Lokales

Ein Reiseleiter, der sogar das Reisen thematisiert

In 25 Jahren hat Gerhard Fink für die Volkshochschule Kirchheim rund 200 Reisen betreut – mit viel Musik und Liebe fürs Detail

Seit 25 Jahren ist Gerhard Fink ein bewährter Reiseleiter der Kirchheimer Volkshochschule. Dass er überhaupt einmal Reisen anbieten würde, hätte er bis 1988 nicht gedacht. Dass er so lange dabei bleiben würde, auch nicht. Inzwischen führt er diesen Teil seiner Kirchheimer Tätigkeit sogar im Ruhestand weiter, wie er es bei seinem Abschied 2011 versprochen hatte.

Reiseleiter Gerhard Fink auf der bislang letzten seiner rund 200 Reisen, die er für die Kirchheimer Volkshochschule geleitet hat
Reiseleiter Gerhard Fink auf der bislang letzten seiner rund 200 Reisen, die er für die Kirchheimer Volkshochschule geleitet hat. Die Reise ging ins Baltikum. Das Bild oben zeigt Gerhard Fink vor dem Schloss Rundale nahe Bauska in Lettland. Auf den unteren Bildern sind die beiden anderen baltischen Länder exemplarisch vertreten, und zwar mit der Burg Trakai in Litauen (links) und mit einer Ansicht der estnischen Hauptstadt Tallinn (rechts).Fotos: Reinhard Winger

Kirchheim. Was nur für eine kurze Zeit geplant ist, hält oft am längsten: 24 Jahre lang war Gerhard Fink für die Volkshochschule und den Kulturring in Kirchheim tätig – von 1987 bis 2011. Eigentlich hatte er nur vorübergehend aus dem Schuldienst in die Erwachsenenbildung gewechselt. „Dass ich so lange bei der Volkshochschule bleiben würde, war eigentlich nicht vorgesehen. Ich konnte mir das auch gar nicht so vorstellen“, sagt er im Rückblick.

Ähnliches gilt für die Reisen. Auch dazu ist er eher zufällig gekommen und dann einfach dabeigeblieben. An die erste Reise kann er sich noch gut erinnern, auch wenn er sie nicht als „seine“ erste Reise ansieht: „Da war ich der Sozius von Heinz Reising, der als Kunstsachverständiger für die Volkshochschule viele Reisen angeboten hat.“ Weil Gerhard Fink damals öfters in Rom war, bat ihn der erfahrene Reiseleiter, dass er ihn begleitet und sich um Wegfindung und dergleichen kümmert.

Tatsächlich war er in dieser Eigenschaft als Co-Reiseleiter gerade am Tiber unterwegs, um nach dem Bus zu schauen, als sich für die Reisegruppe Dramatisches ereignete: „Da fuhr ein Auto in unsere Gruppe rein, weil ein Dieb nach einer Tasche grapschen wollte. Das Auto hat zwei von unseren Teilnehmern im Gerangel umgefahren. Als ich vom Tiber zur Gruppe zurückkam, herrschte deshalb große Aufregung.“ Die Verletzten kamen ins Krankenhaus, es war zum Glück nichts Schlimmeres passiert. Trotzdem stellt Gerhard Fink fest: „Das war kein schöner Einstand für mich.“ Aber immerhin hat er sich davon nicht abschrecken lassen.

Seine erste eigene Tour führte im Februar 1988 – also vor etwas mehr als 25 Jahren – in den griechischen Teil Zyperns. Mit Mittelmeerinseln sollte es zunächst auch weitergehen. „Rhodos und viel Kreta“, sagt Gerhard Fink lapidar, wobei ihm selbst bei der bloßen Nennung der Reiseziele eine Flut von Geschichten sowie von kulturellen und historischen Fakten in den Sinn kommen muss. Aus seinem reichhaltigen Fundus an Wissen über die entlegensten Reiseziele Europas schöpft er dann aber, wenn er von weiteren sehr frühen Reisen berichtet – nach Malta. Sofort kommt er ins Schwärmen über die „frühe Kultur auf Malta“, erinnert aber gleichzeitig daran, dass sich in 25 Jahren touristisch so manches getan und verändert hat: „Damals war Malta noch relativ ursprünglich.“

Gezählt hat Gerhard Fink seine Volkshochschulreisen nicht. Er geht aber davon aus, dass in 25 Jahren rund 200 Reisen zusammengekommen sind, „kleinere“ eingerechnet, die vielleicht nur einen oder zwei Tage gedauert haben. Die Ziele waren in ganz Europa und rund ums Mittelmeer zu finden. „Es gibt kaum ein europäisches Land, das wir nicht bereist haben“, meint Gerhard Fink. Vergleichsweise wenig berichtet er über skandinavische Länder, über die britischen Inseln und über Frankreich. Diese Länder seien nicht seine Schwerpunkte gewesen. Dafür habe es an der Volkshochschule andere Spezialisten gegeben. Ein wichtiger inhaltlicher Schwerpunkt seiner Reisen jedoch war immer die Musik – sei es der Besuch eines Musik-Festivals oder auch „nur“ die passende CD im Bus, deren Musik beispielhaft ist für den Ort, der gerade besucht wird, oder für die Epoche, die der Ort repräsentiert.

In Italien wiederum hat Gerhard Fink schon frühzeitig das Reisen selbst zum Thema seiner Reisen gemacht: „Ich habe mit ,Wege nach Rom‘-Reisen angefangen und versucht, antike oder auch mittelalterliche Straßenverläufe nachzuvollziehen.“ Entgegen heutiger Vorstellungen von Traumstraßen entlang der Küste mit Meerblick habe die Via Francigena im Mittelalter beispielsweise die Nähe zum Meer vermieden. Der Grund dafür war ganz einfach: Die Gefahr, von Seeräubern überfallen zu werden, war viel zu groß.

Die Verantwortung für „seine“ Teilnehmer lastet natürlich auch im 21. Jahrhundert noch auf dem Reiseleiter Gerhard Fink. Deshalb ist er auch sehr froh darüber, dass in 25 Jahren nichts passiert ist, was mit dem Vorfall in Rom vergleichbar wäre. In Syrien gab es einmal eine „wilde Tour“ mit einem tollkühnen Busfahrer. Zwischendurch musste der festgefahrene Bus von einem Panzer rausgezogen werden. Für Gerhard Fink ist das der „ganz seltene Fall eines unzuverlässigen oder nicht zurechnungsfähigen Busfahrers“ gewesen.

Noch eine andere Anekdote erzählt er, und die ist eigentlich mehr als harmlos: Im Osten Ungarns hatte eine Teilnehmerin versehentlich ihren Koffer gepackt und zum Einladen bereitgestellt, weil sie meinte, dass die Gruppe an diesem Tag weiterreise. Tatsächlich aber war es eine andere deutsche Gruppe, die mit dem Bus abreiste. In einer Zeit ohne Mobiltelefone versuchte Gerhard Fink zu veranlassen, dass der Bus an der Grenze gestoppt werde, so dass der Koffer ausgeladen und vielleicht zurückgeschickt werden könne. Während seiner eigenen Stadtführung stieß er allerdings auf genau den Bus, den er bereits auf dem Weg zur Grenze wähnte. Nach einiger Überredung öffnete der Busfahrer seine Gepäckräume, und der Koffer war gleich gefunden. Kleiner amüsanter Nachtrag: Als Gerhard Fink und die Teilnehmerin wieder zu ihrer Gruppe stießen, war die gerade in der Kirche des heiligen Antonius – des Schutzpatrons für das Wiederauffinden verlorener Gegenstände.

Ungarn ist übrigens ganz typisch für die Fink‘schen Reiseziele der vergangen 25 Jahre: Schon frühzeitig hat er damit begonnen, die einstigen Ostblock-Länder zu bereisen. Eines der ersten war die damalige Tschechoslowakei, die sich auch schon vor dem Mauerfall und dem Umbruch im Osten für den Tourismus geöffnet hatte. Prag und Böhmen, aber auch Mähren – das sind einige der Lieblingsziele Gerhard Finks.

Eine „denkwürdige“ Reise führte ihn 1990 „kurz vor dem 3. Oktober“ über Leipzig und Dresden nach Prag. Bei einer Übernachtung in einem uralten Gasthof irgendwo in Sachsen zeigte sich, wie sanierungsbedürftig die Gebäude waren: Die Kirche im Ort war ringsum abgesperrt, weil Ziegel vom Dach fielen. „In den letzten Tagen der DDR herrschte dort ein abartiger Glaube an den reichen Onkel im Westen, der alles richtet.“ In Prag sei es anschließend ganz anders gewesen: „Dort waren die Leute realistischer. Die wussten, es kommt hart für sie, weil der reiche Onkel fehlt.“

Irgendwann hat Gerhard Fink festgestellt, dass er auch Deutschland bereisen müsse, weil es in der Heimat ebenfalls viel zu sehen gebe. Zum Beispiel ist er von seiner eigentlichen Heimat – dem bayrischen Schwaben – regelrecht begeistert. Von den barocken Kleinodien hebt er besonders die Frauenkirche in Günzburg hervor, „die so luzide gebaut ist, dass man meint, durch den Chor hindurchsehen zu können“. Allerdings gibt es trotz der barocken Pracht, die dort heute zu bewundern ist, eine Parallele zu vielen seiner früheren Reiseziele im Osten Europas: „Vor 40 oder 50 Jahren war auch die Günzburger Frauenkirche noch in einem ganz erbärmlichen Zustand.“

Bei der jüngsten Reise jetzt im August ins Baltikum ging es zwar nicht um Deutschland, aber doch auch um einen interessanten Teil der deutschen Geschichte: In Nida oder Nidden auf der Kurischen Nehrung beispielsweise hat Thomas Mann in den frühen 1930er-Jahren mehrfach die Sommerferien mit der Familie verbracht. Den Anfang des deutschen Engagements im Baltikum hatten einstmals die Hanse und der Deutsche Orden gemacht. Die Deutschbalten gehörten bis ins 20. Jahrhundert hinein zur gebildeten Oberschicht. Und schließlich kann Gerhard Fink noch mit einem historischen Detail aufwarten, bei dem die Kandidaten jeder Quiz-Show überfordert wären: Zwischen Juli und November 1918 war ein gewisser Wilhelm von Urach, Graf von Württemberg, der gewählte König von Litauen. Wäre es je dazu gekommen, dass er den Thron auch bestiegen hätte, dann hätte er dort unter dem Namen „Mindaugas II.“ geherrscht.

Mit solchen Details möchte Gerhard Fink sein treues Stammpublikum noch möglichst lange erfreuen: „Ich will keine vollmundigen Versprechungen machen. Aber an mir soll‘s nicht liegen, solange die Gesundheit mitmacht.“ Ab 75 aber, meint er, wäre er dann doch lieber als Teilnehmer dabei und nicht mehr als rundum verantwortlicher Organisator.

Gerhard Fink, 25 Jahre Reiseleiter Volkshochschule / Kulturring, Fotograf: Reiner Winger
Gerhard Fink, 25 Jahre Reiseleiter Volkshochschule / Kulturring, Fotograf: Reiner Winger
Gerhard Fink, 25 Jahre Reiseleiter Volkshochschule / Kulturring, Fotograf: Reiner Winger
Gerhard Fink, 25 Jahre Reiseleiter Volkshochschule / Kulturring, Fotograf: Reiner Winger