchheimer Stadtgeschichte, das nun aus dem antiquarischen Handel ins Stadtarchiv gelangt ist. Es handelt sich um ein 95-seitiges Inventar der Hinterlassenschaft von Sophia Charlotte von Degenfeld, der ersten Ehefrau des Generals, die im Freihof residierte und am 13. August 1713 auch dort verstarb.

Um bei der erneuten Heirat drei Jahre später den väterlichen Erbanteil von dem der damals 13-jährigen Tochter Euphrosina zu trennen, fand sich am 16. August 1716 der Notar Johann Georg Conz zusammen mit dem Rechtsbeistand der Tochter im Freihof ein und nahm eine ganze Woche lang alles auf, was sich in Kisten und Verschlägen vom Keller bis zum Dachboden des Schlössles befand. Dieses „Inventarium respective Mue­tterliche Vermögens-Untersuchung“ vermittelt ein eindrucksvolles Bild des in Kirchheim damals wohl einzigartigen Reichtums dieser Familie, die im kaiserlichen Kriegsdienst auf dem Balkan, in Italien und in den Niederlanden zu Vermögen gekommen war.

Kulturgeschichtlich höchst inte­ressant ist die seitenlange Auflistung des Bestands an Silber und kostbaren Kleidern, darunter auch solche, die General von Degenfeld seiner jungen Frau aus Brüssel mitgebracht hatte. An die italienischen Feldzüge erinnert Zinn aus Mantua ebenso wie eine „silberne venetianische Galeere“. Allein das Geldvermögen belief sich auf rund 25 000 Gulden – zum Vergleich: Das 1720 bis 1724 errichtete stattliche Rathaus Kirchheims kostete keine 6 000 Gulden.

Wertvoll für die Kirchheimer Geschichte ist auch der Hinweis auf die Legate der verstorbenen Baronin. Neben einer Stiftung für die Kirchheimer Armen wurden damals die Bediensteten im Freihof bedacht, die dadurch namentlich, vom Lakaien bis zur Näherin, überliefert sind. Auch persönliche Gewohnheiten werden sichtbar. So deutet ein „Sparhafen“ auf die den Schwaben bis heute zugeschriebene Sorge ums Kleingeld.

Die Öffentlichkeit hat am Tag der Archive morgen ab 11 Uhr die Gelegenheit, dieses schöne Stück und vieles mehr im Freihof zu sehen. Unter dem Motto „Feuer, Wasser, Krieg und andere Katastrophen“ zeigt das Kirchheimer Archiv interessierten Besuchern Pergamenturkunden, Folianten und Verwaltungsakten genauso wie interessante Dokumente zum Thema Stadtbrand, Hochwasser und Stürme. Das „historische Gedächtnis der Stadt“ hat die über die Stadt he­reingebrochenen Katastrophen akribisch dokumentiert, einschließlich des eigenen Magazinbrands 2002.

Führungen finden um 11.30 Uhr, 13 Uhr und 16.15 Uhr statt. Eine Rallye für Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren begibt sich um 15 Uhr auf die Spuren ungeahnter historischer Schätze. Zum Selbsterkunden lädt eine kleine Ausstellung im Lesesaal ein, und das Archiv-Kino spult Film-Raritäten ambitionierter Hobby-Filmer ab. Präsentiert werden außerdem Fotos aus der Bildersammlung und Zeitungsausschnitte zum Thema. Am Tag der Archive gibt es auch Gelegenheit, in den vom Stadtarchiv erarbeiteten Publikationen zu schmökern und diese zum Sonderpreis zu erwerben.rd