Lokales

Märchen-Maientag

Owen feierte gestern den wichtigsten Tag des Jahres

Maientag in Owen
Maientag in Owen
Maientag in Owen
Maientag in Owen

Selten spielt das Wetter im 21. Jahrhundert eine so wichtige Rolle wie beim Owener Maien­tag. Denn das Wetter bestimmt über die alles entscheidende Frage: Teckhalle oder Maienwasen? Noch beim Wecken um 5 Uhr in der Früh‘ durch die Stadtkapelle blickte Bürgermeisterin Verena Grötzinger fragend in den Himmel. Die Entscheidung für den Maienwasen hatte sie bereits getroffen. Aber sie hätte sie kurzfristig auch noch rückgängig machen können.

Maientag in Owen
Maientag in Owen

Zum Glück sollte es jedoch beim Maienwasen bleiben, sodass die Owener nach zwei Teckhallen-Jahren erstmals wieder einen „richtigen“ Maientag feiern konnten. Und ein „richtiger“ Maientag ist immer zauberhaft wie ein Märchen. Wenn dann auch noch Märchen der Brüder Grimm das Thema sind, dann wäre es doch sehr verwünscht, wenn es mit dem Maienwasen nicht klappen würde.

Beinahe philosophisch handelte die Bürgermeisterin das Thema „Maien­wasen“ in ihrer Ansprache nach dem Bändertanz ab: „Der beste Weg muss nicht immer der angenehmste sein. Und seit wann sind wir Owener diejenigen, die mit dem Strom schwimmen, nur weil es leichter ist? Wir wollen an unseren Traditionen festhalten, weil sie uns zu dem machen, was wir sind.“

Maientag in Owen
Maientag in Owen

Der Tradition des mündlichen Erzählens verpflichtet, hat die Grundschule wieder einmal Märchen unter die Lupe genommen, um sie fantasievoll für die Vorführungen auf dem Maienwasen in Szene zu setzen. Eingangs erklärte Schulleiterin Christa Hils, warum Kinder Märchen brauchen: „Märchen spiegeln zauberhafte Momente wider. Mit magischen Vorstellungen erklären sie das, was rational nicht erklärbar ist. Märchen erzählen vom Sieg des Guten, und sie vermitteln Zuversicht, Mut und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.“

Zuversicht brauchten beim Sammeln nicht nur die Brüder Grimm, von deren „Kinder- und Hausmärchen“ vor 200 Jahren der erste Band im Druck erschien. Alle vier Märchen, die gestern dargestellt wurden, stammen aus diesem ersten Band. Eine geradezu unverschämte Zuversicht trägt auch das „tapfere Schneiderlein“ zur Schau, das vor allem ein großer Aufschneider ist. Aber durch seine Prahlereien und sein Vertrauen in die eigene Stärke besiegt es tierische wie menschliche Gegner oder schlägt sie kampflos in die Flucht. Da macht es auch gar nichts, dass der Held sich im Schlaf verplappert und seine eigentliche Herkunft preisgibt.

Dass der König mit dem tapferen Schneiderlein als Schweigersohn gerade wegen dessen Herkunft nicht zufrieden ist – dieses Motiv verband das Märchen der Erstklässler mit dem der Zweitklässler. Denn auch bei der „goldenen Gans“ ist der König von dem dahergelaufenen drittgeborenen Sohn, der auch noch „Dummling“ gerufen wird, alles andere als begeistert. Aber weil der Dummling mit seiner Menschenkette, die am Gold der Gans klebt, die Königstochter zum Lachen gebracht hat, muss der König sein Versprechen erfüllen.

Beim „König Drosselbart“, für den die Drittklässler zuständig waren, ist es genau umgekehrt: Weil die Prinzessin alle würdigen Freier verschmäht und deren Herzen achtlos wegwirft, verheiraten ihre Eltern sie mit dem nächsten dahergelaufenen Bettler. Die Königstochter muss erfahren, wie mühevoll ein Leben in Armut sein kann, bevor sie demütig genug ist, um den einst als „Drosselbart“ verschmähten Bewerber zu heiraten.

Ganz im Arbeitsleben angekommen waren schließlich die Viertklässler, bei denen es kein königliches Personal mehr gab. Aber auch bei ihrem „Tischlein, deck‘ dich“ zeigte sich die Moral, dass ehrlich am längsten währt und dass man gemeinsam zum Erfolg kommen kann – wie die drei Brüder in dieser Geschichte.

Zum Erfolg waren auch die Owener gestern gekommen: zu einem erfolgreichen Maientag auf dem Maien­wasen. Sollte das Gesetz der Serie aus dem 21. Jahrhundert halten, geht es auch nächstes Jahr wieder auf den Wasen: Seit 2000 war der Maientag immer zwei Jahre hintereinander auf dem Maienwasen und anschließend zwei Jahre lang in der Teckhalle.