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In Esslingen sind die Füchse losInfo

Geschätzte 1 000 Tiere leben in der Stadt – Stadt und Jäger sind machtlos

In Esslingen wühlen sich Füchse durch Gärten und Mülltonnen, auf dem Friedhof in Oberesslingen haben sie sogar eine Grabstätte unterhöhlt. Doch was auch immer Stadt und Jäger gegen die neuen Nachbarn unternehmen – am Ende sind sie machtlos.

Von vielen gefürchtet und gehasst: Der Fuchs dringt immer weiter in die Esslinger Wohngebiete ein.Foto: dpa
Von vielen gefürchtet und gehasst: Der Fuchs dringt immer weiter in die Esslinger Wohngebiete ein.Foto: dpa

Doris Brändle

Esslingen. Die Zahl der Füchse, die aus den Wäldern in die Städte umsiedeln, ist in den vergangenen 15 Jahren enorm gestiegen. Denn das Stadtleben ist bequemer und die Tollwut rafft sie nicht mehr dahin. Verlässliche Zahlen, wie viele Füchse in Esslingen leben, gibt es nicht. Wenn Landesjägermeister Dieter Deuschle, zu dessen Revier Hegensberg gehört, hochrechnet, kommt er auf geschätzte 1 000. Die Stadtfüchse streifen durch Gärten, sitzen vor der Tür, vor einigen Wochen ist sogar einer auf dem Esslinger Marktplatz gesehen worden. Sie holen sich ihr Fressen aus Mülltonnen, Komposthaufen oder werden sogar gefüttert. Zurzeit sieht man besonders viele, weil die Jungfüchse sich eigene Reviere suchen.

Auch Thomas Zink, Leiter des Esslinger Friedhofsamtes, begleitet das Thema Fuchs seit einigen Jahren. Seines Wissens ist bisher nur der Berkheimer Friedhof von der Fuchsplage verschont geblieben. Der Anblick eines zerwühlten Grabes ist für viele Angehörige belastend, mancher Friedhofsgärtner ist erbost. „Man muss häufig gucken, ob die Gräber noch in Ordnung sind“, berichtet Erich Thiel, Senior-Chef einer Gärtnerei in Hegensberg. „Wir haben zum Teil sogar Fuchsbauten in Grabstätten“, sagt Thomas Zink, „auf dem Friedhof in Oberesslingen wurde ein Grab richtig unterhöhlt.“

Was aber treibt die Tiere auf die Friedhöfe? Nach Zinks Ansicht ist das Problem hausgemacht: „Viele Besucher entsorgen ihren Hausmüll auf dem Friedhof.“ Aus den Behältern, die für Plastikfolien und Grüngut vorgesehen sind, zerren die Tiere Essensreste. Was tut die Stadt dagegen? „Wir haben zwei Kastenfallen, die wir abwechselnd auf den Friedhöfen der Stadt aufstellen“, sagt Zink. Der Erfolg ist mäßig: Neben den Katzen der Umgebung geht nur von Zeit zu Zeit mal ein Jungfuchs in die Falle, ausgewachsene Füchse sind zu schlau. Die Mitarbeiter des Friedhofsamtes gucken zweimal täglich nach den Fallen. Wenn ein Fuchs drin ist, kommt ein Jäger und erschießt ihn. „Die Tiere im Wald auszusetzen, bringt leider nichts“, sagt Zink. „Die wären morgen wieder da. Sie sind sehr standorttreu.“ Gegen die Fuchsbauten auf den Friedhöfen ist die Stadt letztlich machtlos: „Wir haben schon alles versucht: Wir haben Glasscherben in die Bau-Eingänge gelegt und Behälter mit Petroleum. Wir haben sie auch schon mit Beton ausgegossen“, sagt Zink. Doch die Füchse graben sich einfach einen neuen Gang. Giftköder kommen wegen der Katzen, aber auch wegen der Eichhörnchen und Vögel auf den Esslinger Friedhöfen nicht infrage.

„Das ist doch ein Witz, was die Stadt tut“, findet Maria Dijk, die von der Fuchsplage betroffen ist. Wie viele Esslinger fordert auch sie eine härtere Gangart gegen die Tiere. Nur welche? „Die Füchse aus der Stadt zu vertreiben, ist völlig sinnlos“, sagt Jäger ­Deuschle. Denn aus einem Stadtfuchs werde nun mal kein Waldfuchs mehr. Die Wohngegenden und Friedhöfe sind laut Jagdrecht befriedete Bezirke. Wer hier auf Fuchsjagd gehen will, braucht eine Sonderschussgenehmigung. Im Landkreis Esslingen kriegt er die nicht. „Viel zu gefährlich“, meint Waldemar Schwarz, Leiter des Kreisjagdamts Esslingen. Auch Deuschle sagt: „In der Bebauung mit einem Kleinkaliber zu schießen, ist brandgefährlich. Sogar Schrot hat eine Reichweite von 300 oder 400 Metern. Ich empfehle dringend: Bleiben lassen!“ Das Kreisjagdamt erteilt lediglich von Zeit zu Zeit Ausnahmegenehmigungen an Grundstückseigentümer, eine Falle aufzustellen. Im Stadtgebiet Esslingen hat er 2010 zwei Genehmigungen erteilt, in diesem Jahr waren es bisher fünf.

„Grund für die Angst vor dem Fuchs ist bei den meisten der Fuchsbandwurm. Nahezu die Hälfte der Füchse trägt ihn in sich.“ Das Infektionsrisiko für den Menschen sei dennoch sehr gering, sagt Gerd Schütze vom Esslinger Gesundheitsamt. An das Robert-Koch-Institut wurden aus ganz Baden-Württemberg im Jahr 2010 nur neun Infektionen gemeldet. Nur die wenigsten Menschen werden krank, wenn sie über den Fuchskot mit Bandwurmeiern in Berührung kommen. Wenn die Krankheit im Frühstadium erkannt wird, kann sie geheilt werden. Ist sie fortgeschritten, helfen Medikamente, die aber lebenslang geschluckt werden müssen.

Gegen die Tollwut wurden in den 80er-Jahren Impfköder erfolgreich ausgelegt. Könnte man die Füchse so nicht auch flächendeckend entwurmen? In Bayern habe es immer wieder Versuche mit Entwurmungsködern gegeben, erklärt Gerhard Stehle, Leiter des Veterinäramts Esslingen. „Aber man ist davon wieder abgekommen: Es ist rechtlich schwierig, solche Medikamente in der freien Natur auszubringen.“ Außerdem muss man sicherstellen, dass der Fuchs alle sechs Wochen so einen Köder kriegt. Denn sobald er eine befallene Maus frisst, geht es wieder los. „Die Entwurmung ist unpraktikabel und sehr, sehr teuer - gerade angesichts des überschaubaren Risikos“, ist Stehles Fazit. Außerdem: „Dieses negative, gefährliche Image, das der Fuchs hat, ist völlig überzogen. Wir müssen uns an ihn gewöhnen.“