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Der Kandidat lässt sich nicht beirren

Peer Steinbrück bekräftigt vor 3 000 Menschen seinen Machtanspruch und droht mal wieder mit der Kavallerie

Nah bei den Menschen sein: Das ist Peer Steinbrück auch in Esslingen wichtig.Foto: Robin Rudel
Nah bei den Menschen sein: Das ist Peer Steinbrück auch in Esslingen wichtig.Foto: Robin Rudel

Esslingen. Die Umfragewerte verheißen für Peer Steinbrück nichts Gutes. Mit 25 Prozent liegt seine Partei vier Wochen vor der Bundestagswahl weit abgeschlagen hinter der

CDU. Für die Hoffnung, Deutschland stehe vor einem Politikwechsel, gibt es in den Reihen der SPD wenig Anlass. Trotzdem strömen an diesem späten Nachmittag fast 3 000 Menschen auf den Esslinger Marktplatz, um zu erleben, wie sich der SPD-Kanzlerkandidat weiter als Mutmacher versucht.

Steinbrück hat mehrfach erleben müssen, dass die Kandidatur nicht das reine Glück ist. Beobachter glaubten bereits, Anzeichen beginnender Verunsicherung zu erkennen. Jetzt, auf dem Esslinger Marktplatz, gelingt es ihm, die Zweifel wenigstens für zwei Stunden zu vertreiben. Im Verlauf des Auftritts formuliert er immer kämpferischer seinen Anspruch, das Land führen und gestalten zu wollen. Während er mit einer Hand das Mikrofon hält und das leicht erhöhte Podium umkreist, ballt er mit der anderen die Faust. Mehrmals ruft er: „Ich will Bundeskanzler werden.“ 27 Tage sind es noch bis zum Urnengang. Meinungsforscher, das betont der Kandidat mehrfach, können ihn nicht irritieren. Er glaubt weiter an seine Chance und bekräftigt seine Entschlossenheit, bis zuletzt für einen Regierungswechsel zu kämpfen. Angela Merkel sieht er als einfache Verwalterin, die ohne eigenen Kompass im Kreisverkehr gefangen bleibt. Von ihr grenzt er sich ab, betont inhaltliche Unterschiede. „Ich habe eine Vorstellung von der Zukunft des Landes.“

Steinbrück pflegt sein Image als Wahlkämpfer, der nah bei den Menschen sein will. Bevor er seinen Führungsanspruch zuspitzt und die gegenwärtige Koalition als tatenlos, ideenlos und zerstritten attackiert, setzt er unter einem weißen Zelt auf den Dialog mit den Besuchern. Fast 20 Fragen arbeitet er ab, die von Helfern im Publikum eingesammelt worden sind. Ein lebendiger Austausch will auf diese Weise aber nur in Ansätzen entstehen. Der Kandidat erhält immerhin die Gelegenheit, einige Stichwörter aufzugreifen und sich von der Kanzlerin inhaltlich abzusetzen. Er wirbt für ein Sofortprogramm, das der jungen Generation in den südeuropäischen Ländern eine berufliche Perspektive eröffnet. Er wiederholt seine Positionen zur Arbeitsmarktpolitik und verteidigt die Forderung, die Spitzenverdiener im Land stärker zu belasten. Ihn bewegt die Sorge um den sozialen Frieden im Land, sagt er mehrfach. Dass ihm seine Gegner vorwerfen, er greife den Leistungsträgern in die Tasche, nimmt er gelassen. Die Kritiker erweckten den Eindruck, er wolle Rasierapparate verstaatlichen, spottet er.

Die Regie ignoriert er, als er plötzlich auf lautstarke Proteste der Stuttgart-21-Gegner reagiert, die auf dem Marktplatz stark vertreten sind. Steinbrück wirft der Bahn vor, sich gründlich verkalkuliert zu haben. Er kritisiert das planungsrechtliche Verfahren und fordert, aus diesen Erfahrungen zu lernen. Steinbrück wäre allerdings nicht Steinbrück, wenn er es bei solchen Sätzen bewenden lassen würde. Weil er auch an diesem Tag wieder Klartext reden will, gibt er den Stuttgart-21-Gegnern zu bedenken, dass „wir in Deutschland vielleicht auch noch etwas Verkehrsinfrastruktur brauchen“.

Ansonsten kokettiert der Kandidat eher mit seinem Ruf, ein Politiker mit Ecken und Kanten zu sein. Gut, er wiederholt seinen bekannten Satz, dass er die Kavallerie in die Schweiz schicken will. Innenminister Friedrich gönnt er eine Erholung in der Opposition. Von Befürwortern der Energiewende, die sich gegen den Bau neuer Stromleitungen wehren, grenzt er sich ab. Ansonsten beschränkt er sich darauf, mit seinem Ruf zu spielen, gerne „unkonventionelle Formulierungen“ zu wählen. Penibel achtet er aber in dieser Phase des Wahlkampfs darauf, nicht wieder in ein Fettnäpfchen zu treten. Das Publikum zeigt sich beeindruckt. Als Steinbrück am Ende zusammen mit SPD-Landeschef Nils Schmid und zahlreichen SPD-Kandidaten aus der Region, darunter Wahlkreiskandidat Rainer Arnold, auf das Podium tritt, gibt es lautstarken Beifall.