Lokales

Jetzt schlägt‘s dreizehn

Auf den Zifferblättern am Kirchheimer Bahnhof regiert das Chaos

Bahnhof - Uhren - Uhr - DB
Bahnhof - Uhren - Uhr - DB

Kirchheim. „Zuverlässig wie die Bahnhofsuhr.“ – Ein Vergleich, der einst großes Lob bedeutete. Doch

wehe, wer sich heute auf Bahnhofsuhren verlässt. Zuverlässig? – Von wegen!

Recherche am Bahnhof: Kirchheim: Armbanduhr und Handy sind sich einig, es ist 10.53 Uhr. Wirklich? Wer sich zu Fuß dem Bahnhofsgebäude nähert, sieht sie schon von Weitem, die große runde Uhr direkt über dem Haupteingang. Seriöses Erscheinungsbild, klare Aussage: Es ist 12 Uhr. 12 Uhr statt 10.53 Uhr? Ja doch: Hier ist es immer 12 Uhr, im Morgengrauen und in der Abenddämmerung. Und das seit Langem, gefühlt seit Jahren.

„Selbst schuld“, dürfte sich schon so mancher ÖPNV-Kunde zähneknirschend gedacht haben mit Blick auf die roten Rücklichter des Busses, in dem er gern gesessen hätte. Natürlich hätte er aufs Handy schauen können oder die eigene Armbanduhr befragen müssen. Hätte, könnte, sollte . . . Man tut‘s halt nicht, denn die seriöse Ausstrahlung der Bahnhofsuhr gaukelt Sicherheit vor.

Der Test vor Ort zeigt schnell, was Theorie ist und was Praxis. Die Sicherheit korrekter Zeitangaben gibt‘s längst nicht mehr, schon gar nicht auf deutschen Bahnhöfen in Zeiten von Privatisierung und Personalabbau. Mal schauen, was für Überraschungen der Besuch noch so birgt: Tür auf und ab durch die gute Stube Bahnhofshalle bis zum Gleis. Am Gebäude, in dem einst Personal das Geschehen überwachte, blinzelt schon frech die nächste Uhr. Unverfroren verkündet sie, was nicht sein kann, nicht sein darf: 4.20 Uhr steht da, vielleicht auch 16.20 Uhr, wer weiß das schon genau.

Benommen schwankt man ein wenig planlos hin und her, wodurch sich der Blick auf die andere Seite des Chronometers offenbart. Ein Hoffnungsschimmer: „10.58 Uhr“ könnte der Wahrheit nahe kommen. Jetzt standhaft bleiben, denn die nächste Irritation ist schon in Sichtweite: Die Uhr am Gleis der Teckbahn. Auch sie hat ihre eigene Einstellung zum Thema Zeit; 6.21 Uhr von vorne und 9.21 Uhr von hinten.

Die Recherche, spielerisch begonnen, gewinnt an Verbissenheit. Was sagt die Uhr direkt am S-Bahn-Gleis? ­9.21 Uhr! Ob von vorne oder hinten – das gute Stück bleibt seiner Aussage treu. Das gähnend leere Gleis überführt sie der Lüge. Der versierte S-Bahn-Pendler weiß, dass 21 Minuten nach jeder vollen Stunde die roten Waggons den Kirchheimer Bahnhof in Richtung Landeshauptstadt verlassen. Wer sich im Gestrüpp des ÖPNV zurechtfindet, wird sich wohl diese Kleinigkeit merken können. Wenn nicht, ist der Schaden überschaubar: maximal eine halbe Stunde warten. Schlimmer trifft‘s den, der einen bestimmten Bus auf die Alb noch erreichen will. Daher die Frage: Wie sieht‘s einen Steinwurf weiter am Busbahnhof aus?

Man befürchtet das Schlimmste, rechnet damit, dass es hier womöglich dreizehn schlägt. Doch siehe da, alles halb so wild. Weit sichtbar meldet die rosafarbene Uhr nichts als die Wahrheit: 11 Uhr ist es mittlerweile. Und auch gegenüber, an der neuen Stele mit Stadtplänen und grünem S-Bahn-Symbol punktet die überaus seriös wirkende Ziffernscheibe mit korrekter Zeitangabe.

Die Bilanz ist verwirrend: Ein Haufen Bahnhofsuhren, viele davon falsch, aber sogar einige richtig. Bahnhofsuhren sind einfach nicht mehr zuverlässig – nicht mal zuverlässig falsch!

 

Als „unglückliche Geschichte“ bezeichnet ein Pressesprecher der Bahn das Zeitchaos am Bahnhof Kirchheim. Die Ursache seien Uhren verschiedener Bauarten. Doch der Bahnhof soll ausschließlich auf Funkuhren umgerüstet werden, verspricht der Mann aus Stuttgart. Wann? „Wir sind hinterher!“