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„Kein Interesse an S 21-Aushub“

Kreis will Bunker mit 500 000 Kubikmeter Erde überdecken – Beuren befürchtet Großdeponie

Bis 2029 muss der Landkreis das Areal des Munitionsdepots im Tiefenbachtal rekultiviert haben. So sieht es der Kaufvertrag mit dem Land vor. Weil der Aufwand, die Bunker dem Erdboden gleichzumachen, zu groß ist, will sie der Kreis unter viel Erde begraben und dann das Gelände wieder aufforsten. So umstritten die Aktion in Beuren ist, so ungewiss ist, wo die rund 500 000 Kubikmeter Erde ­herkommen sollen.

Das Bunker-Areal des ehemaligen Munitionsdepots und die Erddeponie Blumentobel aus der Vogelperspektive: Sehr gut zu erkennen si
Das Bunker-Areal des ehemaligen Munitionsdepots und die Erddeponie Blumentobel aus der Vogelperspektive: Sehr gut zu erkennen sind die begrünten Bunkerdächer mit den Lüftungsrohren (in der linken unteren Ecke des Bildes).Foto: Werner Feirer

Beuren. „Wir haben kein Interesse an Material aus S 21-Baustellen“, sagt der neue Geschäftsführer des Abfallwirtschaftsbetriebs, Manfred Kopp, und begegnet damit Spekulationen, es könnte für das Begräbnis der ehemaligen Munitionsbunker Aushub aus dem Bereich der geplanten ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm verwendet werden.

Derzeit befindet sich der Trassenabschnitt 2.1.c Holzmaden-Aichelberg noch in der Planfeststellung. „Das Verfahren wird nicht vor einem Jahr abgeschlossen sein“. Davon geht der stellvertretende Leiter des Kommunikationsbüros Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, Michael Schmidt, aus. „Die Ausschreibung der Entsorgung des Erdaushubs wird nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens zeitnah erfolgen“.

Wo das Erdmaterial eingebaut werden soll, ist nur teilweise in der Planfeststellung geregelt. Auch legen die Planunterlagen nicht fest, in welche Deponien zum Beispiel das Aushubmaterial aus dem zweiröhrigen und acht Kilometer langen Eisenbahntunnel im Aichelberg gekarrt werden soll. Das bleibt der Firma vorbehalten, die nach der Ausschreibung den Zuschlag erhält. Schmidt bestätigt aber, dass aus den beiden Röhren deutlich mehr als 500 000 Kubikmeter Erdaushub anfallen. Somit wäre rein theoretisch das Auffüllen der Munitionsbunker mit Trassendreck möglich. Wenn dem so wäre, könnte es sein, dass etwa zehn Jahre lang täglich rund 20 Brummis über Weilheim und Owen ins Tiefenbachtal rollen.

Das rund 27 Hektar große Gelände des ehemaligen Munitionsdepots im Tiefenbachtal, das der Landkreis Esslingen 1999 vom Land Baden-Württemberg auf 30 Jahre pachtete, will er nun für voraussichtlich 1,3 Millionen Euro kaufen. Damit „erkauft“ er sich allerdings auch die Auflage, das Gelände bis 2029 zu rekultivieren, sprich wieder aufzuforsten. Doch ist es sinnvoll, ein Gelände aufzuforsten, wo bereits Wald steht? Diese Frage beantwortet Kreisforstamtsleiter Felix Reining mit einem klaren „Ja“ und verweist auf den Vertrag mit der Forstverwaltung des Landes. „Wir müssen den ursprünglichen Waldzustand wieder herstellen.“

Dort, wo jetzt rund um die ehemaligen Munitionsbunker Fichten wachsen, war zuvor Laub-Mischwald mit einem überwiegenden Buchenbestand. Dieser Mischwald wurde zu Zeiten des Kalten Krieges abgeholzt, um die Bunkeranlagen bauen zu können. Anschließend ließ die Bundeswehrverwaltung schnell wachsende Fichten als Sichtschutz pflanzen. „Die Fichten sind an diesem Standort ungeeignet und würden aus klimatischen Gründen nicht sehr alt werden“, sagt Felix Reining. Sie werden deshalb „geerntet“.

Einen Zeitplan für die Wiederaufforstung gibt es noch nicht. Doch schätzt der Kreisforstamtsleiter: „Zehn Jahre dauert das mindestens.“ Das heißt, es muss noch in diesem Jahrzehnt damit begonnen werden. Denn die abgeholzte Fläche soll nicht schlagartig, sondern kleinflächig Zug um Zug rekultiviert werden. Dazu müssen die Bunker zunächst mit Erde verfüllt und überdeckt werden, bevor die Laubholzschösslinge in den Boden gesetzt werden können. „Wir brauchen über dem Scheitelpunkt der Bunker mindestens zwei bis drei Meter Erde“, erklärt der Kreisforstamtsleiter.

Das bestätigt AWB-Geschäftsführer Manfred Kopp. Um die explosionssicheren Gebäude abzureißen und zu entsorgen, müsste der Land­kreis zu tief in die Tasche greifen. Deshalb ist daran gedacht, sie unter Erdmassen verschwinden zu lassen. Um eine möglichst ebene Oberfläche zu erreichen, werden auch die Zwischenräume der halbtonnenförmigen Betonhüllen aufgefüllt.

Wo die Erde für die Rekultivierung genau herkommt, die Rede ist von geschätzten 500 000 Kubikmetern, ist Manfred Kopp zufolge noch nicht klar. Sicher ist jedoch eins: „Nicht von den S 21-Baustellen beziehungsweise von der ICE-Neubautrasse“. Vielmehr will der Abfallwirtschaftsbetrieb unbelasteten Bodenaushub von Häuslesbauern und Fabrikbauten aus dem Kreis nehmen. Es soll deshalb laut Kopp auch keinen zusätzlichen Lkw-Verkehr geben. Die Brummis, die ohnehin zur Erddeponie Blumentobel fahren, werden dann weitergeleitet zum Munitionsdepot.

Genau darin besteht für Beurens Bürgermeister Erich Hartmann das Problem. Er befürchtet eine Großdeponie durch die Hintertür und sieht die Hoffnung schwinden, dass „die Wunde Blumentobel“ in den nächsten zehn Jahren zuwächst. Denn die Lkw werden mit Beginn der Rekultivierung nicht die restlichen Kapazitäten der Erddeponie Blumentobel auffüllen, sondern auf das Areal des Munitionsdepots weiterfahren und dort abladen.

Für den Abfallwirtschaftsbetrieb hätte diese Aktion den Vorteil, die Restlaufzeit des Blumentobels von rund 15 Jahren verlängern zu können. Der Landkreis müsste sich also nicht so rasch nach einer neuen Erddeponie umschauen. Auch finanziell wären Kauf und Rekultivierung des ehemaligen Munitionsdepots kein Minusgeschäft, denn die Ablagerung der Erde auf und um die Bunker wäre genauso kostenpflichtig wie die Entsorgung auf dem Blumentobel.

Für einen Kubikmeter Erde verlangt der Landkreis ab Juli zwölf Euro. Selbst wenn dieser Kubikmeterpreis zum Zeitpunkt der Rekultivierung des Munitionsdepotgeländes niedriger sein sollte, dürften die rund 500 000 Kubikmeter Erde den Kaufpreis gut und gerne wieder in die AWB-Kasse gespült haben.