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„Eine alternde Demokratie braucht junge Demokraten“

In der Realschule Weilheim können sich Schüler ab sofort in einer Ausstellung über Rechtsextremismus informieren

Katharina Vatter und Sarah Elgezdi (Mitte) informieren ihre Mitschüler bei der Ausstellungseröffnung über Frauen in der rechten
Katharina Vatter und Sarah Elgezdi (Mitte) informieren ihre Mitschüler bei der Ausstellungseröffnung über Frauen in der rechten Szene.Foto: Deniz Calagan

Weilheim. Einem Neonazi ist Katharina Vatter noch nie begegnet. Sie weiß aber, dass es sie nicht nur irgendwo im Osten Deutschlands gibt, sondern auch ganz in unserer

Nähe. Als sie hörte, dass in Winterbach im Rems-Murr-Kreis Rechtsextreme eine Gartenlaube angezündet haben sollen, in der Jugendliche mit Migrationshintergrund eine Party feierten, war sie erschüttert. „Das ist doch kein Grund, so etwas zu tun“, findet sie.

Katharina Vatter ist eine von 14  Neuntklässlern der Realschule Weilheim, die dank einer Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung Experten für das Thema Rechtsextremismus geworden sind. Sie führen ihre Mitschüler im Geschichts- oder EWG-Unterricht (Erdkunde-Wirtschaft-Gemeinschaftskunde) durch die Schau, die auf 16 Tafeln die verschiedenen Facetten des Rechtsextremismus, besonders in Baden-Württemberg, zeigen. Zwei Wochen lang werden die Tafeln zu sehen sein, die von Schülern und interessierten Bürgern auch ohne Führung besichtigt werden können. „Dass die Schüler ihren Mitschülern etwas über das Thema erzählen, finde ich eine tolle Idee“, sagt EWG-Lehrerin Marieluise Ritter, die die Ausstellung an die Schule geholt hat. Dadurch würden die Inhalte quasi auf Augenhöhe vermittelt.

Auch Sarah Elgezdi hat sich freiwillig als Expertin gemeldet. Sie freut sich darüber, endlich ein wenig mehr über Demokratie zu erfahren. „Bisher wusste ich nicht so viel. Jetzt kann ich zu Hause mitreden, wenn mein Vater über Politik spricht“, sagt sie. Direkte Erfahrungen mit Rechtsextremen hat die türkischstämmige Schülerin noch keine gemacht. „Aber an meiner alten Schule in Ulm gab es einen Schwarzen, der von Mitschülern gemobbt wurde“, sagt sie, und schiebt vorsichtig hinterher: „Aber nur ein bisschen“. „Mobbing ist Mobbing“, wendet eine weitere Mitschülerin ein, die daneben steht.

Dass Rechtsextremismus nicht immer offen, sondern oft versteckt daherkommt, macht Rektor Winfried Rindle in seiner Einführung klar. „Latenter Rechtsextremismus zeigt sich im ganz gewöhnlichen Alltag“, sagt er, und wirft einige Fragen auf: „Wie reagieren wir auf Menschen mit anderer Hautfarbe, anderer Sprache, anderen Gewohnheiten? Sehen wir sie als Mitbürger oder als Gefahr?“. Die Ausstellung wolle dazu anregen, über diese Fragen nachzudenken.

Laut Vinzenz Huzel, Referent bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, liegt das Einstiegsalter in die rechte Szene bei zwölf bis 14 Jahren. „Deshalb ist die Aufklärung der jungen Menschen so wichtig.“ Eine älter werdende Demokratie brauche vor allem auch junge Demokraten, sagt er in Abwandlung des Friedrich-Ebert-Zitats „Demokratie braucht Demokraten“. Die Wanderausstellung wolle zeigen, warum es sich lohnt, gegen Rassismus aufzustehen und sich für ein friedliches Miteinander einzusetzen. Wer glaubt, dass es hierzulande keine Neonazi-Szene gibt, wiegt sich laut Huzel in falscher Sicherheit. „Die Jugendorganisation der NPD hat in Baden-Württemberg ihren stärksten Landesverband.“ Die Angebote der Jungen Nationalisten reichten von Fußballturnieren über Freizeiten bis hin zu sogenannten Schulhof-CDs.

Seit 2010 ist das Fritz-Erler-Forum, das baden-württembergische Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung, mit den Schautafeln im Ländle unterwegs. „Die Reaktionen waren überwiegend positiv, aber es waren auch negative Reaktionen von Menschen dabei, die sich von der Ausstellung angesprochen fühlten“, sagt Vinzenz Huzel. Auch nicht alle Schüler verhielten sich so, wie es sich die Macher gewünscht hätten. Nachdem Lehrer Buttons mit rechten Symbolen an den Jacken ihrer Schüler gefunden hatten, wurde dieser Teil der Ausstellung, der sich neonazistischen Symbolen widmete, gestrichen.