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Jeder Einzelne zählt

Aufruf zur Typisierungsaktion für Karoline Schrötter am 10. Juli in Ötlingen

Am Sonntag, 10. Juli, sollten sich möglichst viele gesunde Menschen zwischen 18 und 55 Jahren in der Ötlinger Eduard-Mörike-Halle einfinden. Gesucht wird ein möglicher Stammzellspender für die 18-jährige Karoline Schrötter aus Ötlingen, die bereits zum zweiten Mal an Leukämie erkrankt ist.

Jeder Einzelne zähltSpendenkonto
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Kirchheim. Für die Typisierungsaktion hat Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker die Schirmherrschaft übernommen: „Ich bin bei einem Bürgersprechtag informiert worden, und es stand für mich außer Frage, dass ich selbstverständlich tue, was ich tun kann: vermitteln und zur Teilnahme an der Aktion aufrufen.“ Sie selbst hat sich bereits vor vier Jahren typisieren lassen, als in einem anderen Fall circa 1 100 Menschen ins Kirchheimer Steingau-Zentrum gekommen waren, um sich fünf Milliliter Blut entnehmen zu lassen.

Dieses Blut wird im Anschluss an eine Typisierungsaktion in einem Labor auf seine Gewebemerkmale hin überprüft. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) sammelt und speichert die Merkmale und überprüft weltweit, ob Spender aus Deutschland leukämiekranken Menschen mit einer Stammzellspende das Leben retten können. Für Kirchheims Oberbürgermeisterin war es vor vier Jahren „ein gutes Gefühl, mit dem helfen zu können, was ich habe“. Und so hofft sie auch, dass am 10. Juli von 10 bis 16 Uhr wieder mehr als 1 000 Menschen bereit sind, ihre Hilfe ebenfalls zur Verfügung zu stellen.

Karoline Schrötter und ihre Familie hoffen, dass sich dabei vielleicht ein „genetischer Zwilling“ finden lässt, der für die Schülerin zum Lebensretter werden kann. Karolines Mutter Brigitte Tröster erzählt von der gemeinsamen Leidensgeschichte: „Im Februar 2008 ist meine Tochter erstmals an Leukämie erkrankt. Da-rauf folgten eineinhalb Jahre Intensivtherapie. Nach der Hälfte der Zeit hieß es, dass keine Transplantation von Stammzellen nötig ist. Das war eine schöne Nachricht damals.“ Es ging aber nicht nur darum, dass Karoline eine Transplantation erspart geblieben wäre. Es ging auch darum, dass seit 2008 in keiner Datei weltweit ein geeigneter Stammzellspender für die Ötlingerin verzeichnet ist.

Die Chemotherapie wurde ordnungsgemäß zu Ende gebracht. Auf die Intensivtherapie folgte eine einjährige Erhaltungstherapie. Im Oktober 2010 war alles fertig. „Als geheilt gilt man aber erst nach fünf rückfallfreien Jahren“, sagt Brigitte Tröster. In diesen fünf Jahren steht alle vier Wochen eine Blutkontrolle an.

Und bei der Kontrolle nach Ostern wurde ein Rückfall diagnostiziert. Für Karoline, die in Wendlingen die Realschule besucht, ging alles von vorne los. Wieder musste sie in die Klinik – und das eine Woche vor den schriftlichen Prüfungen zur mittleren Reife. Brigitte Trösters Mann Michael erzählt: „Ihr größter Wunsch war es, den Realschulabschluss zu machen. Sie hat gesagt: ,Ich bin bald 19 Jahre alt und möchte nicht noch einmal zurück zur Schule.‘ Sie hat dann einen Brief an ihre Klasse geschrieben und allen viel Glück für die Prüfung gewünscht. Dazu hat sie geschrieben: ,Ich mach‘ die Prüfung mit euch, aber halt nicht in Wendlingen, sondern woanders‘.“

Und tatsächlich hat Karoline Schrötter im Krankenhaus ihre schriftlichen Prüfungen abgelegt – und zwar unter unsäglichen Mühen und kaum vorstellbaren Bedingungen. Michael Tröster: „Ihr Klassenlehrer hat gesagt, dass ihn das Protokoll der Matheprüfung zu Tränen gerührt hat.“ In diesem Protokoll war genau verzeichnet, wann Karoline welche Aufgabe gelöst hat und wie lange sie zwischendurch Pause machen musste, um zu schlafen – oder um sich zu übergeben. Die Kopfschmerzen waren teilweise so heftig, dass die 18-Jährige wochenlang nur liegen konnte. Allein beim Aufsitzen wurden die Schmerzen schon so unerträglich, dass sie erbrechen musste.

Die Schülerin hat sich übrigens genauestens über ihre Krankheit informiert, wie Michael Tröster berichtet: „Nach dem Rückfall wollte sie keine neue Therapie mehr anfangen, weil sie wusste, was auf sie zukommt. Eine Krankenschwester konnte sie aber davon überzeugen, dass sie die Therapie beginnen soll, weil es drei Wochen später vielleicht schon zu spät hätte sein können. Dass die Schwester das so hingekriegt hat, war für uns eine große Erleichterung. Jetzt hoffen wir, dass die Typisierungsaktion weiteren Auftrieb gibt. Es geht nach vorne.“

Zunächst einmal hatte die Familie ja gedacht, dass eine Stammzellspende gar kein Problem sei, weil Karoline eine eineiige Zwillingsschwester hat. Sabrina Grupp von der DKMS sagte aber beim Pressegespräch im Kirchheimer Rathaus: „Die eineiige Zwillingschwester passt da gar nicht. Da gab es nur eine Nabelschnur, und das Erbgut ist zu gleich.“ Dafür gab es bei der Familie neue Ängste, dass auch die Schwester an Leukämie erkranken könnte. „Die Ärzte haben uns aber gesagt, dass Zwillinge im Kindesalter viele Krankheiten parallel bekommen, danach eher nicht mehr“, erzählt Brigitte Tröster, „das hat uns die Angst genommen.“

In drei Jahren habe die ganze Familie gelernt, dass alles Schritt für Schritt geht und dass keine langfristigen Planungen möglich sind. Trotzdem berichtet Brigitte Tröster von einem einmaligen schockierenden Erlebnis. Leukämiekranke sind nämlich auch auf regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen, und „einmal war kein passendes Blut da, deshalb mussten wir sieben oder acht Stunden warten“. Das Spenden von Blut ist also genauso wichtig wie das Spenden von Stammzellen, obwohl das eine unabhängig vom anderen geschehen kann.

Für die Typisierung werden beispielsweise nur fünf Milliliter Blut benötigt. Und zusammen mit dem Ausfüllen des notwendigen Formulars muss man lediglich mit einem Zeitaufwand von fünf bis zehn Minuten rechnen. Wie beim Blutspenden seien es kompetente Fachkräfte, die beim Typisieren das Blut entnehmen, sagt Sabrina Grupp von der DKMS. Aber mit langen Warteschlangen sei in der Eduard-Mörike-Halle nicht zu rechnen. Auch wenn weit über 1 000 Menschen kommen, werde jeder Einzelne einigermaßen zügig bedient. Und noch einen wichtigen Unterschied gibt es zum Blutspenden: Wer sich typisieren lässt, sollte zwar gesund sein. Aber Auflandsaufenthalte kurz vorher spielen keine Rolle. Denn zunächst kommt es ja nur auf die Gewebemerkmale an. Lediglich wenn es „ernst“ werden würde mit einer Spende von Stammzellen oder Knochenmark, dann käme es auf solche Details an.

Aber auch auf eine andere Art von Spenden sind die DKMS und Karoline Schrötter dringend angewiesen. Die Analyse einer einzigen Blutprobe im Labor kostet 50 Euro. Weil die Veranstalter der Aktion am 10. Juli auf etwa 1 500 Mitmenschen hoffen, die zur Typisierung bereit sind, würde das Laborkosten von 75 000 Euro mit sich bringen. Nun werden also Unternehmen angesprochen, ob sie zu Geldspenden bereit sind. Außerdem sind Benefizkonzerte in Ötlingen und in Wendlingen geplant. Zur Typisierung in der Eduard-Mörike-Halle gehört auch eine Bewirtung, die größtenteils die Feuerwehr übernehmen wird. Der Erlös kommt ebenfalls der Aktion zugute.

Michael Tröster hat sich selbst übrigens schon vor über zehn Jahren typisieren lassen, weil ein Fußballkamerad erkrankt war. „Vor zwei Jahren habe ich einen Brief bekommen, weil ich in einem Fall zu den zehn Menschen gehört habe, bei denen die Übereinstimmung am besten war. Es wurde dann zwar ein anderer genommen, bei dem es noch besser war. Aber das kribbelt, wenn man so einen Brief bekommt. Es ist die reine Freude, wenn man weiß: Da kann man was tun.“

Zum Geldspendenaufruf sagt Michael Tröster: „Es kommt nicht darauf an, wie viel jemand spendet. Jeder Euro zählt.“ Und genauso zählt natürlich jeder Einzelne, der sich am 10. Juli typisieren lässt.

Spendenkonto

Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei gemeinnnützige Gesellschaft mbH mit Sitz in Tübingen hat eigens für die Typisierungsaktion im Fall der Ötlingerin Karoline Schrötter folgendes Spendenkonto eingerichtet: Nummer 101 571 366 bei der Kreissparkasse Esslingen, Bankleitzahl 611 500 20.