Lokales

Klinikrückbau mit System

Beim Abbruch des alten Nürtinger Krankenhauses sind die Abläufe streng geplant

Der Abbruch der alten Klinik auf dem Nürtinger Säer ist in vollem Gange und bietet mittlerweile interessante Einblicke in die Bauweise der frühen Siebzigerjahre. Unzählige Betonplatten werden derzeit abgetragen, eine Vielzahl von Stahlträgern Stück für Stück mit Schneidbrennern zerlegt. Bis zum März nächsten Jahres soll die Klinik dem Erdboden gleich gemacht sein.

Krankenhaus Nürtingen
Krankenhaus Nürtingen

Uwe Gottwald

Nürtingen. Bei Matthias Schwarz von der Firma Fischer aus Weilheim laufen die Fäden für das Sechs-Millionen-Euro-Projekt zusamen. Die Fachkenntnisse des Hochbauingenieurs sind bei diesem Unterfangen in umgekehrter Weise gefragt. Deshalb spricht er auch nicht von einem Abriss sondern von einem Rückbau, manchmal sogar von einem Abbau. „Die Nachbarschaft der neuen Klinik und die im Erdgeschoss des alten Krankenhauses befindliche Physiotherapie machen ein behutsames Vorgehen unumgänglich“, so Schwarz. Es handle sich um einen Rückbau im laufenden Betrieb, wofür auch Versorgungseinrichtungen umgebaut werden müssten.

Einfach alles umwerfen ist aber auch deshalb nicht angesagt, weil es aus dem Bau noch etwas zu holen gibt. So ist die Firma Fischer neben dem Entsorgen auch auf Verwertung spezialisiert. Die verschiedensten Materialien beim Rückbau voneinander zu trennen, ist schon aus wirtschaftlichen und umwelttechnischen Gründen notwendig. Es gilt, möglichst wenig Sondermüll zu produzieren.

„Im März haben wir begonnen und bis zum August das Gebäude im Inneren entkernt“, erklärt Schwarz. Bodenbeläge und zum Teil auch noch Inventar wie Einbauschränke, Decken, Wände, Türen und viele technische Einbauten wie zum Beispiel die Belüftungsanlage, die Elektrik und die Rohrleitungssysteme sowie die Heizanlage wurden entfernt. Etwa 6 000 Tonnen Material wurden seitdem abtransportiert, wozu es täglich circa 40 Lkw-Fuhren benötigte. Vieles musste entsorgt werden, während Buntmetalle einer lukrativen Verwertung zugeführt werden können.

Sondermüll dagegen ist das Asbest, das von der spezialisierten Firma Gesu aus Eschbach ausgebaut wurde. Verarbeitet worden sei es wegen der in den Siebzigerjahren noch verbreiteten Stahlbauweise. „In gleicher Weise wurde das World Trade Center errichtet“, erklärt Schwarz. Heute werde so nicht mehr gebaut, die Grundkonstruktion von höheren Bauten bestehe aus Stahlbetonpfeilern. Stahlträgerkonstruktionen seien viel zu aufwendig, arbeits- und deshalb auch kostenintensiv. Die vertikalen Stahlträger seien auch die Schwachpunkte im Brandfall. Überall dort, wo der Stahl durch Beton abgedeckt ist, wird er vor Hitze geschützt. An den Kreuzungspunkten der Konstruktion dagegen ummantelte man den Stahl mit Asbest als Brandschutz. Auch an den Oberkanten der Zimmerwände habe man oft noch einen Streifen Asbest vorgefunden, so Schwarz.

Das war auch das Problem, als der Klinikbau saniert und modernisiert werden sollte. „Die EDV hätte auf den neuesten Stand gebracht werden müssen, und auch der Brandschutz war nach heutigen Maßstäben nicht mehr gewährleistet“, so Klinikdirektor Norbert Nadler. So ungefährlich Asbest in gebundener Form ist, so hochgefährlich ist das Material, wenn es angebohrt oder zersägt wird. Die feinsten Stäube sind krebserregend. Und die sind bei einer Sanierung unvermeidlich. Im Untergeschoss hatte man mit dem enormen Sanierungsaufwand Erfahrungen gemacht und kam deshalb zum Schluss, dass ein Neubau kostengünstiger ist. Die sanierte Physiotherapie-Abteilung ist heute durch einen Gang mit der neuen Klinik verbunden.

„Beim Ausbau des Asbests wird im sogenannten schwarzen Bereich gearbeitet, also hermetisch luftdicht abgeschlossen und unter Unterdruck mit Spezialstaubsaugern. Auch Fensterscheiben waren noch vorhanden“, erklärt Artur Haigis, Leiter für Bau und Technik der Kreiskliniken Esslingen. Davor, während und nach dem Ausbau sei ständig gemessen worden, das Ergebnis war beruhigend. „Keine belastenden Partikel in der Umgebungsluft“, versichert Haigis.

Seit September geht es ans Grobe, und zwar an das Skelett und die Außenhülle der Klinik. Nochmals rund 15 000 Tonnen Bauschutt und etwa 1 500 Tonnen Stahl werden anfallen, schätzt Schwarz. Die Fassadenplatten aus einer Leichtbetonmischung mussten auf die von der Firma Fischer selbst betriebene Deponie in einem Steinbruch bei Aldingen. Die Betonplatten, die einst auf die horizontalen Stahlträger aufgelegt worden waren, werden mit einem mächtigen Kran angehoben. Dieser schafft eine Maximallast von zwölf Tonen, am äußersten Ende seines 70 Meter langen Auslegers trägt er noch drei Tonnen. „Mit dem haben wir auch die vier Tonnen schweren Aufzugskabinen aus den Schächten gezogen“, sagt Schwarz.

Pro Geschoss weisen die vier Stockwerke eine Fläche von jeweils 5 000 Quadratmeter auf, zusammengestückelt aus Betonplatten von 1,75 auf 3,60 Meter. So kommen circa 3 500 Betonplatten zusammen, von denen jede mit einem Diamantbohrer dreimal für die Aufhängung am Kranseil angebohrt werden muss. Am Boden werden die Platten mit einem Meiselbagger zum Abtransport zertrümmert und später noch weiter geschreddert, um zum Beispiel im Straßenbau wieder Verwendung zu finden. Die rund 400 Stahlstützen pro Ebene werden abgetrennt und ebenfalls wieder verwertet.

Das Erdgeschoss wird mit einer lastverteilenden Bodenplatte abgeschlossen. „Darauf kann wieder gebaut werden, in gleicher Last, wie sie das alte Krankenhaus hatte, wegen neuer Bauweisen aber wohl nicht mehr ganz so hoch“, sagt Schwarz. Angestrebt ist eine medizinnahe Nutzung, Näheres könne man aber noch nicht sagen, so Direktor Nadler.