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Kämpferischer Start in heiße Wahlkampfphase

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles spricht auf Einladung des Wahlkreiskandidaten Rainer Arnold vor dem Rathaus

In Angriffsstimmung: Andrea Nahles attackierte vor dem Kirchheimer Rathaus die amtierende Bundesregierung.Foto: Jean-Luc Jacques
In Angriffsstimmung: Andrea Nahles attackierte vor dem Kirchheimer Rathaus die amtierende Bundesregierung.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Erst Balingen, dann Reutlingen, dann Kirchheim – bei einem solchen Wahlkampfpensum könnte selbst ein Politprofi wie Andrea Nahles schon einmal den Überblick verlieren, wo er ist. Dass die

SPD-Generalsekretärin Kirchheim so schnell nicht vergisst, dafür hat vermutlich Stadtrat und Bastions-Urgestein Andreas Kenner gesorgt. In seiner gewohnt schnoddrigen Art überreichte er „der Andrea“ einen hochprozentigen schwäbischen Whiskey – zum Genießen an kühlen Herbsttagen in den heimischen Mooren. „Nicht Moore – Vulkane“, konterte die aus der Eifel stammende Andrea Nahles lachend – übrigens nicht ohne eine Einladung an Andreas Kenner auszusprechen, damit der seine geografischen Wissenslücken füllen kann.

Dass Andrea Nahles‘ Stimme so klang, als ob sie sich jederzeit als Sängerin der Vorband „Werner Dannemann und Friends“ versuchen könnte, lag wohl auch ein wenig daran, dass es nicht ihr erster Wahlkampfauftritt an diesem Tag war. So heiser die Stimme auch war, von Müdigkeit war bei der Generalsekretärin keine Spur. Nahles titulierte die amtierende Koalition, die sich selbst als „beste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“ bezeichnet hatte, als „Tu-nix-Regierung“, die die Menschen im Stich lasse. „50 Prozent der jungen Leute in Deutschland bekommen heute nur noch einen befristeten Arbeitsplatz. Wer so etwas akzeptiert, muss sich nicht wundern, wenn die sich nicht trauen, eine Familie zu gründen“, wetterte Nahles. Die SPD wolle sachgrundlose Befristungen und endlose Praktika beenden. Vehement trat sie für einen Mindestlohn ein. 6,8 Millionen Menschen in Deutschland erhielten aufstockende Leistungen, weil der Lohn nicht zum Leben reicht. „Wir können es uns nicht leisten, mit Milliarden Unternehmen zu subventionieren, die ihren Leuten Hungerlöhne zahlen“, sagte sie.

Andreas Nahles versprach den Zuhörern eine „echte Pflegereform“. Um 125 000 zusätzliche Pflegekräfte einstellen zu können, wolle die SPD den Pflegebeitrag um 0,5 Prozent anheben. Die Generalsekretärin betonte außerdem die Forderung nach einer Bürgerversicherung, „sodass der Kranke wieder im Mittelpunkt steht“. Dass CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen das Thema Altersarmut ins Licht der Öffentlichkeit gebracht hat, findet Andrea Nahles gut. Allerdings warf sie der Bundesregierung beim Thema Lebensleistungsrente Etikettenschwindel vor. „Das Wort hört sich erst mal toll an. Aber wenn man genau hinschaut, waren in der Flasche Lebensleistungsrente 20 Euro mehr drin, als man in der Grundsicherung bekommen würde.“ Und nicht mal darauf hätte sich die Regierung einigen können. „Flasche leer“, lautet das Fazit von Andrea Nahles. Die SPD fordert, dass Arbeitnehmer, die 30 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, mindestens 850 Euro herausbekommen müssen. „Und wer 45 Jahre gearbeitet hat, muss abschlagsfrei in Rente gehen – auch wenn uns das sieben Milliarden Euro kostet“, so Andrea Nahles.

Steuersünder wie Uli Hoeneß will Andrea Nahles künftig nicht mehr schonen. „Menschen, die viel Geld haben, legen für sich willkürlich Steuersätze fest. Wenn das ein einfacher Bürger machen würde, würde er die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen“, sagte sie. Die SPD wolle die Chance auf Selbstanzeigen langfristig verbieten lassen. Andrea Nahles verteidigte die Steuersätze in Deutschland. „Wir haben hier eine hohe Lebensqualität. Und die muss irgendwie finanziert werden.“

Auch aktuelle Aufregerthemen sprach Andrea Nahles an. „Wer die Menschen mit einer Pkw-Maut nur für Ausländer locken will, belügt sie“, sagte die Generalsekretärin. Eine Pkw-Maut für alle, die möglich sei, lehnt die SPD als ungerecht ab. Für das Bahn-Chaos in Mainz hatte sie nur Kopfschütteln übrig. „Ein Börsengang, wie Rainer Brüderle ihn vorschlägt, würde die Situation bei der Bahn noch verschlechtern“, so Nahles.

Ihren Fraktionskollegen Rainer Arnold, der im Wahlkreis Nürtingen-Filder für die SPD antritt, kann Andrea Nahles den Wählern „guten Gewissens“ ans Herz legen. „Rainer ist sachorientiert, aber er kann auch beißen. Das hat er gerade im Drohnen-Untersuchungsausschuss bewiesen.“ Es gebe in der Politik viele Gockel, sagte Andrea Nahles. „Aber es gibt auch Menschen, die mit Herzblut dabei sind, denen es um die Sache geht und die ihre Heimat lieben. So einer ist Rainer Arnold.“