Lokales

Kirchheim macht Geld aus Dreck

Neue Heizanlage am Schlossgymnasium geht in Betrieb – Wärme kommt unter anderem vom Abwasser

Die Stadt Kirchheim hat gestern ihr „Leuchtturmprojekt“ in Betrieb genommen: die neue Wärmeversorgung am Schlossgymnasium. Das vorbildliche Projekt „leuchtet“ gleich unter zwei Gesichtspunkten: Es spart nicht nur vier Fünftel des bisherigen Schadstoffausstoßes ein, sondern auch nahezu drei Fünftel der jährlichen Heizkosten.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und Ministerialdirektor Helmfried Meinel nehmen symbolisch die neue Heizanlage des K
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und Ministerialdirektor Helmfried Meinel nehmen symbolisch die neue Heizanlage des Kirchheimer Schlossgymnasiums in Betrieb. Das innovative Projekt spart nicht nur viel Geld, sondern reduziert auch den Schadstoffausstoß um über 80 Prozent.Foto: Markus Brändli

Kirchheim. Seit die Menschheit das Geld erfunden hat, träumt sie davon, auch aus Dreck und Unrat Geld zu machen. In Kirchheim geht dieser uralte Traum jetzt in Erfüllung: Auf einer Länge von 25 Metern wird einem Abwasserkanal am Schlossgymnasium Wärme entzogen, die künftig Klassenzimmer heizt. In diesem Sinne wird aus dem Unrat im Kanal zwar nicht direkt Geld gemacht. Aber es wird ihm zumindest Wärme entnommen, die er ohnehin nicht braucht. Und das führt dazu, dass die Stadt Kirchheim viel Geld für Stromkosten spart. Das eingesparte Geld wiederum steht für andere Aufgaben zur Verfügung. Es wird somit also indirekt durch das Wärmetauschsystem erwirtschaftet.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker nannte die neue Anlage, zu der außerdem noch ein Blockheizkraftwerk und ein Gaskessel gehören, „mehr als zeitgemäß“. 35 Jahre lang war die Schule bisher elektrisch beheizt worden. Angesichts der gestiegenen Stromkosten sei das „in heutiger Zeit nicht mehr vorstellbar“. Die Investitionskosten für die neue Heizung seien – angesichts des eingesparten Stroms – bereits in fünf Jahren amortisiert. Zu Recht stellte die Oberbürgermeisterin fest: „Das kann sich sehen lassen.“ Deshalb solle die Heizung am Schlossgymnasium auch nicht die einzige Anlage bleiben, „mit der wir von der Wärme im Abwasser profitieren wollen“.

Helmfried Meinel, Ministerialdirektor im baden-württembergischen Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, sprach in Vertretung des verhinderten Ministers Franz Untersteller von einem „effizienten Einsatz erneuerbarer Energien“ bei diesem Projekt, an dem er besonders die „Vorbildfunktion der Kommunen“ hervorhob. Das Land unterstütze die Kommunen bei solchen Projekten. In diesem Fall zahlt es sich auch aus, dass die Stadt Kirchheim ein Klimaschutzkonzept verabschiedet hat. Die Belohnung für das Konzept gibt es in Form eines erhöhten Fördersatzes. Helmfried Meinel bezeichnete das Klimaschutzkonzept gar als die „Eintrittskarte für Spitzenförderung“. Das Schlossgymnasium sei ein „Musterbeispiel für energetische Sanierung“, und die neue Heizanlage sei „ganz im Sinn unserer Klimaschutzpolitik“.

Schulleiterin Lucia Heffner betonte in ihrem Grußwort: „Hier passiert etwas Tolles. Aber im Schulhaus selbst kriegt man gar nicht mit, was sich da eigentlich abspielt.“ Genau so solle es auch sein. Die Temperaturen im Gebäude bleiben gleich, nur die Technik sei viel umweltfreundlicher als bisher. Die neue Technik gebe die Antwort „auf eine der drängendsten Fragen unserer Zeit“: Wie lassen sich klimafeindliche Einflüsse reduzieren? Nicht zuletzt gehe es dabei um den sinnvollen Umgang mit Ressourcen wie Energie, Wasser, Rohstoffe.

Dieses Thema griffen anschließend Oberstufenschüler auf, die zeigten, dass sich der Klimaschutz auch auf die internationale Sicherheit auswirkt. Wenn die Klimapolitik einzelner Staaten zu Umweltkatastrophen, steigenden Meeresspiegeln, Smog, Hungersnöten und Epidemien führe oder gar zum Krieg ums Wasser, dann gehe es um mehr als um ein paar Tonnen Kohlendioxid. Fazit der Schüler: „Wir haben die Mittel, das zu verhindern.“

Wolfgang Schuler, der planende Ingenieur, stellte die technischen Details vor und nannte dabei beeindruckende Zahlen: Das Gesamtprojekt kostet 874 000 Euro. Davon erhält die Stadt einen Landeszuschuss von 114 000 Euro. Der Mix aus Blockheizkraftwerk (das 65 Prozent der Wärme und zusätzlich noch Strom liefert), Wärmepumpe (25 Prozent) und Gaskessel für die Spitzenlast (zehn Prozent) sorgt dafür, dass der Kohlendioxid-Ausstoß um 81 Prozent gesenkt wird – von 570 Tonnen auf 110 Tonnen pro Jahr. Die Heizkosten wiederum sinken von 251 000 Euro auf 106 000 Euro. Die jährliche Einsparung von 145 000 Euro sorgt dafür, dass sich die städtische Investition schon in fünf Jahren bezahlt macht.