Lokales

Einst verfemt – heute geschützt

Der Habicht ist Vogel des Jahres 2015

Jedes Jahr erklärt der Naturschutzbund Deutschland (NABU) eine ganz bestimmte Art zum „Vogel des Jahres“. Heuer fiel die Entscheidung auf den Habicht.

Den Habicht bekommen nur wenige Menschen zu Gesicht. Foto: Wulf Gatter
Den Habicht bekommen nur wenige Menschen zu Gesicht. Foto: Wulf Gatter

Region. Zweck der Aktionen „Vogel des Jahres“ ist es, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf besonders bedrohte und schützenswerte Tierarten zu lenken. Für dieses Jahr fiel die Entscheidung auf den Habicht, einen Greifvogel, dessen Name allgemein bekannt ist – auch als „Hühnerhabicht“ – den aber die wenigsten Menschen je zu Gesicht bekommen.

Seit über 60 Jahren beschäftigt sich Dr. Hermann Weber mit der Verbreitung und Lebensweise dieser faszinierenden Greifvogelart. Im Gegensatz zu den relativ leicht zu beobachtenden Bussarden, Milanen und Turmfalken handelt es sich beim Habicht um einen äußerst heimlichen und scheuen Waldbewohner. Unter den Greifen gehört der Habicht zu den sogenannten Pirsch- und Startflugjägern, das heißt, die etwa bussardgroßen Vögel schlagen die Beute durch einen blitzschnellen Überraschungsangriff. Die Weibchen werden bis 125 Gramm schwer und haben eine Flügelspannweite bis zu 1,20 Meter, das Männchen ist um ein Drittel kleiner. Der speziell angepasste Körperbau – kräftige Flugmuskeln, relativ kurze, aber breite Schwingen und ein langer Steuerschwanz – ermöglicht ein wendiges Manövrieren auch im dichten Unterholz.

Die Wissenschaft hat dem Habicht die landschaftsbiologische Ordnungszahl 2/3000-5000/3-4 zugeordnet, das bedeutet, ein Paar (2) beansprucht ein Jagdrevier von 3 000 bis 5 000 Hektar Wald, Wiesen und Felder, um im Jahr drei bis vier Junge aufzuziehen.

Das Beobachtungsgebiet von Hermann Weber umfasst Teile der Mittleren Alb und des Albvorlandes der Kreise Esslingen und Göppingen. Auf dieser Fläche konnte er im Frühjahr 2014 vier Habichtpaare bestätigen, von denen drei erfolgreich gebrütet haben.

Der Habicht war in der Region nie ein häufiger Greifvogel. Zum Beutespektrum zählen sowohl Kleinsäuger, von der Maus über Eichhörnchen bis zum Hasen, aber auch eine Vielzahl von Vögeln wie Drosseln, Eichelhäher, Tauben und andere. Bis zu 4 000 Gramm an „Beutemasse“ erfordert die tägliche Versorgung von drei bis vier ausgewachsenen Jungvögeln.

Tatsache ist, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Habichtpaare deutschlandweit – mit Ausnahmen – abgenommen hat. Auch in den von Hermann Weber kontrollierten Waldgebieten sind zahlreiche Brutreviere verwaist. Die Jagd als Negativfaktor ist aus heutiger Sicht auszuschließen, wenn auch durchaus mit einzelnen illegalen Abschüssen gerechnet werden muss. Der Habicht ist heute, wie alle einheimischen Greifvögel, eine ganzjährig geschützte Vogelart. Für Jäger ist er längst kein Konkurrent mehr. Hasen werden mangels Zahl kaum noch bejagt und die einst reichen Rebhuhnvorkommen sind in der Region völlig erloschen.

„Seit etwa 1970 sind wir Zeugen von gewaltigen landschaftsökologischen Veränderungen. Großflächige Agrarstrukturen mit lebensfeindlichen Maiswüsten beherrschen die Landschaft“, erklärt der Kirchheimer Ornithologe. Bei vielen Tier- und Pflanzenarten ist ein geradezu dramatischer Artenschwund zu beobachten, manche Vogelarten sind ausgestorben. Habichte brauchen aber Lebensräume mit einem reichen Beuteangebot. „Diese Bedingung ist heute nicht mehr gegeben und Rabenkrähen, die in Massen die Felder bevölkern und sich als ,Ersatzbeute‘ anbieten würden, sind in einem deckungsfreien Umfeld nur schwer zu erjagen“, so Hermann Weber.

Habichte sind Greifvögel, die nicht nur eine versteckte Lebensweise zeigen, sie reagieren auch äußerst empfindlich auf Störungen. So konnte der Biologe beobachten, dass Holzarbeiten bis in den April hinein zur Aufgabe eines Brutplatzes führten. „Auch der Einsatz von Großmaschinen beim Holzeinschlag und die Vielzahl von Freizeitaktivitäten in den Wäldern führen zu einer zunehmenden Unruhe und stellen sicherlich in Bezug auf den Habicht ein Problem dar“, ist Hermann Weber überzeugt. pm