Lokales

Lenninger Tal setzt auf Flüsterasphalt

Gemeinsamer Lärmaktionsplan legt Prioritäten für ein neues Verkehrskonzept auf der B 465 fest

Dass sie den „Teufel“ Lärm entlang der B 465 im Lenninger Tal nur mit dem „Beelzebub“ Tempo 30 austreiben dürfen, fürchten die Gemeinderäte Owens und Lenningens. Genau diesen „Beelze­bub“ wollen sie verhindern und fordern stattdessen lärmmindernden Asphalt und ein Durchfahrtverbot für Lastwagen. Der Haken an der Sache: Entscheiden wird letztlich das Regierungspräsidium.

Hauptstrasse in Owen beim Gasthaus AdlerStrassenverkehr  - Verkehrslärm - LKW - Verkehr - LärmB 465
Hauptstrasse in Owen beim Gasthaus AdlerStrassenverkehr - Verkehrslärm - LKW - Verkehr - LärmB 465

Andreas Volz

Lenningen / Owen. Die Gemeinde Lenningen und die Stadt Owen haben einen gemeinsamen Lärmaktionsplan erstellen lassen, unter reger Beteiligung der Bürgerschaft. Vor allem geht es dabei um die Bundesstraße 465, die sowohl in Owen als auch in den meisten Teilorten Lenningens die Ortsdurchfahrt darstellt. Hinzu kommt in Owen noch die L 1210 auf der Beurener Straße, die ebenfalls stark frequentiert ist.

Fachplaner Jürgen Roth vom Büro „Sound-Plan“ aus Backnang stellte die Ergebnisse des gemeinsamen Lärmaktionsplans jeweils in den Gemeinderäten vor. Ein dreidimensionales Rechenmodell sei Grundlage für die Lärmuntersuchung gewesen, sagte er. In dem Modell sei alles genauestens erfasst – das Gelände ebenso wie die Gebäude. Entlang der Durchfahrtstraßen, um die es ging, war der Lärmpegel durchweg höher als der zulässige Grenzwert.

Zulässig seien maximal 70 dB(A) am Tag, also zwischen 6 und 22 Uhr, und 60 dB(A) bei Nacht, von 22 bis 6 Uhr. Sind die Werte höher, bestehe Handlungsbedarf. Übersteigen sie einen Pegel von 75 dB(A) am Tag und 65 dB(A) bei Nacht, bestehe sogar dringender Handlungsbedarf. Wichtigstes Ergebnis des interkommunalen Lärmaktionsplans: Das ganze Lenninger Tal hinauf wechseln sich an der B 465 und an der L 1210 die Kategorien „Handlungsbedarf“ und „Dringender Handlungsbedarf“ in schöner Regelmäßigkeit ab.

Die Kommunen sind gesetzlich allerdings nur dazu verpflichtet, den Lärmaktionsplan aufzustellen. Dem Handlungsbedarf Folge zu leisten, ist wiederum Sache des Baulastträgers. Im Fall der Bundesstraße 465, die beide Kommunen betrifft, ist dafür das Regierungspräsidium in Stuttgart zuständig. Owen und Lenningen können nun also ihren Plan samt Handlungsempfehlungen nach Stuttgart schicken. Die Handlungsempfehlungen folgen einer Priorisierung, die im Lenninger Tal als sinnvoll erachtet wird. Ob sie aber auch an den zuständigen Stellen im Regierungspräsidium als sinnvoll genug erachtet wird, dass die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt werden, muss sich erst noch herausstellen.

Letzteres war denn auch die große Befürchtung in beiden Gemeinderäten. Tenor der skeptischen Fragestellungen: „Was nutzt es, wenn wir einen lärmmindernden Asphalt fordern? Am Ende ist das denjenigen, die darüber entscheiden, zu teuer, und wir kriegen nur die günstigste Lösung bewilligt: Tempo-30-Schilder von Owen bis Gutenberg.“

Die Geschwindigkeitsbeschränkung ist sicher ein heikler Streitpunkt, an dem sich die Gemüter erhitzen können. Allerorten ist derzeit zu beobachten, wie Ortsdurchfahrten in Alleen von 30er-Schildern verwandelt werden. Was die einen als lang ersehnt und dringend benötigt begrüßen, ist für die anderen die reine Horrorvorstellung. Die Ratsgremien in Owen und Lenningen scheinen eher zu letzterer Meinung zu neigen. Nicht zuletzt aus dem Gutenberger Ortschaftsrat kam die Befürchtung, dass Lenningen verkehrstechnisch abgehängt werden könnte, wenn die Fahrt von Kirchheim bis ans Ende des Tals sich um mindestens eine „gefühlte“ Viertelstunde verlängere.

Jürgen Roth konnte in diesem Fall durchaus beruhigen: Tempo 30 sorge hier nur für eine Fahrtzeitverlängerung von etwa sechs Minuten – auch wenn es subjektiv wesentlich länger wirken könne. Außerdem gebe es genügend Beispiele, in denen baden-württembergische Regierungspräsidien tatsächlich den empfohlenen Austausch des Fahrbahnbelags mitgetragen haben. Wichtig seien dabei allein die Argumente des Lärmaktionsplans. Und die Argumente aus dem Lenninger Tal hält der Fachplaner für stark.

Immerhin sei der Verkehrslärm an manchen Stellen um mehr als 5 dB(A) zu reduzieren. Eine generelle Senkung der Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde reiche dagegen höchstens für eine Lärmminderung um etwa 3 dB(A) aus. Bei einem lärmarmen Asphalt dagegen ließen sich durchaus Werte von 5 dB(A) erreichen, um die der Krach der Straße abnehme.

Wenn sich das Regierungspräsidium tatsächlich für den neuen Asphalt entscheiden sollte, können die Lenninger davon ausgehen, dass es nicht noch zusätzlich eine Temporeduzierung geben würde: „Flüsterasphalt und Tempo 30 schließen sich gegenseitig aus.“ Bei der geringeren Geschwindigkeit wäre es auf einer Flüsterasphalt-Straße demnach nicht so, dass alles noch leiser wird. Vielmehr bringe der neue Belag dann gar nicht mehr so viel.

Was Fachplaner und die beiden Kommunen dem Regierungspräsidium nun empfehlen, sind zwei Handlungsfelder, denen jeweils die oberste Priorität eingeräumt wird: Die Erneuerung des Fahrbahnbelags auf der gesamten Strecke, mit Anpassung der Schachtdeckel und Regenabläufe, sowie die Sperrung der B 465 für den Durchfahrtverkehr von Lastwagen mit mehr als 7,5 Tonnen. Vor allem soll so der „Maut-Umgehungs-Verkehr“ ausgebremst werden. Anliegerverkehr bliebe natürlich weiterhin erlaubt, was wohl auch auf den Abtransport des ICE-Neubaustrecken-Aushubs in Richtung Steinbruch gelten würde.

Zur Durchsetzung dieser Maßnahme gehören – Priorität 2 – moderne stationäre Blitzanlagen, die auch in der Lage sind, Motorräder zu erfassen. Die Lastwagen sollen zudem geblitzt werden können, um anhand der Nummernschilder zu überprüfen, ob sie tatsächlich dem „Quell- und Zielverkehr“ im Lenninger Tal zuzurechnen sind.

Grundsätzlich soll erreicht werden, dass alle Fahrzeuge mit einigermaßen gleichmäßiger Geschwindigkeit durchs Tal fahren. Deshalb soll auch zwischen den Ortschaften Tempo 50 gelten. Das Einhalten der Geschwindigkeit sollen vernetzte Am­pelanlagen ermöglichen und regeln.

Priorität 3 erst kommt der generellen Einführung von Tempo 30 zu. Hat sich der Owener Gemeinderat noch mit einigen Gegenstimmen für diese Priorität ausgesprochen, so stimmte der Lenninger Gemeinderat mehrheitlich sogar dafür, Tempo 30 ganz aus dem Konzept zu streichen und gar nicht mehr als Handlungsoption anzubieten.

Mit Priorität 4 wird schließlich noch ein Förderprojekt bedacht, das Zuschüsse für den Einbau von Lärmschutzfenstern vermittelt. Für Jürgen Roth ist das aber keine wirkliche Alternative: „Unser Ziel sollte es sein, den Verkehrslärm zu vermeiden, so gut es geht. Was nützt es, dank Lärmschutzfenstern eine ruhigere Wohnung zu haben, wenn es im Garten trotzdem unerträglich laut ist?“ Andere allgemeine Vorschläge des Lärmaktionsplans sehen zusätzlich vor, durch Schilder um mehr Rücksicht zu bitten, P & R-Parkplätze einzurichten sowie Car-Sharing und E-Bikes zu fördern.

Der Straßenbaulastträger entscheidet allerdings nicht nur über die einzelnen Maßnahmen, die er umsetzen kann und will. sondern auch über den Zeitpunkt, zu dem gehandelt werden soll.