Lokales

Der tägliche Kampf um Parkplätze

Anwohner, Schüler, Berufstätige und Auspendler machen sich kostenlose Stellflächen streitig

Die Straßen in den Wohngebieten rund um Kirchheims Innenstadt sind Tag für Tag mit parkenden Autos vollgestellt. Menschen, die zur Arbeit kommen oder aber auf die S-Bahn umsteigen, stellen dort gern kostenlos ihr Vehikel ab. Das ­ärgert die Anwohner gewaltig.

Dicht an dicht stehen die Blechkarossen tagsüber in den kleinen Straßen in der Nähe von Kirchheims Innenstadt.Foto: Jean-Luc Jac
Dicht an dicht stehen die Blechkarossen tagsüber in den kleinen Straßen in der Nähe von Kirchheims Innenstadt.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Parken ist ein Dauerthema in Kirchheim. Im April haben die Fraktionen der CDU, Freie Wähler, SPD, FDP/KiBü im Gemeinderat gemeinsam eine Untersuchung des Parkplatzangebotes in der Stadt beantragt. Das Ergebnis liegt jetzt vor. Stadtplaner Gernot Pohl schilderte den Konflikt: Einerseits gilt die Erreichbarkeit der Innenstadt samt Abstellmöglichkeiten von Autos in Altstadtnähe als überlebensnotwendig für den Handel. Andererseits stehen Flächen, die als Parkplatz genutzt werden, im Widerspruch zu einem geschlossenen Stadtbild. Laut städtischer Statistik weist die Innenstadt samt Bahnhof im Jahr 2014 über 700 Parkplätze mehr auf als im Jahr 2004. Sie stehen der Allgemeinheit kostenpflichtig zur Verfügung.

Besucher der Stadt, also Kunden, Touristen oder Arbeitspendler, weichen gern zum kostenlosen Parken in Nebenstraßen aus. Das wiederum stößt den Anwohnern sauer auf. Sie haben allerdings kein verbrieftes Recht auf einen Parkplatz vor ihrem Haus, wie Pohl klarmachte: Öffentliche Straßen finanziert schließlich der Steuerzahler.

Speziell fürs Paradiesle wurde jetzt die Möglichkeit des Anwohnerparkens mit den Bürgern diskutiert. Ins Paradiesle weichen viele Klinikbeschäftigte zum Parken aus. Aber auch das Klosterviertel wird gern als Parkplatz genutzt für Menschen, die in die Innenstadt wollen. Ganz schlimm präsentiert sich die Situation zwischen den Berufsschulen und dem Bahnhof. Auch dort existiert ein Angebot an kostenpflichtigen Plätzen, allerdings machen sich S-Bahn-Pendler und Berufsschüler gegenseitig die kostenlosen Plätze streitig.

Überall gilt: Jeder, der mit dem Rad oder gar zu Fuß kommt, brauch schon mal keinen Parkplatz. Deshalb wird das Ziel des Gemeinderats, den Radverkehranteil zu steigern, zur Entlastung beitragen, wie Pohl sagte.

CDU-Fraktionschef Dr. Thilo Rose wehrte sich dagegen, Parkplätze am Bahnhof der Innenstadt zuzurechnen und plädierte generell für Parkplätze aller Art: Parken bedeute Wirtschaftsförderung. Außerdem sei die Innenstadt auch nach Geschäftsschluss belebt, wenn vielerorts geparkt werde. Von Bettina Schmauder (Freie Wähler) kam die Anregung, mit dem City Ring, dem BDS und den beruflichen Schulen nach einer Gesamtlösung zu suchen. Klar sei, dass Kunden in der Innenstadt genügend Parkplätze zur Verfügung stehen müssten. SPD-Stadtrat Andreas Kenner beschrieb eine „Karawane“, die die arbeitende Bevölkerung morgens im Klosterviertel bilde. Dann wiederum sei keinerlei Fluktuation mehr. Er hatte Verständnis dafür, dass beispielsweise die Landkreismitarbeiter auf öffentliche Flächen auswichen, wenn von ihnen Gebühren verlangt würden: „So gewinnt man keine Mitarbeiter!“ spielte er auf den Fachkräftemangel speziell im Gesundheitsbereich an.

Eva Frohnmeyer-Carey von der Frauenliste nannte als Parkgebühr für eine Ganztagskraft im Krankenhaus 100 Euro. – Ein „Schnäppchen“, wie CIK-Stadtrat Hans Kiefer sofort betonte. „Kirchheim hat keine Parkplatznot“, legte Frohnmeyer-Carey die Meinung der Frauenliste dar und gab zu bedenken, dass überirdische Parkplätze die Attraktivität der Stadt nicht gerade erhöhten. Hans Kiefer sprach sich ebenfalls dagegen aus, das Thema zu vertiefen, sei doch nicht mit zielführenden Verhandlungen zu rechnen. Anwohnerparken funktioniere nämlich nicht befriedigend. Schon Besucher der Anwohner hätten keine Parkberechtigung.

Albert Kahle (FDP/KiBü) hinterfragte, ob sich neben der Zahl der Parkplätze auch die der zugelassenen Autos beziehungsweise der Pendler erhöht hätte gegenüber 2004. Karl-Heinz Schöllkopf von den Grünen meinte leicht ironisch mit Blick auf die belegten Plätze, die Stadt benötigte eigentlich ein „Immobilitätskonzept“ und lenkte auf den darin steckenden Begriff der Immobilie über, um so auf den Gegenwert für einen Parkplatz zu kommen. „Umsonst parken in der Stadt spiegelt den Wert nicht wider“, lautet seine Erkenntnis.

Bürgermeister Günter Riemer nannte als Modell, über das sich diskutieren lasse, die städtische Praxis: Demnach erhält jeder Mitarbeiter, der via ÖPNV anreist, einen Zuschuss in Höhe von 75 Prozent auf sein Ticket. „Gebühren müssen erhoben werden“, lautete das abschließende Statement von Verkehrsplaner Jochen Richard. Er nannte als Faustregel, dass Parken im Straßenraum immer teurer sein müsse als Parken im Parkhaus. Ein Parkleitsystem behebe übrigens das Problem nicht: Dabei handle es sich nicht um ein Mittel der Verkehrslenkung, sondern allenfalls des Stadtmarketings.

Mit fünf Gegenstimmen aus den Reihen von CIK und Frauenliste hat der Kirchheimer Gemeinderat die Verwaltung mit der Umsetzung eines Konzepts zum Anwohnerparken in innerstädtischen Gebieten beauftragt. Die Erfahrungswerte aus dem Paradiesle fließen ein, außerdem sollen in allen innerstädtischen Quartieren und der Altstadt Gespräche mit Anwohnern geführt werden. City Ring, BDS und die Kreisberufsschulen werden einbezogen.

UmsonstKommentar

Umsonst muss er unbedingt sein, der Parkplatz. So denken viele Kirchheim-Besucher und vor allem Arbeitnehmer, die ihren fahrbaren Untersatz tagsüber loswerden wollen. Dabei gibt es in Kirchheims Parkhäusern und auf öffentlichen Parkplätzen durchaus günstige Monatstarife, und auch für einen langen Einkaufsbummel dürften zwei Euro Tagesgebühr nicht zu viel sein.

Doch umsonst ist halt noch billiger. – Wenn auch nur auf den ersten Blick. Denn in Wahrheit ist die Parkplatzsuche in Wohngebieten oft „umsonst“, nämlich im Sinne von vergebens. Umsonst mit der Bedeutung von kostenlos ist sie wahrlich nicht: Sage und schreibe 70 Prozent allen innerstädtischen Verkehrs entfällt laut Stadtplaner Pohl in deutschen Städten auf reinen Park-Such-Verkehr! Das kostet nicht nur Spritgeld, es erzeugt Lärm, Abgase, Gefahren und Frust. Es nervt letztlich die Suchenden, die Anwohner und Stadtbesucher, die per pedes oder auf dem Rad des Weges kommen.

Doch wie sieht die Lösung aus? Anwohnerparken ist nicht unumstritten, denn es garantiert auch den Anwohnern keineswegs ihren ersehnten Platz und vergrault ihre Übernachtungsgäste. Dass trotzdem zahlreiche Städte auf dieses Mittel setzen – siehe Göppingen oder Esslingen – zeigt, dass bessere Lösungen Mangelware sind. An Verständnis zu appellieren, dürfte nicht zum gewünschten Ergebnis führen, es wäre wohl vor allem eines – umsonst!IRENE STRIFLER