Lokales

Kulturmeile im Industriedenkmal

Planer überraschen mit weiteren verheißungsvollen Ideen für das Ficker-Areal in Kirchheim

Von Kino, Freizeitstätten und Gastronomie fürs ehemalige Ficker-Areal wird seit Längerem gemunkelt. Jetzt platzte eine neue Bombe: Plötzlich ist von einer wahren Kulturmeile die Rede, mit Galerie, Kammertheater und Kunstschule.

Otto Ficker -  Ansicht von der StuttgarterstrasseFickerareal - FabrikgebŠude
Otto Ficker - Ansicht von der StuttgarterstrasseFickerareal - FabrikgebŠude

Kirchheim. Kirchheims Stadträte lauschten den Planern mit Begeisterung, aber auch mit einer guten Portion Skepsis. Schließlich geht es beim Ficker-Areal unweit der Innenstadt nicht nur um kreative Träume, sondern auch um stadtplanerische Verantwortung. Auf der Tagesordnung der Ratssitzung stand nicht in erster Linie die Vorstellung einer Utopie, sondern eine schlichte Bebauungsplanänderung im Ficker-Areal. Für den „Ausflug in die schöne Welt der Kultur“ bedankte sich daher Stadtrat Mathias Waggershauser, für die CDU im Ratsrund, mit sanfter Ironie bei den kreativen Köpfen. Dieser Ausflug tat in den „Niederungen“ der Bebauungsplanarbeit offenbar gut: Rundum war von einer „Chance für Kirchheim“ die Rede.

Das Ficker-Gelände, aus dem die Firma Blessof mit ihrer Produktion ausziehen möchte, birgt fantastische Möglichkeiten. Derzeitiger Besitzer ist der Heilbronner Briefhüllen-Hersteller Mayer-Kuvert-Network.

Sicher ist eines: Die Fassade des historischen Industriegebäudes an der Stuttgarter Straße soll erhalten bleiben. Doch dahinter könnte die Welt bald nicht mehr wiederzuerkennen sein. „Öffnen wir ein Fenster zur Kultur“, forderte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker die Räte auf.

Visionen gepaart mit überzeugender Bodenständigkeit vermittelte Planer Dr. Eberhard Goll. Er hat auch das Esslinger Dick-Center, Vorbild fürs Ficker-Areal, auf die Erfolgsspur gebracht. Natürlich ist Esslingen nicht eins zu eins auf Kirchheim zu übertragen. „Neben der Freizeitorientierung zeichnet sich hier eine stärkere kulturelle Ausrichtung ab“, nannte Goll den wesentlichen Unterschied, der dem neuen Vorhaben sein individuelles Gepräge geben könnten.

Wie Architekt Kajus Daub erläuterte, soll das historische Gebäude freigestellt werden und über Gastronomie, Dienstleistung und Loftwohnungen verfügen. Im rückwärtigen Produktionsbereich ist an ein Kino mit sechs Sälen gedacht, eine Kletterhalle im Hochregallager, eine Bowlingbahn, ein Tanzcafé und andere Attraktionen mehr. Gastronomie wird an vielen Stellen angesiedelt sein, vor allem um einen einladenden mediterranen Platz herum. Ein Steg, von den Planern verheißungsvoll „Catwalk“ betitelt, soll die Gebäude miteinander verbinden. Im Außenbereich gibt es ebenfalls Sportmöglichkeiten sowie knapp 400 Parkplätze.

Im Inneren will unter anderem Theatermacher Bernd Gnann für Leben sorgen. Der gebürtige Oberschwabe hat das Kammertheater Karlsruhe unter seinen Fittichen. In Kirchheim ist er unlängst mit seinem Heinz-Erhardt-Abend aufgetreten und weiß: „Die Kirchheimer lachen gern.“ Sein Ziel sei nicht, lediglich ein Prozent der Bevölkerung anzusprechen, sondern breite Schichten zu erschließen, beispielsweise mit Volkstheater. Um Kosten zu minimieren, schwebt ihm vor, zunächst erfolgreiche Stücke aus Karlsruhe unter der Teck aufzuführen und später in eigene Produktionen einzusteigen. „Das funktioniert, ich verspreche es ihnen“, beteuerte er selbstbewusst.

Dem Charme der Planung konnte sich keiner entziehen. Doch spielten Schlagworte wie Business-Plan und Wirtschaftlichkeit in der Diskussion doch eine wesentlich wichtigere Rolle als die hehre Kunst. Von einem „ambitionierten und spannenden Nutzungskonzept“ sprach beispielsweise Sabine Bur am Orde-Käß von den Grünen. Sie stellte aber auch gleich die bange Frage, ob das Ganze nicht eine Nummer zu groß für Kirchheim sei. Dr. Jörg Mosolf von der FDP insistierte auf nähere Auskünfte über mögliche Investoren. Etwas skeptisch zeigte sich auch SPD-Mann Andreas Kenner, der nicht nur einstens drei Jahre lang seine Brötchen bei Ficker verdient hat, sondern als Bastionsmitarbeiter ein Herz für Kleinkunst hat: „Ich kenne kein Theater und keine Galerie, die ohne Zuschüsse auskommt“, gab er zu bedenken.

Einen Teil der Sorgen konnte Goll verringern, indem er auf das funktionierende Dick verwies und auf das große Interesse potenter Investoren, die er auch namentlich benennen konnte. Ihre Anschreiben füllen längst einen dicken Ordner. Auch die Befürchtung, das neue Kino könne den preisgekrönten Frechschen Traditionskinos in Kirchheim das Leben schwer machen, entkräftete er. In Esslingen funktioniere das Miteinander mit dem kommunalen Kino gut.

„Wir stellen Ihnen hier etwas vor, das lange geformt wurde“, stellte Angelika Matt-Heidecker klar, dass es sich nicht um einen Schnellschuss handle. Auf der Basis der geschilderten Überlegungen könne nun gezielt mit den Investoren verhandelt werden. Entschlossen stellten die Räte die entscheidende Weiche: Einstimmig fassten sie den Aufstellungsbeschluss für die notwendige Bebauungsplanänderung.

Dr. Goll zeigte sich erfreut, die Vorgespräche jetzt in konkrete Verträge münden lassen zu können: „Wir haben praktisch schon Vollbelegung“, meinte er zuversichtlich. Ähnlich dem Dick-Center wird die Nutzung dabei sicher nicht auf Jahrzehnte hinaus zementiert. „Solch ein Vorhaben ist eine sehr Management-intensive Sache“, betonte Goll. Je nach Zeitströmung sind Neuerungen gefragt und sogar überlebenswichtig.