Lokales

Die Stadt im Zeichen des Fachwerks

Ausstellung im Kirchheimer Kornhaus zur Geschichte und Gegenwart gezimmerter Gebäude

Die Stadt Kirchheim präsentiert sich als Fachwerkstadt. Das ist schon seit vielen Jahren der Fall, und es ist ein guter Grund für Besucher von auswärts, nach Kirchheim zu kommen. Ab Sonntag gibt es noch einen Grund mehr: Im Kornhaus präsentiert sich die Fachwerkstadt mit einer großen Ausstellung.

Ausstellungseršffnung Fachwerk im KornhausModell des Kirchheimer Rathaus Turms
Ausstellungseršffnung Fachwerk im KornhausModell des Kirchheimer Rathaus Turms

Kirchheim. Die Ausstellung, die im Keller des Kornhauses bis 14. Oktober zu sehen ist, zeigt Ansichten und Modelle von Kirchheimer Fachwerkhäusern. Es geht dabei auch um die Geschichte der Stadt, denn kaum eines der Fachwerkhäuser ist älter als 320 Jahre. Fast die gesamte Innenstadt musste nach dem Stadtbrand von 1690 neu aufgebaut werden. Eines der wenigen älteren Fachwerkhäuser, die im Kornhaus vorgestellt werden, ist das Ötlinger Rathaus aus dem frühen 17. Jahrhundert, das vom Kirchheimer Stadtbrand natürlich nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Viele der Ausstellungsstücke stammen aus Sammlungen, die Museumsleiter Rainer Laskowski gemeinsam mit seiner Archäologie-AG in mehr als 20 Jahren zusammengetragen hat, sowie aus dem Bestand des Kirchheimer Museums. Bei einer Vorabbesichtigung der Ausstellung verwiesen sowohl Rainer Laskowski als auch Stadtarchivar Dr. Roland Deigendesch auf Leo von Stieglitz vom Landesmuseum Württemberg, der etliche der Kirchheimer Ausstellungsstücke als außergewöhnlich einschätzt. Nicht einmal das Landesmuseum in Stuttgart verfüge über Vergleichbares. An solchen herausragenden Exponaten nennt Rainer Laskowski einen hölzernen Zirkel, den die Zimmerleute einst verwendet haben, vor allem aber die Zunfttruhe der Kirchheimer Zimmerer.

In der Zunfttruhe waren einst die wichtigsten Dokumente der Zunft aufbewahrt worden. Und für das Siegel gab es innerhalb der Truhe noch ein eigenes Kästchen. Mit dem Ende des Zunftzwangs in Württemberg vor 150 Jahren hatten auch die Truhe und ihr Inhalt jegliche Bedeutung verloren. Ein Kirchheimer Zunftmitglied hat die Truhe damals allerdings in Verwahrung genommen und sie lange Zeit später dem städtischen Museum zukommen lassen. Es handelt sich in Kirchheim also um den äußert seltenen Fall, dass eine solche Truhe samt Inhalt erhalten geblieben ist.

Die vielen Fachwerkhäuser, die in Kirchheim erhalten geblieben sind, haben im Lauf der Jahrhunderte immer wieder ihr Aussehen geändert. Das ist in der Ausstellung ebenfalls deutlich zu sehen. Besonders dann, wenn es sich beim Fachwerk um reichlich ausgeschmücktes Zierfachwerk handelt, war es den Erbauern ursprünglich darum gegangen, die kunstvoll bearbeiteten und bemalten Balken offen zu zeigen und entsprechend herauszustellen.

Keine 50 Jahre nach dem Stadtbrand begann aber bereits die Zeit, in der die Fachwerkhäuser verputzt wurden. 1739, nur 15 Jahre nach der Fertigstellung des Kirchheimer Rathauses, verschwand dessen Fachwerk schon hinter einem Putz. Zurückzuführen sei das einerseits auf Bauvorschriften zum Brandschutz und andererseits auf Modeerscheinungen, wie Rainer Laskowski erzählt.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich die umgekehrte Mode durch, und auch dabei spielte das Rathaus für Kirchheim eine wichtige Rolle: 1905 wurde das Fachwerk des Hauptgebäudes freigelegt, und erst 1951/1952 folgte der Turm. Kirchheim war also immer schon eine wichtige Fachwerkstadt, aber rund 150 Jahre lang war das nach außen nicht so sichtbar wie im heutigen Erscheinungsbild der Stadt.

Dass Fachwerk nicht nur eine Augenweide ist, sondern auch ein Problem für die Hausbesitzer darstellen kann, soll in der Ausstellung aber ebenfalls thematisiert werden. Dazu gibt es einen eigenen Ausstellungsteil im Erdgeschoss, der aber nur bis 8. Juli zu sehen ist. Dieser Teil der Ausstellung ist einer der Beiträge der Stadt Kirchheim zur bundesweiten Fachwerk-Triennale 2012. Am letzten Juni-Wochenende gibt es dazu eine Fachveranstaltung in Kirchheim.

Bürgermeister Günter Riemer zufolge geht es in dem Sonderteil der Ausstellung um Fragen des Erhaltens und der energetischen Sanierung von Fachwerkgebäuden. Auch der demografische Wandel hat seine Auswirkungen auf Fachwerkstädte. Kirchheim sei davon zwar noch nicht betroffen, aber in strukturschwächeren Gegenden, die mit Einwohnerschwund zu kämpfen haben, ist der Erhalt von Fachwerkensembles noch mit weitaus größeren Schwierigkeiten verbunden.

Herausgehoben wird im Erdgeschoss des Kornhauses die Kirchheimer Spitalsanierung. „Die Freilegung des Fachwerks am Spital ist vor 35 Jahren nicht sachgerecht erfolgt“, sagt Bürgermeister Riemer. Unter anderem deshalb sei die jüngste Sanierung mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden gewesen. Die Stadt Kirchheim möchte diese Erfahrungen nun an andere Eigentümer weitergeben – seien es öffentliche oder private Eigentümer. Das Schmuckstück Fachwerkhaus jedenfalls kann trotz seiner berückenden Ästhetik schnell zur finanziellen Last und damit zur Belastung werden.

Ein Beispiel für ein – nach wie vor verkanntes – Schmuckstück ist die Kirchheimer Bruckmühle, eine von zwei Kirchheimer Mühlen, die es überhaupt noch am historischen Ort gibt. Dass Mühlen auch zum Thema „Fachwerk“ passen, zeigt die Tatsache, dass Kirchheim in Fachkreisen berühmt ist für einen der frühesten Belege einer Sägmühle. Dieser Beleg stammt aus dem 14. Jahrhundert, wie Stadtarchivar Deigendesch im Kornhaus erläuterte. Eine zweite Sägmühle ist 1691 entstanden. Das wiederum hängt wohl eng mit dem Stadtbrand zusammen und mit dem Wiederaufbau Kirchheims nach 1690.

Auf die Besonderheiten des gesägten Bauholzes dürfte der Bauforscher Tilmann Marstaller in einem eigenen Vortrag ebenso hinweisen wie auf die Wiedlöcher in den Nadelhölzern und auf die Flößerzeichen, die sich an manchen Balken noch finden lassen. Das Nadelholz kam einst aus dem Schwarzwald neckarabwärts zu den Flößerhäfen in Nürtingen und Wendlingen, von wo aus es auf dem Landweg bis Kirchheim oder auch an andere Orte transportiert wurde. Tilmann Marstallers Vortrag im Spitalkeller beginnt am Donnerstag, 28. Juni, um 19.30 Uhr.

Die Ausstellung „Fachwerk in Kirchheim unter Teck – Geschichte und Gegenwart“ wird am kommenden Sonntag, 20. Mai, um 11 Uhr eröffnet. Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker hält der Bauforscher Gerd Schäfer eine Ansprache zum Thema „Fachwerk in Baden-Württemberg heute“. Ab 13 Uhr gibt es den „Aktionstag Kirchheimer Zimmerleute“ in den Museumsarkaden, und in der Galerie im Erdgeschoss des Kornhauses zeigt Restaurator Erwin Raff alte Techniken der Gefachfüllung.

Ausstellungseršffnung Fachwerk im Kornhaushistorisches Zimmermannwerkzeug
Ausstellungseršffnung Fachwerk im Kornhaushistorisches Zimmermannwerkzeug
Die Stadt im Zeichen des Fachwerks
Die Stadt im Zeichen des Fachwerks