Frickenhausen. Noch bevor Frickenhausens Bürgermeister Simon Blessing ein Grußwort sprechen konnte, stellte Christof Bolay, SPD, einen Geschäftsordnungsantrag, die Tagesordnungspunkte „Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV im Großraum Stuttgart“ und „Allgemeine Vorschrift in der Region Stuttgart“ abzusetzen. Die Fragestellung der ÖPNV-Zuständigkeiten solle auf Landesebene diskutiert und geregelt werden, begründete Bolay seinen Antrag und meinte, dem Bürger sei es völlig egal, wer die S-Bahnen und Busse in der Region fahren lasse.
Während die Kreistags-Grünen diesen Antrag unterstützten – ihre Fraktion im Regionalparlament hatte gemeinsam mit den Sozialdemokraten den umstrittenen Beschluss im Juli in der Regionalversammlung herbeigeführt –, sprachen sich Landrat Heinz Eininger, Alfred Bachofer, Freie Wähler, Martin Fritz, CDU, Ulrich Fehrlen, FDP, und Ulrich Deuschle, Republikaner, vehement dagegen aus. Für Landrat Eininger ging es um „die Kompetenzfrage, die den Kreistag elementar betrifft“. Er wollte deshalb vom Gremium ein Mandat, wie er sich in den Verhandlungen mit Verkehrsminister Hermann zu verhalten habe. „Wir sollten uns als Kreistag eindeutig positionieren“, meinte auch Martin Fritz.
So wurde Christof Bolays Antrag gegen die Stimmen von SPD und Grünen mehrheitlich abgelehnt, und diese Mehrheit positionierte sich denn auch eindeutig. „Wir haben heute einen Nahverkehr aus einem Guss unter dem Dach der VVS. Einzig und allein der Verband redet das System schlecht“, ärgerte sich der Landrat. Dabei habe der für die S-Bahnen zuständige VRS allen Grund, zuerst einmal vor seiner eigenen Tür zu kehren. „Die permanenten und starken Verspätungen der S-Bahn schlagen nämlich unmittelbar auf die Bus-Ab- und -Zubringer durch.“ Es gehe letztendlich darum, eine Verkehrsleistung, die dem tatsächlichen Bedarf vor Ort entspricht und deshalb wirtschaftlich ist, zuverlässig zu erbringen.
Ein weiterer Grund, warum die Zuständigkeit des Kreises für den ÖPNV nicht angetastet werden dürfe, liege in der Verfassung. „Die Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV gehört zum verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der kreiskommunalen Aufgaben“, so Landrat Eininger. Auch sah der Kreisverwaltungschef die Gefahr eines Dammbruches. Weitere Kernkompetenzen wie das Krankenhauswesen oder die Abfallbeseitigung könnten dann auch beim Verband Region Stuttgart zentralisiert und dem kommunalen Einfluss entzogen werden.
Auch Bernhard Richter, Freie Wähler, wollte die Sachkompetenz für den lokalen ÖPNV in Händen des Kreises belassen. Kritisch sah er auch die Gefahr einer Verlagerung von unten nach oben. „Wir Freie Wähler wollen keine zentralstaatliche Bevormundung.“
Für passgenaue Lösungen, wie die Bus- und Nachtbusverkehre, plädierte Martin Fritz, Fraktionschef der CDU im Kreistag. Seine Sorge war, dass durch einen Aufgabenübergang vieles teurer werde. „Es kann aber nicht sein, dass den Landkreisen nur noch die Rolle der Zahlmeister zukommt.“
Sowohl die Republikaner als auch die Liberalen im Kreistag lehnten es ab, die Zuständigkeit für den gesamten ÖPNV in der Region dem Verband zu übertragen. „Die Städte und Gemeinden wissen besser, welche Art des Nachtverkehrs, ob Bus oder Taxi, vor Ort notwendig ist“, meinte Rep-Vorsitzender Ulrich Deuschle, und sein Kollege von der FDP warnte: „Hände weg von der Entscheidungskompetenz der Landkreise.“
Dass das Thema nicht neu ist, darauf wies SPD-Chefin Sonja Spohn hin. Seit 1998 versucht ihre Fraktion im Regionalparlament, die ÖPNV-Zuständigkeiten zu verändern. Sie sah darin eine überfällige, zukunftsorientierte Überlegung und sprach sich für eine solidarische Verkehrsfinanzierung aus. Sie hielt nichts davon, Bataillone in Stellung zu bringen und Grabenkriege zu eröffnen, sondern vertraute auf die sachlichen, fachlichen Fakten – auch finanziell. „Der Ball liegt nun beim Landtag und der Landesregierung, nicht beim Kreistag.“
Für Walburga Duong, Grüne, war klar: Der ÖPNV der Region muss aus einem Guss sein und konsequenterweise auch in einer Hand liegen, „und zwar bei der Region“. Der Verband Region Stuttgart müsse deshalb die Aufgabenträgerschaft für den Busverkehr, mit Ausnahme der kommunalen Verkehrsunternehmen, übertragen bekommen.
Auch Duong plädierte für eine solidarische Finanzierung der Bus- und Bahnverkehre über einen gesamthaften Verkehrsraum. Das Metropolticket sei hierfür ein gutes Beispiel, und dessen Erfolg, auch der finanzielle, spreche für sich.