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Der Rauner-Campus ist die Lösung

Kirchheimer Gemeinderat fasst einen einstimmigen Beschluss zur Schulentwicklungsplanung

Der Kirchheimer Gemeinderat hat eine einstimmige Entscheidung zur Schulentwicklungsplanung getroffen: Es gibt eine Campuslösung am Standort der Raunerschule, an dem künftig auch die Teck-Realschule untergebracht sein soll. Dafür zieht die Grundschule der Raunerschule komplett in die bisherige Außenstelle Teck-Grundschule. Die weiterführenden Schulen in Ötlingen und Jesingen sollen auslaufen. Für alle anderen Schulen ändert sich vorläufig nichts.

Raunerschule

Hier tut sich in den nächsten Jahren was: Die Raunerschule soll sich zu einer zweizügigen Gemeinschaftsschule entwickeln. Außerdem wird die Teck-Realschule in drei Jahren auf den Rauner-Campus umziehen. Bis dahin entsteht ein Neubau parallel zur Umgehungsstraße.

Andreas Volz

Kirchheim. Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker blickte im Gemeinderat zunächst zurück auf die lange Zeit der Entscheidungsfindung: Schon seit 2005 werde in Kirchheim kontinuierlich an der kooperativen Schulentwicklungsplanung gearbeitet. Nicht kontinuierlich seien dagegen die jeweiligen Vorgaben des Landes zur Schulpolitik gewesen. Das Modell Werkrealschule habe nicht funktioniert. Nun steht dafür die Gemeinschaftsschule im Fokus des Interesses. Andererseits habe es aber eine Kehrtwende in Sachen Realschule gegeben, die nun doch als Schulart erhalten bleiben soll. An weiteren Rahmenbedingungen, die sich permanent verändern, nannte die Oberbürgermeisterin das Übergangsverhalten von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen, den Wegfall der Verbindlichkeit bei den Grundschulempfehlungen sowie den Sanierungsbedarf an einzelnen Standorten.

Lange Zeit sei man in Kirchheim von einer Zehnzügigkeit der Haupt-, Werkreal- und Realschulen ausgegangen, also von rund 250 Kindern und Jugendlichen pro Jahrgang. Inzwischen aber liege diese Zahl bei weniger als 200, sodass „bestenfalls noch acht Züge“ benötigt werden. Deshalb sei es im April 2012 bereits zu der Empfehlung gekommen, aus sechs Standorten nur noch vier zu machen. Weil aber die Standorte, die zu schließen wären, nicht schon von vornhe­rein festgelegt sein sollten, dauerte die Entscheidung entsprechend lang. Eine wichtige Grundlage der aktuellen Entscheidung sei die Stellungnahme des Kirchheimer Gesamtelternbeirats vom vergangenen Monat gewesen. Darin werde vor allem eine schnelle Entscheidung gefordert, ohne nochmaliges Vertagen. Außerdem heiße es, dass sich die überwiegende Mehrheit der Eltern zentrale Standorte in der Stadt wünscht, also keine Schulen in den Außenbezirken.

Gerhard Gertitschke, der Leiter des Kirchheimer Amts für Bildung, Kultur und Sport, zählte kurz noch einmal die drei Modelle auf, die bislang zur Debatte standen. Bei allen Modellen war vorgesehen, dass die Freihof-Realschule an ihrem jetzigen Standort als Realschule erhalten bleibt und dass die Werkrealschule Jesingen wegen zu geringer Schülerzahlen in den vergangenen Jahren vom kommenden Schuljahr an keine neuen Fünftklässler mehr aufnehmen wird.

Die drei verschiedenen Modelle zur Kirchheimer Schulentwicklungsplanung hatten unter anderem vorgesehen, dass die Alleenschule und die Raunerschule fusionieren: an der Alleenschule, an der Raunerschule oder sogar an der Eduard-Mörike-Schule in Ötlingen. Die Teck-Realschule – deren Gebäude dringend sanierungsbedürftig ist, weswegen es aufgegeben werden soll – hätte entsprechend an die Raunerschule oder nach Ötlingen ziehen sollen. Außerdem war in einem der Modelle angedacht, die Konrad-Widerholt-Schulen aufzulösen. Die Grundschulkinder wären dann auf andere Schulen verteilt worden, und die Förderschule wäre an den Standort der Alleenschule verlegt worden.

Nun aber ist noch ein viertes Modell ins Spiel gekommen, das sich innerhalb kürzester Zeit als Siegläufer erweisen sollte: Die Teck-Realschule wird zum Schuljahr 2016/17 als dreizügige Schule an den Standort Raunerschule übersiedeln – wahrscheinlich in einen Neubau parallel zur Umgehungsstraße. Die Raunerschule soll sich daneben zur zweizügigen Gemeinschaftsschule entwickeln und ihre Grundschule komplett an die Teck-Grundschule verlegen. Dort beginnt die zweizügige Grundschule mit dem Schuljahr 2017/18. Die Alleenschule bleibt als Werkrealschule einzügig. Die Konrad-Wider­holt-Schulen bleiben an ihrem jetzigen Standort erhalten, während die Eduard-Mörike-Schule nur noch als Grundschule weiter betrieben wird. Fünftklässler werden in Ötlingen ohnehin schon seit einiger Zeit nicht mehr aufgenommen, sondern stattdessen an die Alleenschule geschickt.

Die Gesamtkosten für dieses „Modell vier“ bezifferte Gerhard Gertitschke auf rund 15 Millionen Euro. Es wäre damit sogar günstiger als die meisten anderen Modelle.

Walter Aeugle, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, sieht in der Campuslösung – also im Zusammenrücken der Rauner- und der Teck-Realschule an einem Standort – „eine Riesenchance, den Schulstandort Kirchheim ein ganz erhebliches Stück weiterzubringen“. Er bedauerte lediglich, nicht schon früher auf diese Lösung gedrängt zu haben. Er geht zwar davon aus, dass sich auch nach dieser Entscheidung die Befürworter einzelner Standorte als Verlierer fühlen werden, hofft aber dennoch, dass sich das Modell jetzt „möglichst konflikt- und reibungsarm“ umsetzen lässt.

Klaus Buck (CDU) betonte: „Der Schulentwicklungsprozess ist kein Schulschließungsprozess und auch kein Standorterhaltungsprozess.“ Seine Fraktion sehe daher bei der aktuellen Entscheidung „nur Gewinner: die jungen Menschen, die ein optimales Bildungsangebot bekommen“. Auch er hofft wegen der langen Zeit der Entscheidungsfindung auf große Akzeptanz – nicht zuletzt für die Idee, am Rauner-Campus einmal eine gemeinsame Gemeinschaftsschule zu entwickeln.

Ralf Gerber (Freie Wähler) dankte den zahlreichen Zuhörern für ihr Mitwirken an der Schulentwicklungsplanung und plädierte für die Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit, da er nicht davon ausgeht, dass die Diskussion jetzt beendet ist. Für die Fortsetzung sorge sicher schon die Landespolitik. Konkret auf Kirchheim bezogen, stellte er fest: „Die heutige Entscheidung ist ein richtiger und wichtiger Zwischenschritt. Aber sie ist noch lange nicht das Ende oder gar eine Langlebigkeitsgarantie für einzelne Schulen oder Standorte.“

Sabine Bur am Orde-Käß, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, freute sich über die Stärkung des Schulstandorts Kirchheim durch die Campuslösung. Wenn sich dort eine starke Gemeinschaftsschule entwickle, werde Kirchheim auch „attraktiver für Schüler aus den Umlandkommunen“.

Die Fraktionsvorsitzende der Frauenliste, Dr. Silvia Oberhauser, sieht im Rauner-Campus ebenfalls die beste Lösung: „An der Teck-Realschule besteht ein dringender Sanierungsbedarf, und im Gegensatz zu Ötlingen ist der Standort Rauner für die Teck-Realschule mehrheits- und konsensfähig.“ Außerdem entspreche dieses Modell am besten dem Elternwillen.

Katja Seybold (CIK) sprach von einer „schweren Entscheidung“, die dem Versuch gleiche, sich mit einer zu kurzen Decke zuzudecken. Auch gebe es hier nicht nur Sieger. Trotzdem hofft sie, dass es gelingen möge, eine starke Gemeinschaftsschule in Kirchheim zu entwickeln, die mehr ist als nur eine „Umetikettierung der Hauptschule“.

Bernhard Most, der Vorsitzende der FDP/KiBü-Fraktion, dankte ebenfalls für die konstruktive Mitarbeit der Eltern und der Kollegien an den Schulen. An diejenigen, die sich als Verlierer fühlen könnten, appellierte er, „die Chancen zu sehen und nicht nur die Nachteile“. Der Gemeinderat könne ohnehin nur die Standorte vorgeben. Über die Schularten dagegen entscheiden ausschließlich die Eltern und die Kollegien.

Die Ortsvorsteher von Ötlingen, Lindorf und Jesingen betonten, dass sie die Entscheidung durchaus akzeptieren können. Für Ötlingen und Lindorf könne allerdings der Schulstandort Wendlingen zu Abwanderungen führen, die sich dann sogar im Vereinsleben der Ortsteile bemerkbar machen dürften.

Die Entscheidung für das Modell vier und die damit verbundene Campuslösung fiel einstimmig, und auch die vielen Zuhörer verhielten sich während der Debatte äußerst diszipliniert. Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker stellte deshalb erfreut fest: „Eine Entscheidung zur Schulentwicklungsplanung, die so breite Zustimmung findet, das gibt es nicht in vielen Städten.“

An der Sache ist nur „ein“ Knopf

Der Kirchheimer Gemeinderat hat nach langem Ringen nun endlich einen Knopf an die Schulentwicklungsplanung gemacht. Allerdings ist es eben nur „ein“ Knopf und nicht „der“ Knopf schlechthin. Für die Schulen, die ihre Hoffnungen auf ein Fortführen der Sekundarstufe I nun aufgeben müssen, ist die jetzige Entscheidung tatsächlich der Schlusspunkt. Dort wird sich in dieser Hinsicht wohl auch nichts mehr entwickeln. Umso stärker muss das Augenmerk darauf liegen, das Beste aus der Situation zu machen und die Standorte zu Zentren der Bildung im Kindesalter umzugestalten – von der Kleinkindbetreuung bis zum Grundschulabschluss. Das kann und wird diese Standorte auf eine ganz andere Art aufwerten, als bisher gedacht.

Aber auch für die Schulen und die Standorte, die jetzt „gerettet“ sind, ist noch längst nicht alles ausgestanden. Die Entwicklungen, die zur jetzigen Entscheidung geführt haben, werden weitergehen: Die Schülerzahlen gehen zurück, Eltern und Kinder werden sich weiterhin verstärkt für das Gymnasium – oder „wenigstens“ für die Realschule – entscheiden. In absehbarer Zeit dürften in Kirchheim erneute Diskussionen um die Schließung von Schulstandorten beginnen.

Bleiben zwei Dinge zu hoffen: Erstens, dass auch bei weiteren Diskussionen der Austausch von „wirklichen“ Argumenten im Vordergrund steht, dass also konsensorientiert gearbeitet wird und nicht nach dem Sankt-Florians-Prinzip. Zweitens bleibt zu hoffen, dass der Rauner-Campus seinen Vorschusslorbeeren gerecht werden kann. Wenn sich dort eine starke Gemeinschaftsschule etablieren würde, wäre das sicher gut für den Schulstandort Kirchheim. Aber letztlich wird auch darüber keine Entscheidung in den Gremien getroffen, weder im Gemeinderat noch im Gesamtelternbeirat. Diese Entscheidung treffen die Eltern und ihre Kinder ganz individuell: Es wird – wie so oft – eine Abstimmung mit den Füßen werden.ANDREAS VOLZ